So war die Silvesternacht in NRW Lage in Bochum, Hagen und Essen eskaliert

Von Wiebke Karla. Alex Talash
So war die Silvesternacht in NRW : Gewalt in Hagen und Essen, viele friedliche Feiern
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Unfassbare Szenen haben sich in der Silvesternacht in Hagen und Bochum abgespielt. Kurz vor Mitternacht hatten zum Teil vermummte Jugendliche in Hagen-Altenhagen eine Straße „übernommen“ – Straßenbarrikaden aus Waschmaschinen, Mülltonnen und Sperrmüll wurden errichtet, übergossen und angezündet. Als die Polizei kurz nach Mitternacht mit einem Streifenwagen in die Alleestraße fuhr, richteten die Randalierer Feuerwerkskörper auf die Beamten.

Weitere Einsatzfahrzeuge wurden Zielobjekte von Glasflaschen. Die im Streifenwagen sitzenden Polizisten blieben glücklicherweise unverletzt. Immer wieder flogen Böller und Raketen in Richtung Rettungskräfte, auch ein Rettungswagen wurde mit Raketen beschossen. Ein Großaufgebot der Polizei löste schließlich die Menge auf der Straße auf. Dabei trugen die Beamten Helme und Schlagstöcke. Mehrere Randalierer wurden von der Polizei festgenommen. Bereits in den vergangenen Jahren war es immer wieder in der Straße zu Vorfällen und auch zu Gewalt und Feuerwerksangriffe gegen Rettungskräfte und Polizei gekommen.

Video: Polizei im Bochumer Bermudadreieck eingekesselt - zwei Festnahmen

Richtig gefährlich wurde es für die Beamten auch im Bermudadreieck in Bochum. Dort wurden Polizisten von rund 300 Personen eingekesselt und mit Feuerwerk beworfen. Darunter waren auch so genannte „Polenböller“, berichtete Pressesprecher Jens Artschwager. Die Polizei war gegen 0.30 Uhr alarmiert worden, weil in der Brüderstraße eine Person Unbeteiligte mit Feuerwerkskörpern beschießen würde. Als die Beamten eintrafen, sahen sie einen 26-Jährigen, der mit einer Waffe auf eine Hausfassade zielte.

Ein 17-Jähriger übernahm die Waffe, er wurde von der Polizei entwaffnet und mit dem 26-Jährigen zu Boden gebracht. Darauf hin wurden die Beamten von rund 300 Menschen umzingelt und massiv mit Feuerwerk attackiert. Dass niemand verletzt wurde, grenzt an ein Wunder, wie auch ein Video von Anwohnern zeigt. Die Polizei räumte die Brüderstraße komplett. Erst gegen 2 Uhr war der Spuk dort vorbei.

Feuerwehr und Polizei auch in Essen angegriffen

Auch in Essen haben sich ähnliche Szenen abgespielt. Die Polizei berichtet von rund 237 Einsätzen allein in den vier Stunden zwischen 22 und 2 Uhr. Rund 200 Personen bewarfen am Steeler Wasserturm immer wieder Fahrzeuge oder andere Personen mit Böllern und Raketen. Nach Mitternacht nahm dies weiter zu, verschiedene Gruppen beschossen sich gegenseitig, aber auch vor Ort befindliche Polizisten, mit Raketen und Böllern. Zwei Beamte wurden dabei leicht verletzt.

Angegriffen wurde auch die Feuerwehr, als sie in Essen-Freisenbruch mehrere Müllcontainerbrände löschen wollte. Dabei wurden die Einsatzkräfte mit Pyrotechnik beschossen. „Unbekannte zündeten sogar einen Tannenbaum in einem Einkaufswagen an und stießen den Wagen mit dem brennenden Baum die Straße hinunter“, berichtet die Polizei. Erst als die Beamten die Kollegen der Feuerwehr abschirmten, konnten die Brände gelöscht werden.

In Essen-Katernberg wurde gegen kurz nach 1 Uhr ein 40-jähriger Mann lebensgefährlich und seine 8-jährige Tochter schwer verletzt. Nach ersten Erkenntnissen soll der Vater mehrere Silvesterraketen angezündet haben, die dann noch in unmittelbarer Nähe explodiert sind.

250 kleinere Brände in Dortmund

In Dortmund blieb es dagegen weitgehend ruhig, auch wenn die Innenstadt im Bereich der Kampstraße zum Jahreswechsel extrem voll war. Teilweise war die Situation angespannt, dennoch eskalierte die Lage nicht. Die Böllerverbotszonen in der Innenstadt wurden eingehalten, am U-Turm gab es ein gigantisches Feuerwerk. Den Live-Ticker aus der Silvesternacht in Dortmund können Sie hier nachlesen. Insgesamt gab es 250 kleinere Brände, ein Kind wurde durch Böller im Gesicht verletzt.

Großbrand in Düsseldorf

Auch die Polizei in Düsseldorf rückte in der Silvesternacht zu zahlreichen Einsätzen mit „diversen Randalierern und auf sich einschlagenden Personen“ aus. Die Einsätze verteilten sich über das ganze Stadtgebiet. Die Düsseldorfer Altstadt war nach Angaben eines dpa-Reporters „rappelvoll“. Berichte über Verletzte gab es am frühen Neujahrsmorgen zunächst nicht. In der Lagerhalle eines Düsseldorfer Recyclingbetriebs sind am frühen Sonntagmorgen Papierrollen in Flammen aufgegangen. Die Ursache des Brandes ist nach Angaben der Feuerwehr aber noch unklar.

In Köln war die Polizei in der Silvesternacht nach Angaben einer Polizei-Sprecherin mit Hunderten Kräften „an unterschiedlichen Hotspots“ im Einsatz. Mit zunehmendem Alkoholkonsum seien auch Böller in Richtung von Personen abgefeuert worden, sagte eine Polizeisprecherin. Außerdem sei es mit steigendem Alkoholpegel auch zu kleineren Auseinandersetzungen und Pöbeleien gekommen.

Feuerwehrleute im Einsatz, im Vordergrund stehen verbrannte Papierrollen.
Bei einem Großbrand in einem Düsseldorfer Baustoffhandel sind am frühen Sonntagmorgen Papierballen in Flammen aufgegangen. © picture alliance/dpa

Mann klebte mehrere Feuerwerkskörper zusammen - Zwei Finger abgerissen

Bei einem Unfall mit Feuerwerkskörpern hat ein Mann in Jülich im Kreis Düren am Silvesterabend zwei Finger verloren. Nach Angaben der Polizei von Sonntag hatte der 27-Jährige mehrere zugelassene Knallkörper miteinander verklebt. Bei der Zündung explodierte das selbstgebastelte Bündel in der Hand des Mannes.

In ganz Deutschland gab es über Silvester eine ganze Reihe von schweren Unfällen. So starb ein 17-Jähriger in Leipzig beim Hantieren mit Pyrotechnik, in Brandenburg explodierte ein Wohnhaus.

Friedliche Feiern in Münster

In Münster waren zahlreiche Menschen unter anderem am Domplatz, im Hafenviertel und in der Innenstadt unterwegs. Laut Polizei feierten sie „auf den Straßen, in Lokalitäten oder im privaten Umfeld zum größten Teil friedlich und ausgelassen, um das neue Jahr zu begrüßen“. Insgesamt gab es zwischen 18 und sechs Uhr etwa 70 „silvestertypische“ Einsätze.

In Balve (Märkischer Kreis) starb in der Silvesternacht eine 66-Jährige bei einem Wohnungsbrand im Stadtteil Beckum. Das Gebäude ist einsturzgefährdet. Die Brandursache ist noch unklar.

Grundsätzlich hatte die Landesleitstelle der Polizei in Nordrhein-Westfalen nach der Silvesternacht in einer ersten vorläufigen Bilanz eine „eher ruhige“ Einsatzlage gemessen an den Zahlen. Das sagte ein Beamter am Morgen der Deutschen Presse-Agentur.

Die Menschen in NRW hatten Silvester nach zwei Jahreswechseln mit Corona-Maßnahmen wieder ohne größere Einschränkungen feiern dürfen. In einigen Großstädten in NRW waren für die Silvesternacht aus Sicherheitsgründen Böllerverbotszonen eingerichtet worden. In Köln, Düsseldorf, Bielefeld und Dortmund etwa durften zum Jahreswechsel Feuerwerkskörper nur außerhalb der Sperrzonen gezündet werden.

Hamm: Bruder sollte Kampfhund auf Polizeibeamte hetzen

Bei einem Polizeieinsatz in Hamm hat ein 38-Jähriger seinen Bruder aufgefordert, einen Kampfhund auf die Beamten zu hetzen. Vorausgegangen waren in der Nacht zu Neujahr eine Körperverletzung und Sachbeschädigungen, wie die Polizei am Sonntag mitteilte. Als der Tatverdächtige dazu vernommen werden sollte, zeigte er sich feindselig und wurde mit Handfesseln fixiert. In diesem Moment kam sein Bruder mit einem Kampfhund dazu.

Der 38-Jährige forderte seinen Bruder auf, den Hund gegen die Beamten einzusetzen. Eine 38-Jährige solidarisierte sich mit den beiden und versuchte, die Polizeiarbeit zu verhindern. Gegen alle Beteiligten leitete die Polizei Verfahren wegen Widerstands, Körperverletzung und versuchter Gefangenenbefreiung ein.

Feuerwerk über dem Rhein in Köln zum Jahreswechsel 2022/2023
Feuerwerk über dem Rhein in Köln zum Jahreswechsel 2022/2023. Die meisten Menschen in NRW feierten friedlich, doch auch in Köln gab es zahlreiche Einsätze. © picture alliance/dpa

Silvesternacht in Dortmund: Rund 250 Kleinbrände - Kind durch Böller im Gesicht verletzt

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Kind von Böller im Gesicht verletzt: Polizei und Feuerwehr ziehen Silvester-Bilanz

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