Rosemarie Koczÿ zeigt das Leben am seidenen Faden
Kunsthalle Recklinghausen
Eine späte Wiederentdeckung: Drei Jahre alt war Rosemarie Koczÿ, Tochter einer jüdischen Familie in Recklinghausen, als die Nazis sie 1942 in eine Außenstelle des Konzentrationslagers Dachau verschleppten. Nun kehren 200 Werke aus dem Nachlass der Künstlerin, die den Holocaust überlebte, in ihre Geburtsstadt zurück.

Arbeit von Rosemarie Koczy aus dem Jahr 1986
Hier hatte man die bedeutende Tochter dieser Stadt längst vergessen – bis eine ungewöhnliche Lieferung aus den USA die Kunsthalle Recklinghausen erreichte. „Die Arbeiten lagen plötzlich vor unserer Tür“, berichtet Direktor Hans-Jürgen Schwalm.
Der Witwer der 2007 in den USA verstorbenen Künstlerin, der jüdische Komponist Louis Pelosi, hat sie aus dem 15000 Werke umfassenden Nachlass ausgewählt, um sie der Kunsthalle als großzügige Schenkung zu überlassen.
Eindrucksvoll inszenierte Ausstellung
Gut 100 Arbeiten daraus hat Schwalm für eine eindrucksvoll inszenierte Ausstellung ausgewählt. Der Besucher begegnet einem erschütternden Panorama des Leids in unmenschlichen Zeiten.
Rosemarie Koczÿ zählt zu den wenigen Künstlern, die den Holocaust nicht in abstrakter Entrückung sondern mit Distanz überzeugend figurativ thematisiert haben. Sprachlichen Widerhall findet diese Konfrontation in Gedichten der verstorbenen jüdischen Lyrikerin Rose Ausländer.
Trauerbewältigung
Mitte der Siebziger wurde der Holocaust zum Lebensthema der kurz zuvor in die USA ausgewanderten Künstlerin. Da hatte sie bereits ein beachtliches abstraktes Werk geschaffen. 70 Tapisserien zählen dazu. Fortan zeichnete Koczÿ täglich mit Tusche, was sie als Kind miterleben musste.
Auf 12000 Zeichnungen wuchs der Zyklus „Ich webe Euch ein Leichentuch“ in drei Jahrzehnten an. Die Trauerarbeit in Bewältigung des Grauens ist das Kernstück der Ausstellung.
Stofflich fein gewirkte Texturen umfangen in den Zeichnungen ausgemergelte Gestalten. Sie gemahnen an Leichentücher aus weißem Leinen, in die Tote nach jüdischem Ritus zur Beerdigung gehüllt werden. Sie verweisen aber auch auf ein Leben am seidenen Faden.