Der TV-Wetterexperte Thomas Ranft wurde in Recklinghausen geboren.

Der TV-Wetterexperte Thomas Ranft wurde in Recklinghausen geboren. Heute lebt er in Rosbach in der Wetterau, nördlich von Frankfurt. © Privat

Wetterexperte Thomas Ranft zur Klimakrise: „Jeder kann die Welt verändern“

rnNeue Serie: Unser Klima

Der Satz von Thomas Ranft steht als Motto über dieser Serie „Unser Klima“, die heute beginnt. Lesen Sie in den nächsten Tagen und Wochen, was wir alle im Alltag fürs Klima tun können.

26.09.2022, 05:00 Uhr / Lesedauer: 6 min

Manchmal staunt Thomas Ranft selbst über die Einschaltquoten. „Das ist schon der Hammer“, sagt der gebürtige Recklinghäuser, wenn mal wieder jeder vierte Fernsehzuschauer in Hessen „alle wetter!“ guckt. Seit 2001 moderiert der 55-Jährige die werktägliche Sendung - abends von 19.15 bis 19.30 Uhr im hr.

Unser Klima

Darüber hinaus ist Ranft „das Gesicht“ des Wissensmagazins „Alles Wissen“ (donnerstags, 20.15 Uhr, hr) und auch immer mal wieder bei „Live nach Neun“ und als „Springer“ im Morgenmagazin der ARD zu sehen. „Dieses komplexe Ding Klimawandel für den normalen Menschen verständlich zu machen“: Das ist etwas, was den Fitness-Fan, Motorsportfreund und „Tennis-Rookie“ bei seiner Arbeit antreibt, wie er in unserem Interview erzählt.

Herr Ranft, lassen Sie uns über den Klimawandel reden: Wie ernst ist die Lage?

Wir haben jetzt schon eine weltweite Erwärmung von 1,2 Grad innerhalb der vergangenen 200 Jahre hinbekommen. Das klingt wenig, total harmlos. Aber man unterschätzt das völlig, weil man denkt: ‚Okay, ich habe bei mir zu Hause jetzt mal ein Grad wärmer gemacht und merke gar keinen Unterschied.‘ Aber 1,2 Grad in 200 Jahren ist die schnellste Erwärmung der Atmosphäre, seit es diesen Planeten gibt. So schnell hat sich das in der gesamten Geschichte seit dem Urknall noch nicht verändert.

Jetzt lesen

Was genau ist das Problem daran?

Das Problem ist, dass es erstens anders wird und zweitens extremer. Ich bin ein Kind der 60er-Jahre, die waren verflixt kühl, da waren die allermeisten Sommertage so, dass man die 30 Grad gar nicht gesehen hat. Heute sind 30 Grad schon relativ normal geworden. Die Extreme nehmen zu, und zwar extrem überproportional. Das ist reine Mathematik. Und genau das erleben wir ja jetzt: Sei es Hitze-Extreme oder so Situationen wie im Ahrtal, dass dann plötzlich an Stellen unglaublich viel Regen herunterkommt und man sagt: ‚Das habe ich noch nie erlebt.‘ Und diese Extreme machen uns Menschen und der Natur einfach zu schaffen. Wir sind ja nicht alleine, sondern wir sind ein Teil der Umwelt. Und die muss sich anpassen. Allerdings braucht die dazu nicht hundert Jahre, sondern tausend. Das klappt alles nicht so gut. Und die Ursache für dieses Problem sind tatsächlich wir Menschen. Das ist unstrittig.

Das klingt nicht gut. Aber Sie sind doch jemand, der sagt, dass wir trotzdem die Chance auf eine Zukunft haben, die besser sein kann als das Jetzt. Wie könnte diese Zukunft aussehen?

Nicht so schnell, bitte. Ich würde Ihnen erst noch gerne eine kleine Geschichte erzählen. Damit klar wird, in was für einer Situation wir uns befinden.

Und dann erzählt Thomas Ranft von einem Felsbrocken mit einem Durchmesser von 14 Kilometern. Der sei vor 66 Millionen Jahren auf einer Reise durchs All gewesen und habe mal Urlaub machen wollen. Auf seine Frage, wo es denn schön sei, habe ihm jemand zugeflüstert: Mexiko. Und tatsächlich sei der Felsbrocken dann von dem Anblick dieses blauen Planeten so hingerissen gewesen, dass er leider vergessen habe zu bremsen. Die Folge seines Einschlags: ein Krater mit einem Durchmesser von über 160 Kilometer. Die oberen zehn Kilometer des Kraters seien einfach verdampft, so Ranft. „Und die darauf folgenden zehn Kilometer wurden eingedrückt und schwappten wieder zurück - wie bei einem Ball, den man aufdotzt.“


Das klingt dramatisch.

Für die Erde war das ziemlich katastrophal. Die Erdkruste hat sich bewegt, es gab weltweit Erdbeben und Vulkanausbrüche und es wurde stockduster auf dieser Erde. 30 Jahre lang. Das alles hatte zur Folge, dass 75 Prozent des Lebens auf dieser Erde gestorben sind - unter anderem die Dinosaurier. Das war das fünfte Massensterben der Erdgeschichte. Und heute - Stand 2022 - sind wir mitten im sechsten, das absolut vergleichbar ist mit dem vor 66 Millionen Jahren.

Aber es fühlt sich nicht so an.

Genau. Es ist genauso dramatisch, aber es ist nicht dunkel und es fühlt sich für uns nicht so an. Übrigens: Wenn man Dinosauriern damals gesagt hätte: ‚Das ist eine dramatische Situation. Aber überleg‘ mal: Wenn du nur noch Gras fressen würdest, hättest du möglicherweise eine Chance, zu überleben.‘ Der T-Rex hätte Gras gefressen. Wenn wir Dinosauriern heute sagen: ‚Pass‘ mal auf, das ist eine dramatische Situation. Du musst dich anpassen, du musst dein Leben verändern. Vielleicht weniger Fleisch essen, deine Mobilität überdenken, anders heizen.‘ Dann sagt er: ‚Ja, das ist eine gute Idee und ich verstehe das auch. Aber ich mach‘ das nur, wenn es die anderen auch machen. Und die Chinesen bitte zuerst...‘

Wir verändern uns nicht so gerne?

Überhaupt nicht. Zumal sich klimaschädliches Verhalten für uns persönlich in den meisten Fällen ja zunächst mal gut anfühlt: Im SUV mit Stereoanlage und Massagesitzen zum Reisebüro zu fahren und eine Thailand-Reise zu buchen, ist doch toll. Aber die Situation ist dramatisch. Und der Klimawandel dabei nur ein Aspekt. Es geht auch um Nachhaltigkeit. Wir beuten diese Erde dramatisch aus in allen Bereichen. Jeder Stoff, den man sich vorstellen kann, egal ob das seltene Erden sind, Erdöl oder Sand: Die Ressourcen reichen nicht. Und das hat was mit unserem Umgang mit der Umwelt zu tun. Da müssen wir dringend ran. Wenn wir nichts ändern, vernichten wir unsere Lebensgrundlage.

Jetzt lesen

Das klingt beängstigend. Aber auch wenn Sie über den China-Hinweis lächeln: Das Gefühl, alleine sowieso nichts bewirken zu können, ohnmächtig zu sein, kenne ich schon.

So eine Angststarre haben viele Menschen bei dem Thema. Das ist ein Grund, warum man nicht so viel tut. Der zweite Grund ist in der Tat, dass Menschen sagen: ‚Wenn ich etwas ändere, dann spüre ich die Veränderung nicht. Also ich sehe ja gar nicht, dass das Klima jetzt gerettet ist.‘ Doch jetzt komme ich und sage: Es gibt die Möglichkeit, den Blickwinkel zu verändern. Und der Blickwinkel ist nicht: Es ist ausweglos.

Sondern wie?

Wir dürfen davon ausgehen, dass es auf dieser Welt unglaublich viele Menschen gibt, die genau wie Sie und ich dieses Gefühl haben: ‚Ich glaube, wir haben ein Problem.‘ Fridays for Future hat das doch bewiesen. Da sitzt eine Schülerin in Skandinavien vor der Schule und sie ist eben nicht alleine. Plötzlich wird weltweit festgestellt: Es gibt überall diese Schüler. Und das ist nicht nur bei Schülern so, sondern auch bei den Erwachsenen. Es gibt auf jeden Fall auch in Brasilien Menschen, denen diese Welt nicht egal ist. In Nordamerika, in Asien, in Afrika, bei uns in Europa, egal wo auf dieser Erde gibt es Menschen, denen diese Welt nicht egal ist. Und sie sind, das darf man durchaus annehmen, nicht in der Minderzahl, sondern in der Mehrheit. Das ist ja das Verrückte. Sie sind nur nicht organisiert. Und jetzt kommt das Schönste.

Jetzt lesen

Ich bin gespannt.

Wenn ich etwas für die Umwelt tue, dann tue ich zuallererst mal was für meine Umwelt. Wenn ich mich gesünder ernähre, dann ist das besser für mich. Wenn ich in Sachen Klimaschutz etwas tue und in Sachen Ressourcenschonung, etwa Papier einsparen, dann mache ich doch meine Welt besser. Wenn ich in meinem Garten Wildwuchs zulasse, wo auch Insekten wieder klarkommen, habe ich jedes Mal, wenn ich ihn anschaue, ein besseres Gefühl. Weil ich denke: Guck mal, ich habe was getan. Also wenn ich die Welt rette, rette ich zuallererst mal meine Welt.

Und das sehen andere, die im Prinzip auch so ticken, denen die Umwelt auch nicht egal ist, die aber vielleicht noch nicht angefangen haben. Aber dann sehen die das bei mir, dann denkt sich der eine oder andere: Das ist eigentlich eine gute Idee. Ich mach das auch mal so. Und so entwickelt sich ein Trend. Eine Welle entsteht mit einem Wassertropfen, und ich kann dieser Wassertropfen sein. Ich muss einfach nur anfangen, meine persönliche Welt zu ändern. Und damit kann ich tatsächlich die Welt verändern.

Das klingt mitreißend. Sie sind auch ein Motorsport-Freund. Wie bekommen Sie diese Leidenschaft mit ihrem Wissen um den Klimawandel unter einen Hut?

Ich bin in Recklinghausen auf die Welt gekommen und stand dann an der Castroper Straße stundenlang am Fenster und habe auf die Straße geguckt. Da war eine Ampel und die habe ich mit dem Fensterhebel von Rot auf Grün geschaltet - und wieder zurück. Meine Mama schwört Stein und Bein: Mein erstes Wort war Auto - vor Mama. Ich kann es nicht überprüfen, aber eine Auto-Affinität hatte ich schon immer. Aber der Blick hat sich gewandelt.

Wetterexperte Thomas Ranft steht im Studio vor der Wetterkarte

„Dieses komplexe Ding Klimawandel für den normalen Menschen verständlich zu machen“: Auch darum geht es Thomas Ranft bei seinen Fernseh-Auftritten. © Privat

Früher war es so, dass ich gesagt habe: ‚Ich muss unbedingt an die Rennstrecke.‘ Ich bin schon sehr lange im Motorsport, als Journalist, als Moderator. Ich war im Sportschau-Team ein paar Jahre, bei der DTM und auch so. Da habe ich gesagt: ‚Ich muss immer wieder an der Rennstrecke sein, um das Brummen zu hören.‘ Jetzt fahre ich seit geraumer Zeit elektrisch und brauche das Brummen nicht mehr. Es ist so viel besser, elektrisch zu fahren, auch was das persönliche Fahrerlebnis angeht. Ich kann auf das Verbrenner-Ding gut verzichten, das hat keine Zukunft. Da wird auch der Motorsport hinkommen, aber man muss ihm ein bisschen Zeit geben.

Sie haben Ihren Geburtsort Recklinghausen angesprochen. Was verbindet Sie noch mit der Stadt?

Ich bin schon mit drei Jahren weg. Mein Vater musste beruflich in den Süden, dann sind wir nach Bayern gezogen. Aber ich war dann als Kind in vielen Ferien bei der Verwandtschaft, bei der Oma, beim Opa, bei den Cousins und Cousinen, den Tanten und Onkeln. Die leben noch in Recklinghausen. Leider führt mich mein Weg viel zu selten nach Recklinghausen, aber im Herzen bin ich dieser Stadt verbunden, weil es ein Teil meiner Heimat ist, weil dort Menschen sind, die mir am Herzen liegen, und weil ich auch das Leben im Pott mag, weil ich die Menschen mag: Sie sind ein bisschen herzlicher, offener, gehen mehr auf einen zu als anderswo. Ich mag auch die Sprache.

Und mit was für einem Blick guckt der Klima-Experte auf die alte Heimat?

Ich finde, das gesamte Ruhrgebiet hat einen extremen Wandel vollzogen. Der Abschied von der Kohle war alles andere als einfach. Fakt ist aber auch: In den 60ern waren die Häuser grau. Die Luftqualität - nicht nur im Ruhrgebiet, sondern in der gesamten Republik - ist so unvorstellbar viel besser geworden. Damals hat man gedacht: ‚Das ist doch gut so, wie wir es haben. Das schafft uns Lohn und Brot. Das schafft uns Beschäftigung, das schafft uns Fortschritt. Warum sollten wir das ändern?‘ Jetzt haben wir eine Transformation hinbekommen und stellen fest: Eigentlich ist die Welt jetzt besser.

Jetzt lesen

Und so können wir das Thema Klimawandel insgesamt angehen: Wir werden vielleicht ein paar liebgewordene Verhaltensmuster sein lassen. Bei denen wir dann aber im Nachhinein feststellen: Puh, das war zwar liebgewonnen, aber eigentlich total unpraktisch und gar nicht schlau. Beispiel Mobilität: Ich kann mir schon fast aussuchen, welche der Autobahnen rund um Recklinghausen ich nehme, damit ich im Stau stehe. Vielleicht finden wir ja eine Lösung, dass Mobilität anders formuliert wird, dass wir trotzdem alle ankommen, aber irgendwann keiner mehr im Stau steht, weil nicht jeder immer einzeln im Auto sitzt. Dafür lassen wir vielleicht ein bisschen was, aber wir gewinnen ja auch was. Und in diesem Zusammenhang wird unsere Zukunft dann tatsächlich besser.

Schlagworte: