Pfingst-Ansturm mit 9-Euro-Ticket: Täglich 400 überfüllte Züge und 700 Störungen
Deutsche Bahn
Die Personalvertretung der Deutschen Bahn zieht nach dem Pfingst-Ansturm mit 9-Euro-Ticket eine Bilanz: Zwar gab es Hunderte Störungen und abgewiesene Passagiere - aber immerhin keine Gewalt.
Eisenbahngewerkschaft und Personalvertretung der Deutschen Bahn haben nach dem Pfingstwochenende mit 9-Euro-Ticket eine gemischte Zwischenbilanz gezogen. „Die 9-Euro-Aktion hat erwartungsgemäß einen großen Ansturm auf die Regionalzüge ausgelöst, der bundesweit zu deutlich mehr Fällen von Überlastung geführt hat“, sagte der Vize-Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats DB Regio, Ralf Damde, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) nach Gesprächen mit Bahn-Betriebsräten aus ganz Deutschland.
„Zu den befürchten tätlichen Übergriffen gegen das Bahnpersonal kam es nicht, wohl aber zu verbalen“, so Damde. Der massive zusätzliche Personalbedarf habe allein über Pfingsten Tausende Überstunden nötig gemacht. Trotz der vielen zusätzlich eingesetzten Fahrzeuge mussten Passagiere abgewiesen werden, so Damde weiter. „Überall in Deutschland waren die Bahnsteige und die Züge voll, in mehreren Fällen mussten überfüllte Züge geräumt werden – aber zum Glück keine Bahnhöfe.“
Täglich 400 Züge mit hoher Auslastung
Mit dem 9-Euro-Ticket nach Sylt: Punks, Tagestouristen und Urlauber in einem Zug
Laut ersten Auswertungen der Problemmeldungen der Zugführer hat es an jedem Tag bundesweit etwa 400 Züge mit zu hoher Auslastung gegeben, sodass Passagiere abgewiesen werden mussten oder Fahrräder nicht mitgenommen werden können. „Vor allem Fahrräder sind nach wie vor ein großes Problem“, sagte Damde dem RND.
Ausdrückliches Lob sprach der Bahn-Betriebsrat den Fahrgästen aus, die Appelle zu Rücksichtnahme und Geduld überwiegend ernstgenommen hätten. „Es kam zwar zu Aggressionen, etwa wenn ein Fahrrad draußen bleiben musste oder Menschen nicht mehr in Zug kamen, aber diese blieben verbal“, so Damde. Insgesamt gab es pro Tag rund 700 Meldungen von Überlastung, Problemen mit Passagieren oder Störungen an die Einsatzzentrale. Das sei signifikant mehr als an einem durchschnittlichen Wochenende und auch signifikant mehr als an Pfingstwochenende vor Corona.
Unkenntnis über Maskenpflicht
Zu erhöhtem Personal- und Zeitaufwand führte demnach, dass viele Reisende ohne Bahn-Erfahrung sich auf den Bahnsteigen oder in großen Bahnhöfen nicht zurecht fanden, erklärte Damde. „Insgesamt brauchten die Passagiere deutlich mehr Hilfestellung als sonst. Dazu gehörte auch, dass viele Menschen, die lange nicht Zug gefahren sind, nicht wussten, dass im ÖPNV nach wie vor Maskenpflicht herrscht.“
Der zusätzliche Einsatz von Fahrzeugen habe flächendeckend zu Überstunden für das Bahn-Personal geführt, vor allem bei Lokführern, Kundenbetreuern, Service-, aber auch Reinigungskräften und dem Personal für die Instandhaltung, erklärte Damde. „Störungen können nicht mehr in der Werkstatt, sondern müssen an Fahrzeugen im Dauereinsatz von mobilen Teams vor Ort behoben werden.“
„Personal geht auf dem Zahnfleisch“
Das Personal habe die Zusatzaufgaben über die Betriebsteile hinweg sehr kooperativ und engagiert ausgeübt, sagte er dem RND. „Im Ausnahmefall ist das möglich, aber dauerhaft nicht. Viele Bahn-Angestellte gehen schon jetzt auf dem Zahnfleisch“, so Damde.
Der Fahrgastverband Pro Bahn sieht sich nach dem ersten Härtetest für das 9-Euro-Ticket am Pfingstwochenende in seiner Kritik bestätigt. „In den Hauptreisezeiten war die Nachfrage auf den Hauptstrecken so stark, dass Züge nicht abfahren konnten. Und einige Bahngesellschaften – etwa die Metronom in Norddeutschland – haben die Fahrradbeförderung ausgeschlossen, weil sie dem Ansturm nicht Herr wurden“, sagte Karl-Peter Naumann vom Fahrgastverband Pro Bahn am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Das Chaos sei vorhersehbar gewesen und Folge eines politischen Angebots, ohne dafür über die nötigen Kapazitäten im Bahnverkehr zu verfügen.
Pfingsten galt als Härtetest
„Nicht alles, was gut gemeint ist, ist auch gut gemacht“, sagte Naumann. Gut am 9-Euro-Ticket sei, dass dadurch der öffentliche Nahverkehr wieder ins Gespräch gebracht worden sei. „Es funktioniert aber nur, wenn die Kapazitäten vorhanden sind“, betonte Naumann. Pfingsten galt als erster Härtetest für die Rabattaktion. Mit dem Fahrschein kann man jeweils einen Monat lang bundesweit den Nahverkehr nutzen, das Ticket ist für Juni, Juli und Augst erhältlich. Es soll etwa Pendler unterstützen und außerdem helfen, neue Nutzer dauerhaft vom Umstieg auf die Bahn zu bewegen.
Naumann erwartet für die kommenden Sommermonate weitere Probleme. Bahnreisenden riet er darum, wenn möglich nicht am Wochenende zu fahren, sondern auf Tage in der Wochenmitte auszuweichen und das Ausflugsziel zu überdenken. „Muss es unbedingt Sylt sein, Warnemünde oder der Tegernsee – oder gibt es nicht auch andere schöne Gegenden, wo die Nachfrage geringer ist?“, so Naumann.
Der Artikel "Pfingst-Ansturm mit 9-Euro-Ticket: Täglich 400 überfüllte Züge und 700 Störungen" stammt von unserem Partner, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland.