NRW will Shisha-Bars verstärkt kontrollieren

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NRW will Shisha-Bars verstärkt kontrollieren

rnShisha-Bars: Vergiftungs-Gefahr durch Kohlenmonoxid

Immer mehr Menschen erleiden Vergiftungen in Shisha-Bars. Ärzte in NRW schlagen Alarm. Jetzt bewegt sich auch das Land NRW, kündigt stärkere Kontrollen an und erwägt eine CO-Melder-Pflicht. Was Kommunen und Barbetreiber sagen, was Shisha-Rauchen so gefährlich macht und was das generelle Problem der Wasserpfeifen ist - Fragen und Antworten.

NRW

, 14.12.2017, 11:17 Uhr / Lesedauer: 6 min

Die schwarz-gelbe Landesregierung plant keine generelle CO-Melder-Pflicht in Shisha-Bars, teilte das NRW-Bauministerium noch Ende vergangenen Jahres auf Anfrage unserer Redaktion mit. Es gebe dazu keine Initiativen des Landes. Jetzt die Rolle rückwärts: Betreiber von Shisha-Bars in NRW müssen in Zukunft mit verstärkten Kontrollen rechnen und könnten zudem verpflichtet werden, Kohlenmonoxid-Melder zu installieren. Das geht aus einem aktuellen Bericht der Landesregierung an den Gesundheitsausschuss des Landtags hervor.

Einen entsprechenden Vorstoß hatte die Ärztekammer Nordrhein bereits im vergangenen Jahr von der Landesregierung gefordert, weil die Zahl an Kohlenmonoxid-Vergiftungen im Zusammenhang mit Shishas im Jahr 2017 sprunghaft angestiegen war.

Fragen und Antworten zum Thema:



Warum haben die Mediziner Alarm geschlagen?

Hintergrund der Forderung von Medizinern wie dem Düsseldorfer Sven Dreyer sind sprunghaft steigende Zahlen von Kohlenmonoxid-Vergiftungen nach dem Konsum von Wasserpfeifen. Allein in der Düsseldorfer Uniklinik wurden im Jahr 2017 mehr als 100 Patienten in einer speziellen Druckkammer zur Behandlung von Kohlenmonoxid-Vergiftung versorgt. 40 von ihnen hatten Wasserpfeife geraucht. 2016 waren es fünf Fälle und 2015 nur einer. „Die Bars sprießen wie Pilze aus dem Boden, auf die Folgen müssen wir doch aufmerksam machen“, sagt Dreyer. Für ihn sei es absolut unverständlich, warum das Rauchen in der Eckkneipe verboten ist, und das Rauchen in Shishabars erlaubt. „Kohlenmonoxid-Vergiftungen sind lebensgefährlich“, warnt Sven Dreyer, leitender Druckkammerarzt der Uniklinik. Zwischen 14 und 64 seien die Patienten, die sich mit der Kohle beim Shisha-Rauchen vergiftet haben.

Was ist so gefährlich am Shisha-Rauchen?

Es ist die Kohle, die zur Erhitzung des Shisha-Inhalts benutzt wird. Bei der Verbrennung der Holzkohle entsteht das Gas und kann in geschlossenen Räumen nicht abziehen. Kohlenmonoxid ist sehr giftig und sorgt dafür, dass Sauerstoff im Blut nicht mehr transportiert wird, was im schlimmsten Fall zum Ersticken führen kann. Für eine Kohlenmonoxid-Vergiftung reichen nur wenige Atemzüge.

Nach Feststellungen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) entstehen bei der Verbrennung der Kohle in der Wasserpfeife erhebliche Mengen an gesundheitsschädlichen Stoffen, neben Kohlenmonoxid auch Benzol sowie polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, die dann vom Wasserpfeifenraucher aufgenommen werden. Da sich Kohlenmonoxid auch in der Raumluft wiederfinde, wenn Wasserpfeifen geraucht werden, „sollten Schwangere längere Aufenthalte in Shisha-Cafés vermeiden“, so das Bundesinstitut. Gleiches gelte für Personen mit Herz-Kreislauferkrankungen.

Gibt es Beispiele für Vergiftungen durch Shishas?

Immer wieder schlagen die Kohlenmonoxid-Geräte der Feuerwehr bei Einsätzen an: In Krefeld mussten im Oktober zwei Frauen nach dem Besuch einer Shisha-Bar stationär behandelt werden. Ebenfalls im Oktober hat eine glimmende Shisha-Pfeife bei einem Mann in Dortmund eine Kohlenmonoxid-Vergiftung verursacht. Der Mann wurde mit dem Rettungshubschrauber ins Krankenhaus geflogen, wo er in einer Druckkammer behandelt wurde. Im Januar schlugen Ordnungsamts-Mitarbeiter in Düsseldorf Alarm, weil bei einer Kontrolle in einer Shisha-Bar wegen Lärmbelästigung ihr Kohlenmonoxid-Warngerät reagierte. Der Besitzer der Bar hatte vergessen, die Lüftung einzuschalten. In vielen Lokalen werde rund um die Uhr Wasserpfeifenkohle verbrannt, die zu hohen Kohlenmonoxidwerten in der Raumluft führe, sagt Mediziner Sven Dreyer. Kontrollen der Ordnungsämter hätten gezeigt, dass in einigen Bars der CO-Wert um fast das Zehnfache erhöht sei im Vergleich zu dem Wert, der durch die Berufsgenossenschaften noch als unbedenklich definiert wird. Auch im Bericht der Landesregeirung heißt es jetzt, dass es in der Vergangenheit in Shisha-Bars deutschlandweit mehrfach bei Konsumenten, Gästen oder Mitarbeitern zu lebensbedrohlichen Vergiftungen durch das farb-, geruchs- und geschmacklose Kohlenmonoxid gekommen sei, das beim Rauchen von Wasserpfeifen entsteht. Auch in NRW habe es solche Notfälle gegeben. Bei Kontrollen wurden dem Bericht zufolge immer wieder Verstöße mit erheblichen gesundheitlichen Folgen festgestellt. Das zeigten zuletzt Razzien in Essen.


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Warum ist das Rauchen in der Eckkneipe verboten, in Shisha-Bars aber erlaubt?

Auch in Shisha-Bars gelten, wie in anderen gastronomischen Einrichtungen die Regelungen des Nichtraucherschutzgesetzes NRW. Für Tabakwaren und auch das Inhalieren von Tabakerzeugnissen mittels Wasserpfeifen gilt in Shisha-Bars ein ausnahmsloses Rauchverbot. Aber: Das verbietet nicht die Nutzung von Wasserpfeifen, in denen lediglich getrocknete Früchte oder Shiazo-Steine verwendet werden. Dazu gibt es mittlerweile auch ein rechtskräftiges Urteil des nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgerichtes. Das NRW-Gesundheitsministerium bedauert nach eigenen Angaben die gerichtliche Entscheidungspraxis und weist darauf hin, dass „auch bei der Nutzung von nikotinfreien Wasserpfeifen für die Konsumentinnen und Konsumenten und selbst für Dritte, die sich im gleichen Raum aufhalten, Gesundheitsgefahren bestehen können“.

Halten sich die Shisha-Bar-Betreiber an das Tabakverbot?

Daran gibt es Zweifel. „Es ist natürlich schwierig, hier zu kontrollieren, was da in den Pfeifen verbrannt wird. Meine Vermutung ist schon, dass da auch oft Tabak brennt“, sagt etwa Ute Mons von der Stabsstelle Prävention beim Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. „Da gibt es ein klares Vollzugsdefizit“, sagt der SPD-Landtagsabgeordnete Serdar Yüksel. „Ich möchte, dass Shisha-Bar-Besitzer sich an Recht und Gesetz halten – genau wie Kalle in der Eckkneipe es auch tut.“ Nach seinen Erfahrungen verbrenne in 99,9 Prozent der Fälle Tabak in den Shishas und nichts anderes. Dann müssten die Ordnungsbehörden eben die Shisha-Köpfe beschlagnahmen, um den Betreibern gerichtsfest einen Gesetzesverstoß nachweisen zu können, fordert Yüksel. „Die Shisha-Bar-Betreiber müssen ihr Geschäftsmodell ändern, so wie alle anderen Gastronomen das auch tun mussten. Die können gerne Tee, Kaffee, Kuchen oder Pistazien aus Marokko verkaufen. Aber die pfeifen auf das Tabakverbot. Dem muss endlich ein Riegel vorgeschoben werden.“ Die Landesregierung sei hier in der Pflicht, die Ordnungsbehörden zu unterstützen, sagt Yüksel.


Ist das Rauchen von Shishas weniger gefährlich, als das Rauchen von Zigaretten?

„Eine Shisha zu rauchen, ist ungefähr so gesund, als ob Sie an einem Oldtimer-Auspuff nuckeln“, sagt Sven Dreyer. „Moderne Autos stoßen aus dem Auspuff weniger Kohlenmonoxid aus als eine Shisha.“ Laut Weltgesundheitsorganisation WHO wird an einer Shisha im Schnitt 20 bis 80 Minuten geraucht. Währenddessen wird der Qualm von vergleichbar rund 100 Zigaretten inhaliert.

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Wie viele Menschen rauchen Shishas?

„Das Rauchen von Wasserpfeifen, sogenannten Shishas, ist seit einigen Jahren bei jungen Erwachsenen stark im Trend“, sagt Zoll-Sprecherin Andrea Münch. Laut aktuellem Sucht- und Drogenbericht der Bundesregierung hat jeder vierte 12- bis 17-jährige Jugendliche schon Wasserpfeifen ausprobiert. Und nach einer Studie der DAK-Krankenkasse hat sogar jeder zweite Zehntklässler schon einmal Shisha geraucht, 15 Prozent in dieser Altersklasse greifen regelmäßig zur Pfeife. Die Kasse sieht einen Grund für den verbreiteten Konsum darin, dass süß-fruchtige Aromastoffe, die dem Tabak beigemengt sind, Shishas harmlos wirken ließen.


Welche Symptome zeigen sich bei einer Kohlenmonoxid-Vergiftung?

Die frühen Anzeichen einer Vergiftung wie Übelkeit, Schwindel und Kopfschmerzen werden beim Shisha-Rauchen oft fälschlicherweise auf den Tabak zurückgeführt. Weitere Symptome einer Vergiftung sind Müdigkeit, Benommenheit und grippeähnliche Beschwerden. Im Verdachtsfall sollte man sofort alle Fenster öffnen, umgehend den Raum verlassen und die Feuerwehr verständigen, rät Dreyer.


Wie werden Kohlenmonoxid-Vergiftungen behandelt?

In speziellen Druckkammern. Dabei wird mit Überdruck 100 Prozent Sauerstoff verabreicht, um das Kohlenmonoxid aus dem roten Blutfarbstoff und lebenswichtigen Organgeweben zu verdrängen. Die Druckkammer in Düsseldorf steht rund fünf Millionen Menschen der Rhein-Ruhr-Region zur Verfügung. Weitere Kammern gibt es in Aachen und Münster, wobei Münster keinen offiziellen Versorgungsauftrag hat, also nicht rund um die Uhr in Betrieb ist, sondern nur zu den Praxiszeiten.

In der Düsseldorfer Uniklinik müssen immer mehr Shisha-Raucher mit schweren Kohlenmonoxid-Vergiftungen behandelt werden. Foto: dpa

In der Düsseldorfer Uniklinik müssen immer mehr Shisha-Raucher mit schweren Kohlenmonoxid-Vergiftungen behandelt werden. Foto: dpa © picture alliance / Federico Gamb

Welche weiteren Gefahrenquellen gibt es?

Weitere Gefahrenquellen für Kohlenmonoxid sind defekte Gasthermen (erkennbar unter anderem daran, dass die Flamme nicht mehr blau, sondern gelb ist). Auch für Wohnungen und Häuser mit Gasthermen werden immer wieder Forderungen nach einer generellen CO-Melderpflicht laut. Doch auch hier lehnt das Land weitere rechtliche Regelungen ab. „Gasthermen sind grundsätzlich ordnungsgemäß instand zu halten. Außerdem besteht bei den rechtmäßig in Verkehr gebrachten Geräten kein Anlass, dass sie einer CO-Raumluftüberwachung bedürften“, teilte das Bauministerium auf Anfrage unserer Redaktion mit. „Eine Erhöhung der Baukosten für alle Betreiber von Gasthermen wäre zudem nicht angemessen.“


Was sagen die Städte?

Während Rauchmelder in vielen Bundesländern bereits für Neu- und Altbauten Pflicht sind, gibt es laut der Ärztekammer Nordrhein für CO-Melder in der Regel keine solchen Vorschriften. Die Betriebsgenehmigung für Shisha-Bars ist nach Angaben der Landesregierung Sache der Kommunen.

Dortmund stehe dahingehend bereits im Austausch mit anderen Kommunen in NRW sowie den Aufsichtsbehörden, sagt Stadtsprecher Maximilian Löchter. Die derzeitige Vorgehensweise werde erst dann geändert, wenn die rechtlichen Rahmenbedingungen abschließend geklärt sind.

Auch in Lünen gibt es keine speziellen Auflagen für Shisha-Bars, wie das Bauamt erklärt: „Bei uns gibt es keine Pflicht für die Installation von CO-Meldern. Zurzeit ist das kein Thema bei uns.“ Was nicht heißt, dass Shisha-Bars nicht kontrolliert werden. Das Ordnungsamt stattet den Bars nach eigenen Angaben regelmäßig und unangekündigt Besuche ab. Dabei geht es jedoch nicht um Kohlenmonoxid, kontrolliert wird vielmehr, ob in den Bars verbotener Tabak geraucht wird. Wenn ja, drohen empfindliche Geldbußen.

In Castrop-Rauxel werden die CO-Werte in den Shisha-Bars zwar in unregelmäßigen Abständen von Ordnungsamt und Feuerwehr geprüft, Stadtsprecherin Maresa Hilleringmann bemängelt jedoch, dass es seitens des Gesetzgebers weder offizielle CO-Richtwerte gibt, noch die gesetzliche Handhabe, gegen Verstöße vorzugehen. An die Betreiber der Shisha-Bars wurde zwar appelliert, CO-Melder zu installieren, ein Muss ist die Installation aber nicht.

In Ahaus gestaltet sich die Lage ähnlich. „Es gibt keine rechtliche Verpflichtung für CO-Melder in Ahaus und auch keine Kontrollen in Ahauser Shisha-Bars“, sagt Pressesprecherin Anna Reehuis. Das Thema sei aber „immer wieder in der Diskussion“ und nach dem Erachten der Stadt „nicht zu vernachlässigen“.

In Haltern hat das Bauordnungsamt der Stadt mit einem Eigentümer einer Shisha-Bar bereits Gespräche geführt und ihn eindringlich auf die Problematik aufmerksam gemacht. „Er wurde gebeten, CO-Melder anzubringen“, teilte Pressesprecher Georg Bockey auf Anfrage mit. „Kontrollen werden wir aber nicht durchführen, dazu sehen wir auch keine rechtliche Handhabe, wir kontrollieren ja auch keine Rauchmelder“, informiert der Stadtsprecher weiter.


Was sagen Shisha-Bar-Betreiber?

„Sky Lounge“-Inhaber Ismail Yilmaz aus Lünen hat auf eigene Faust vier CO-Melder für 300 Euro installiert. „Damit keine Menschen zu Schaden kommen“, wie Yilmaz sagt: „Das ist gut investiertes Geld.“ Angeschlagen hätten die Melder bislang nicht. Was der Sky-Lounge-Chef auch auf die Belüftungsanlage zurückführt.

Adem Ademi, Betreiber der Shisha-Bar „Prestige Lounge“ in Stadtlohn, zeigte sich auf Anfrage unserer Redaktion aufgeschlossen. Zwar habe er keine CO-Melder installiert, dennoch achte er genau auf die Belüftung. „Das ist mir sehr wichtig. Ich werde mir Gedanken über die CO-Melder machen, das finde ich nicht schlecht“, sagt Ademi.

Auch Nevruz Cana, Inhaber der „Sahara Lounge“ in Selm hat sich mit der Forderung der Ärztekammer Nordrhein auseinandergesetzt. Bei ihm soll der Melder noch in dieser Woche angebracht werden. „Ich möchte, dass die Kunden mit gutem Gewissen hier sind“, sagt Cana. Dass der CO-Melder kommen soll, war für ihn keine Frage: „Je sicherer es ist, umso besser.“ Außerdem findet er: „Wenn ein Inhaber bei solchen Dingen sparen will, dann sollte er besser gar keinen Laden aufmachen.“

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