Ein Mann fotografiert mit einer Spiegelreflexkamera, die zwei Angeklagten vor Gericht

Der ehemalige Geschäftsführer und der damalige Vertriebs-Chef des Foto-Unternehmens wurden zu Bewährungsstrafen verurteilt. Sie hatten Schulen bestochen, um an lukrative Schulfoto-Aufträge zu kommen. © Fotos: pixabay, dpa / Montage: Nina Dittgen

Wie sich Schulfotografen Aufträge kauften und Schulen sich massenhaft kaufen ließen

rnKorruptions-Serie

Attraktive Zugaben sicherten einem Schulfotografen am Markt jahrelang die Pole-Position. Im Ruhrgebiet knipste die Firma nahezu jedes Schulkind. Doch dann zerplatzte der Korruptions-Ballon.

NRW

, 05.07.2022, 04:30 Uhr / Lesedauer: 3 min

„Bitte schön lächeln.“ Auch im Zeitalter von Selfies, TikTok, Instagram und Co. stehen Klassenfotos und Porträt-Sets von Schulkindern noch immer hoch im Kurs. Fotografen hoffen auf lohnende Geschäfte. Stolze Großeltern zeigen sich häufig spendabel.

Es war im Sommer 2016, als der Inhaber einer Foto-Firma aus dem Herzen des Ruhrgebiets schlagartig sein Lächeln verloren haben dürfte. Über eine Kontrollmitteilung des Finanzamts war der Betrieb, eine GmbH, in den Blick der Ermittler geraten. Den Prüfern war aufgefallen, dass Zuwendungen von mehr als 400.000 Euro an verschiedene Schulen als Betriebsausgaben verbucht worden waren. Teils deklariert als Spenden, teils als Akquise-Kosten. Außerdem wunderten sich die Steuerprüfer über angegebene Sachzuwendungen an Schulen in Form von Laptops, Clipboards und Software.

Razzien an zahlreichen Orten

Kurz danach übernahm die Bochumer Staatsanwaltschaft. Razzien am Firmensitz, bei einer Steuerberatungsgesellschaft und an der Privatanschrift des Seniorchefs der Foto-Firma folgten. Und auch in einem von dem deutschlandweit tätigen Unternehmen separat unterhaltenen Callcenter, von dem aus offenbar tagein tagaus Fotosessions mit Schulen vereinbart wurden, fielen den Fahndern brisante Unterlagen in die Hände.

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Zu einer sofortigen Vollbremsung bei der seit Jahrzehnten im Schulfotografie-Markt etablierten Firma führten weder diese Durchsuchungen noch die Beschlagnahmen. Als die Ermittler sich 2017 von dem Foto-Unternehmen in Sachen Kooperation hingehalten und hintergangen fühlten, wurden zusätzlich Telefone überwacht. Dabei war offenbar schnell das Telefonat zwischen einem Schulleiter und einer Firmen-Mitarbeiterin aufgeflogen, aus dem sich Hinweise auf fragwürdige Geschäfte mit Bargeld ergaben.

Der große Prozess begann 2020 in Bochum

Daraufhin wurden die Ermittlungen massiv ausgeweitet. Auch mehrere Schulen in Nordrhein-Westfalen und diverse Kooperationsunternehmen der Foto-Firma wurden durchsucht. Parallel zu den Bestechungs-Verfahren gegen die zwei Hauptverantwortlichen der Foto-Firma sowie mehrere dort beschäftigte Außendienstmitarbeiter, führte die Bochumer Staatsanwaltschaft Ermittlungsverfahren gegen hunderte Lehrer und Schuldirektoren wegen des Verdachts der Bestechlichkeit.

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Im Februar 2020 begann am Bochumer Landgericht der Bestechungs-Prozess gegen den Seniorchef der Foto-Firma und einen Vertriebsleiter. Für die zwei Männer eine ersichtlich unangenehme Situation. Plötzlich standen sie selbst im Rampenlicht.

354 Fälle im Wert von mehr als drei Millionen Euro

Die Bochumer Schwerpunktstaatsanwaltschaft hatte in der Anklageschrift 354 Fälle der besonders schweren Beamtenbestechung aufgelistet. Der Gesamtumsatz aus diesen Fällen soll sich auf mehr als drei Millionen Euro belaufen haben.

Die Ermittlungen hatten ergeben, dass die im Ruhrgebiet ansässige Foto-Firma zwischen 2012 und 2018 deutschlandweit in Serie Lehrern und Schuldirektoren Spenden an Fördervereine, Gutscheine oder Bargeld hatte zukommen lassen, um an die für sie lukrativen Schulfoto-Aufträge zu kommen.

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Involviert waren Grundschulen, Gymnasien, Gesamt-, Haupt- und Realschulen. Von Oberhausen bis Berlin, von Rostock bis Hof. Von Duisburg bis Rüdesheim. Von Lübeck bis Trier. Zu den betroffenen Schulen in der Region gehörten unter anderem eine Gesamtschule in Lünen, eine Realschule in Datteln sowie Gymnasien in Dorsten, Recklinghausen und Kamen.

Der lange Katalog der Gegenleistungen

Der Katalog der Gegenleistungen der Foto-Firma für den Abschluss eines Foto-Auftrags war breitgefächert: Mal flossen 3.000 Euro an den schuleigenen Förderverein. Mal gab es Gutscheine für die Erstellung von Jahrbüchern, Schulplanern oder Schülerausweisen. Alles lief wie geschmiert.

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Konfrontiert mit den Bestechungs-Vorwürfen präsentierten sich beide Angeklagte vor Gericht einsichtig. Die Grenze zwischen einer erlaubten Werbemaßnahme und einer rechtswidrigen Zuwendung sei zwar nicht immer scharf zu ziehen, hieß es. Und das Geschäftssystem der Foto-Firma sei auch nicht durchweg auf Schmiergeld-ähnliche Zuwendungen an die Schulen ausgerichtet gewesen.

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Trotz der deutlich strenger auszulegenden Korruptions-Vorgaben im Bereich der Schulfotografie durch den Bundesgerichtshof (BGH) habe sich in dem Betrieb aber eine Art verdecktes ‚Weiter so‘ eingeschlichen. „Ich wusste, dass es weiter Einzelfälle gab, in denen ich nicht ausschließen konnte, dass die ‚rote Linie‘ überschritten wird. Ich hätte klarere Vorgaben geben müssen, gerade die älteren Außendienst-Mitarbeiter hätten von mir eindringlicher ermahnt werden müssen“, hieß es in der Geständniserklärung des Seniorchefs.

Das Ende mit Bewährungsstrafen und Geldauflagen

Der Prozess endete schließlich im September 2020 mit Bewährungsstrafen. Der Ex-Geschäftsführer musste zudem 80.000 Euro und der Vertriebs-Chef 40.000 Euro zahlen.

Dass das von den Schulen so eingenommene Geld nach allem, was bekannt ist, ausnahmslos Schülern zugutegekommen ist, ist zwar richtig, schmälert aber keineswegs die Strafbarkeit.

Die Strafverfahren gegen involvierte Lehrkräfte (auf der einen) und Außendienstmitarbeiter (auf der anderen Seite) sind überwiegend wegen Geringfügigkeit, zum Teil auch gegen Geldauflagen eingestellt worden.

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Aktuell hat das Foto-Unternehmen übrigens offenbar komplett auf Rabatte umgestellt. Beim Kauf von bestimmten Stückzahlen gibt es, so steht es jedenfalls auf der Internetseite, Pauschalpreise und Gratiszugaben.

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