Eine Polizistin hat ein graues Auto gestoppt

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Wie ein VIP-Ticket für ein Heimspiel des BVB zum Fall für den Staatsanwalt wurde

rnKorruptions-Serie

Die Polizei stoppt einen Autofahrer, der zu schnell gefahren war. Er will das einfach regeln: Mit einem VIP-Ticket beim BVB. Drei Staatsanwälte erzählen, welche Korruptionsfälle sie beschäftigen.

NRW

, 16.06.2022, 04:30 Uhr / Lesedauer: 4 min

Drei Staatsanwältinnen und -anwälte sind in der Staatsanwaltschaft Dortmund die zuständigen Juristin für Korruptionsdelikte. Ihre Namen nennen wir in diesem Text nicht, da es immer wieder Menschen gibt, die es gar nicht gut finden, wenn jemand gegen sie ermittelt. In diesem Text heißen alle drei unterschiedslos einfach „Staatsanwalt X“

Bestechung und Bestechlichkeit, Vorteilsnahme und Vorteilsgewährung – all diese Delikte in den verschiedensten Schattierungen sind keine Sache für drei Vollzeit-Jobs. Daher haben alle drei Staatsanwälte noch andere Aufgaben, aber: Rund 30 Fälle im Jahr kommen schon zusammen, um die sich das Trio kümmern muss.

Ein „gewaltiges Dunkelfeld“

Dabei ist den dreien sehr bewusst, dass diese 30 Fälle lediglich die winzige Spitze eines sehr großen Eisbergs sind. Sie sprechen von einem „gewaltigen Dunkelfeld“. Bei Korruption gehe es eben immer um ein „Täter-Täter-Delikt“, bei dem es zu einer „Unrechtsvereinbarung“ komme.

Daher hätten beide Seiten ein fundamentales Interesse daran, dass diese Vereinbarung zwischen zwei Partnern nicht ans Licht komme. Direkte Opfer, wie bei anderen Straftaten, sind hier nicht in Sicht. Eher gibt es Leidtragende anderer Art: Etwa Firmen, die bei der Vergabe von Aufträgen grundlos leer ausgehen, oder auch der Verlust an Vertrauen in einen unabhängigen, alle Menschen gleich behandelnden Staat.

Einige große und viele kleine Fälle

Korruption im Alltag der Staatsanwaltschaft. Was für Fälle sind das? Die große Schmiergeld-Affäre im Dortmunder Straßenverkehrsamt hat die Justiz lange beschäftigt. Da hatte ein Mitarbeiter Importfahrzeuge zugelassen, ohne dass die dafür erforderlichen Gutachten durch den TÜV oder die Dekra vorgelegen hätten. Für ein Motorrad kassierte er 50, für ein Auto 100 Euro Schmiergeld.

Und sonst? Sind es die dicken Bauskandale, bei denen Millionenaufträge einer bestimmten Firma zugeschustert werden? „Ja, auch Bausachen sind darunter“, sagt Staatsanwalt X. Da würden dann schon mal von einem Konkurrenten Vorwürfe erhoben, dass jemand den Zuschlag zu einem völlig unrealistischen Preis erhalten habe. „Das fällt dann unter den Tatbestand der ,Bestechung im geschäftlichen Verkehr‘, also nicht gegenüber einem Amtsträger. Aber gerade bei Bausachen sind die erhobenen Vorwürfe oft sehr schwer nachzuweisen.“

„Man wird doch noch mal fragen dürfen!“

Doch solche großen Delikte sind eher die Ausnahme. Viel häufiger sind es die eher kleineren Vergehen, mit denen sich die Staatsanwaltschaft beschäftigen muss. Staatsanwalt X erzählt ein Beispiel: „Da stoppte die Polizei jemanden wegen eines Verkehrsvergehens und der fragte, ob man das Ganze nicht auch anders regeln könne, er habe schließlich auch VIP-Karten bei Borussia Dortmund.“

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So ein Spruch, ob man etwas „nicht anders regeln könne“ der falle schon häufiger bei Kontrollen. Aber ist das schon Korruption? Zunächst einmal ist das ja – etwas blauäugig betrachtet – nur eine ganz normale Informationsfrage nach dem Motto: „Man wird doch noch mal fragen dürfen!“

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Im Übrigen gebe es für solche Unterhaltungen nur selten Zeugen. „Dann steht irgendwann Aussage gegen Aussage“, sagt Staatsanwalt X. Polizisten nähmen solche Gespräche zwar durchaus ernst, verzichteten in kleineren Fällen allerdings oft auf die Erstattung einer Anzeige.

Es kann teurer werden als das ursprüngliche Delikt

Werde ein solcher Vorfall angezeigt, gehe man dem auch nach. Und man solle sich nicht täuschen: „Im Zweifel kann eine versuchte Bestechung eine höhere Strafe nach sich ziehen als das Verkehrsvergehen, bei dem man erwischt wurde“. Im konkreten Fall der VIP-BVB-Karten wurde das Verfahren gegen eine Geldauflage eingestellt.

Staatsanwalt X erzählt von einer Frau, einem Junkie. Bei einer Kontrolle in der Dortmunder Nordstadt habe sie einer Polizistin hinterhergerufen: „Du bekommst doch auch noch was von woanders her!“ Lande ein solcher Spruch in den Akten, werde man aktiv und überprüfe einen solchen Vorwurf.

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„Das machen dann aber nicht wir, sondern geben es an die Polizei in Recklinghausen zur Überprüfung weiter“, sagt Staatsanwalt X. Das mache man aus Neutralitätsgründen, weil es ja um einen Vorwurf gegen eine Beamtin aus der eigenen Stadt gehe. Man rege in solchen Fällen an, noch mal mit dem Junkie, der Frau zu sprechen und sie zu ihrer Äußerung zu befragen.

Allgemeine Vorwürfe lösen keine Ermittlungen aus

Es komme auch vor, dass „besorgte Bürger“ Vorwürfe gegen politische Amtsträger erheben nach dem Motto „Das kann doch nicht wahr sein!“ Ein so allgemeiner Vorwurf reiche aber nicht aus, um Ermittlungen in Gang zu setzen. Da müssten die Vorwürfe schon konkretisiert werden und detailliert sein.

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Und wenn das der Fall ist, gehe man auch anonymen Hinweisen nach. Sofern sich dabei die Vorwürfe erhärten sollten, suche man beispielsweise nach auffälligen Kontobewegungen. Sofern Immobilien eine Rolle spielten, schaue man auch sehr genau in die Grundbücher.

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In vielen Fällen aber sei man einfach machtlos. Und das hänge nicht nur mit Kapazitätsproblemen und mangelhafter technischer Ausstattung etwa bei der Polizei zusammen. „Es fehlt gerade bei der aufwändigen und zeitintensiven Bearbeitung von Wirtschaftsstrafsachen an erfahrenem Personal sowie an entsprechend ausgebildeten Nachwuchskräften“, sagt Staatsanwalt X.

Und was ist mit der „Pflege von Geschäftsbeziehungen“?

Zudem spiele die Art des Delikts eine große Rolle: Zwar gebe es inzwischen deutlich weniger „Geschenke“ zwischen Geschäftspartnern, etwa zu Weihnachten, als früher, aber vieles werde nach wie vor „unter dem Mantel der ,Pflege von Geschäftsbeziehungen‘ abgehakt. Wenn kleine Bargeld-Summen verschoben wurden, ist das praktisch nicht aufzuspüren“, sagt Staatsanwalt X: „Ein Besuch im Theater oder beim BVB, das alles ist ein Graubereich.“

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Und es gebe noch ein weiteres großes Problem im Kampf gegen die Korruption: der mangelnde Schutz der Whistleblower. „Viele halten lieber einfach den Mund, um nicht als Nestbeschmutzer im Kollegenkreis zu gelten, nach dem Motto: Das lief doch immer gut so“, sagt Staatsanwalt X.

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Bei den Ermittlungen gebe es zwar Zusagen, dass man die Vertraulichkeit eines Informanten wahre und die Polizei sei bei der Aktenführung auch darum bemüht, die Identität des Informanten zu schützen, sodass man in der Regel nicht nach dem Aktenstudium auf die Person schließen könne, aber das gelinge nicht immer: „Und wenn in der Akte der Name des Informanten doch auftaucht, können Verteidiger ihn auch lesen, wenn sie Akteneinsicht erhalten“, sagt Staatsanwalt X.

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