Zwei Männer gehen am 25.07.2013 während der Sondersitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) im Bundestag in Berlin am Sitzungsaal vorbei.

Gespräche zwischen Lobbyisten und Politikern im Bundestag wecken leicht den Verdacht, dass da gemauschelt werden soll. Der Europarat rügt die mangelnde Korruptions-Bekämpfung in Deutschland schon seit Jahren. © picture alliance / dpa

Europarat kritisiert seit Jahren: Deutschland tut zu wenig im Kampf gegen die Korruption

rnKorruptions-Serie

Deutschland ist weder eine Bananenrepublik, noch ein Land, in dem die Korruption blüht. Der Europarat sieht das anders. Seit Jahren kritisiert er Deutschlands zu lasche Regeln.

NRW

, 28.06.2022, 04:30 Uhr / Lesedauer: 3 min

Eine entscheidende Stimme, wenn es um die Bewertung von Korruptions-Schlupflöchern in Europa geht, trägt den Namen „Greco“. Das klingt nach Griechenland, ist aber eine Abkürzung für „Groupe d’États contre la Corruption“, zu Deutsch: „Staatengruppe gegen die Korruption“. 1999 gründeten 17 Staaten des Europarats – darunter auch Deutschland – diese Gruppe, die inzwischen 50 Mitglieder hat, darunter 48 europäische Länder und die USA.

2014 schaute sich die Greco, die als Gruppe innerhalb des Europarats arbeitet, sehr genau an, wie es in Deutschland um die Gefährdung durch Bestechung und Bestechlichkeit bestellt ist. Das Ergebnis wurde in einem großen Bericht von der Vollversammlung der Greco-Staaten verabschiedet. Die Empfehlungen sind seit 2015 gültig.

Unverhohlene Kritik hinter diplomatischen Worten versteckt

Dieser Bericht lobt Deutschland in diplomatischer Manier zwar auf vielen Seiten – etwa „für die im Laufe der Jahre fortentwickelten Verhaltensregeln für Abgeordnete und die darin enthaltenen Offenlegungspflichten – insbesondere hinsichtlich der Einkünfte aus Nebentätigkeiten und Spenden“. Zugleich aber gibt es unverhohlene Kritik und Anregungen zur Verbesserung der Regeln.

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So empfiehlt die Greco in ihrem Bericht, „von Abgeordneten zu verlangen, potenzielle oder tatsächliche Interessenkonflikte im Zusammenhang mit ihrer parlamentarischen Arbeit öffentlich zu erklären“. Zudem müsse beispielsweise der Zugang zu Informationen darüber, welche Lobbyisten an parlamentarischen Entscheidungsprozessen wie beteiligt werden, verbessert werden.

Auch Kritik an der Situation in der Justiz

Ganz konkret fordert Greco, dass es eine Pflicht zu sofortiger Offenlegung in solchen Fällen geben muss, „in denen ein Konflikt entstehen könnte zwischen spezifischen privaten Interessen einzelner Abgeordneter in Bezug auf eine Angelegenheit, die Gegenstand parlamentarischer Verfahren – im Plenum des Bundestags oder seinen Ausschüssen – ist, und zwar unabhängig davon, ob ein solcher Konflikt auch aus der Erklärung der Abgeordneten zu ihren Tätigkeiten und Einkünften ersichtlich sein könnte.“

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Aber auch im Bereich der Justiz gibt es laut Greco Verbesserungsbedarf: Zum einen sei die finanzielle und personelle Ausstattung der Justiz bedenklich hinsichtlich der Effizienz. Im Übrigen seien die „Unabhängigkeit und Unvoreingenommenheit von Richtern und Staatsanwälten bislang unstrittig“, allerdings werde inzwischen durchaus über die „strukturelle Unabhängigkeit“ der Richter und Staatsanwälte diskutiert, wenn diese etwa in Teilen gegenüber einem Justizmister weisungsgebunden seien.

Deutschland ignoriert regelmäßig Vorgaben

Daher fordert die Greco: „Es wären Maßnahmen zu treffen, um zu gewährleisten, dass das Rechtswesen von politischer Einflussnahme frei ist und auch als frei wahrgenommen wird. (…) Darüber hinaus wird empfohlen, die Transparenz und Kontrolle der Nebentätigkeiten von Richtern weiter zu verbessern.“

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Bis zum 30. April 2016 solle Deutschland der Greco berichten, wie man denn die Empfehlungen und Ratschläge umgesetzt habe. Das ist jetzt sechs Jahre her. Seither rügt der Europarat in unschöner Regelmäßigkeit Deutschland dafür, dass es die ausgesprochenen Empfehlungen vielfach schlicht ignoriert, nur lückenhaft oder einfach auch gar nicht umgesetzt hat. So wurde erst mit dem am 1. Januar 2022 an den Start gegangenen Lobbyregister, das eine öffentlich einsehbare Datenbank über Lobbyisten ist, eine wichtige Forderung erfüllt.

2019 leitet der Europarat ein förmliches Verstoßverfahren ein

Im August 2019 reichte es dem Europarat schließlich und er leitete ein förmliches Verstoßverfahren gegen Deutschland ein. Damit wurde Deutschland gezwungen, bis spätestens 30. Juni 2020 einen Bericht über den Fortschritt bei der Umsetzung der ausstehenden Empfehlungen vorzulegen.

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In der Erläuterung der Greco dazu heißt es wenig diplomatisch für Deutschland: „Die Greco bedauert insbesondere, dass der Bundestag keinen weiteren Fortschritt bei der Verbesserung der Transparenz des parlamentarischen Verfahrens erzielt hat (…). Die Staatengruppe äußert sich zudem enttäuscht darüber, dass im Hinblick auf die Verpflichtung der Abgeordneten zur Offenlegung potenzieller Konflikte zwischen spezifischen privaten Interessen und Angelegenheiten, die Gegenstand parlamentarischer Verfahren sind, keinerlei Entwicklung festzustellen ist.“

Unbehagen in Deutschland wegen eines Mangels an Transparenz

Mitte Dezember 2020 ermahnte die Greco Deutschland erneut und rief zur Einführung von Regeln auf, „welche die Offenlegung ausreichender Angaben über die Kontakte zwischen hochrangigen Entscheidungsträgerinnen und -trägern der Exekutive und Lobbyistinnen und Lobbyisten und sonstigen Dritten, welche die gesetzgeberischen und sonstigen Tätigkeiten der Regierung zu beeinflussen suchen, sicherstellen“. Das „Unbehagen in Deutschland wegen eines Mangels an Transparenz bei äußeren Einflüssen auf die Agenda der Bundesregierung“ habe in den vergangenen Jahren zugenommen, so die Greco.

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Doch auch das fruchtete nicht wirklich. Im Mai 2021 folgte die nächste Rüge des Europarats: Nach wie vor seien verbindliche Empfehlungen aus dem Jahr 2015 gegen Korruption im Parlament und in der Justiz „insgesamt unzulänglich“ umgesetzt worden.

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