Henning Mankells Debütroman erscheint auf Deutsch
Der Schriftsteller Henning Mankell existierte schon lange vor den Wallander-Krimis. Erst jetzt erscheint sein erster Roman auf Deutsch. Der „Sprengmeister“ ist ein meisterhaftes, politisches Porträt.

Henning Mankell (1948-2015). Foto: Rolf Vennenbernd
Henning Mankell, das ist der Meister des Nordic Noir: Krimi, Wallander, vielleicht noch Afrika. Seinen allerersten Roman dagegen kennt in Deutschland kaum jemand. Es ist ein Arbeiterroman, ein gefühlvolles Porträt.
45 Jahre nachdem Mankell ihn daheim in Schweden veröffentlichte, ist „Der Sprengmeister“ jetzt auf Deutsch erschienen. Ein meisterhaftes, ein politisches Debüt - in einfacher Sprache, doch mit manchmal gar nicht so einfachen Gedanken.
Mankell schrieb dieses erste Buch mit Anfang 20 bereits mit dem Hintergedanken, zum ersten Mal groß gedruckt zu werden. Davor hatte er ein paar Texte in Zeitungen veröffentlicht, kleinere Theaterstücke auf die Bühne gebracht. Dann mehrere Manuskripte zerrissen, die ihm für seinen ersten Roman nicht gut genug erschienen. Den „Sprengmeister“ jedoch schickte er los. Es sollte der Beginn einer Weltkarriere werden, die erst 2015 mit Mankells Tod jäh endete.
Sein Debüt schrieb der Schwede in einer hochpolitischen Zeit. 1972, durch das Fenster seines zugigen Arbeitszimmers in Oslo schaute er auf die amerikanische Botschaft und die Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg. „Für mich war dies eine Zeit der Freude, ich verspürte große Energie“, berichtete er 25 Jahre später im Nachwort einer Neuauflage seines Romans. „Der Imperialismus knarzte in den Fugen.“
Ebenso politisch - wenn auch eher zwischen den Zeilen - ist der „Sprengmeister“. Mankell erzählt auf gut 190 Seiten ein ganzes Leben. Das Leben des einfachen Arbeiters Oskar Johansson, der wie durch ein Wunder eine Sprengung überlebt. Seine Freundin kann die schweren Verstümmelungen nicht ertragen, so heiratet er ihre Schwester. Oskar wird in der schwedischen Arbeiterbewegung aktiv, glaubt an eine Revolution, die nie kommt. Später zieht er in ein Saunahäuschen auf einer Schäre. Ein verschrobener alter Mann, mit nur einer Hand und einem Auge, der keinen Luxus braucht, immer freundlich winkt und wenig spricht.
Das alles erzählt Mankell aus Sicht eines Dritten, der den alten Oskar immer wieder auf der Schäreninsel besucht. Die kurzen, einfachen Sätze spiegeln fast poetisch den einfachen Arbeiter. Mankell schreibt im Stakkato-Stil: „Die Erzählung. Kleine Holzperlen der Geschichte, die zusammen einen Rosenkranz ergeben. Das Aufgezeichnete und die Erinnerungen. Oskar Johansson ist zwei Personen.“
Manchmal wirft er dem Leser nur Stichworte hin: „Der Geruch von altem Mann wird stärker. Wortkargheit. Lange Pausen.“ Das Porträt des Arbeiters und der schwedischen Industriegesellschaft wirkt dadurch stellenweise fast lyrisch - in jedem Fall exzellent komponiert, wenn auch noch etwas roh und ungehobelt. In den scheinbar ungeordneten Rückblenden verliert Mankell nie den warmen Blick auf seinen Protagonisten. Soziale Gerechtigkeit ist das große Thema dieses bisher unübersetzten Romans.
Der „Sprengmeister“ zeigt: Henning Mankell, den Schriftsteller, gab es lange bevor der melancholisch-schwermütige Wallander im schwedischen Ystad vor seiner ersten Leiche stand. Literarisch haben seine frühen Werke vielleicht sogar mehr zu bieten.
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