Panne auf der A44: Wie Vater und Sohn endlich Zeit zum Lesen finden

Papatastisch

Es knirscht im Getriebe, und eine fröhliche Fahrt über Land endet erst einmal: Vater und Sohn haben ein unfreiwilliges Abenteuer auf der A44 hinter sich.

Unna

, 29.07.2022, 08:55 Uhr / Lesedauer: 3 min

Die Menschen in Warnwesten, die trübsinnig neben ihren qualmenden Autos stehen, tun mir jedes Mal leid. Solange keine Kinder dabei sind, geht es ja immer noch, denke ich oft. Und jetzt hatte ich selber eine Panne. Mit Kind, an der Autobahn – zum Glück auch mit Keksen.

„Krrrk“ bei voller Fahrt Richtung Hessen

Papatastisch: Mein Sohn musste nach Hessen. Aus Gründen, die hier zu weit führen würden, hatte ich an einem sonnigen Feriensonntag die Aufgabe, den jungen Mann ins Ferienlager nachzuliefern. Hinter Kassel liegt das Ziel, und der Pkw meines Schwiegervaters sollte uns dorthin bringen. Vater und Sohn plauderten gut gelaunt und schossen so dahin, einem echt coolen Ferienlager entgegen.

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Wir hatten die halbe Strecke geschafft, da machte der Wagen bei voller Fahrt „krrrk“. Das Auto wurde langsamer und informierte mich, warum: Die Wörter „Getriebe“ und „Werkstatt“ erschienen im Display. „Ähm. Unser Auto geht gerade kaputt“, informierte ich meinen Beifahrer. Er verstand mit seinen fast neun Jahren schnell, um schnell und laut zu reagieren. „O nein! Aber ich will doch ins Ferienlager!“ – „Bleib ganz ruhig, wir kriegen das alles hin“, versuchte ich ihn zu beruhigen. Ich selbst hatte auch ein bisschen Mühe, locker zu bleiben. Wir kamen auf dem Standstreifen der A44 zum Stehen. Im Sekundentakt schossen Autos an uns vorbei. „Du steigst auf keinen Fall auf deiner Seite aus“, erklärte mein Beifahrer. Gute Idee.

Papa muss eben das Auto absichern

Ich erklärte in Ruhe, ich müsse jetzt ein Warndreieck aufstellen, er müsse kurz warten, „hier hinter der Leitplanke, okay?“. Dann erledigte ich die zwei wichtigen Anrufe: ADAC (für den liegen gebliebenen Wagen) und Ehefrau (für uns). Diese Frau bleibt in solchen Situationen bemerkenswert ruhig. Sie müsse eben noch unsere Tochter abholen, die zur Stunde aus einem anderen Ferienlager zurückkehrte, und dann würde sie sich auf den Weg zu uns machen. „Ein bisschen dauert‘s.“ Für die Zwischenzeit empfahl sie uns ein Buch, das mein Sohn in seinem Ferienlager-Rucksack hatte. Eine Kinder-Vampir-Geschichte aus der „Vamperl“-Reihe. Wie nett.

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Der Kleine blieb nicht so ruhig. Während ich die Telefonate führte, hörte ich von der einen Seite den wahnsinnigen Autobahnlärm, von der anderen Seite meinen Sohn, der immer wieder laut weinen musste, der arme Kerl. Erst mal weg hier, entschied ich, packte Sohn, Rucksack und Handy und stapfte mit allem durch das Straßenbegleitgrün. An einer Brücke erreichten wir eine Treppe, wir stiegen hinab, und so konnten wir erstmal durchatmen: halb unter einer Autobahnbrücke, zwischen einer Landstraße und einem Feld.

Das Auto bleibt stehen, also regele ich erstmal das Nötigste: Absichern und die Pannenhilfe rufen.

Das Auto bleibt stehen, also regele ich erstmal das Nötigste: Absichern und die Pannenhilfe rufen. © Udo Hennes

Durchatmen an der Autobahnbrücke

Vater: „Lass uns erstmal hinsetzen, und dann lesen wir in deinem Buch.“

Sohn (laut): „Wie bescheuert ist das denn? Wir sitzen hier auf irgendeiner Treppe und lesen. Wenn uns einer sieht...“

Vater: „Es nützt ja nichts. Wir müssen jetzt warten.“

Sohn: „Ich hab keinen Bock auf Lesen.“

Vater: „Brauchste nicht haben. Ich lese vor. Möchtest du einen Keks?“

Sohn: „NEIN.“

Mein Handy klingelt. Es ist mein Automechaniker-Nachbar, den ich zwischenzeitlich versucht hatte anzurufen. Ich erkläre ihm, was los ist. Ja, das Auto sei wohl kaputt. Nein, wir seien nicht in der Nähe, sondern irgendwo im Paderborner Land.

Sohn (wieder laut): „WAS? Es wird ja immer schlimmer. Jetzt sind wir auch noch im Paderborner Land! Ich will hier nicht hin!“

In so einer netten Gegend könnten wir eigentlich mal schön wandern. Diesen Hinweis verkneife ich mir aber. Der Sohn hatte zuvor bereits deutlich gemacht, dass Witze gerade absolut tabu sind. Ich lese weiter vor.

Sohn (klagend, laut): „Das ist doch echt der schlimmste Tag in meinem Leben!“

Vater: „Ach nein. Schlimm ist, wenn man einen Unfall hat und verletzt wird. Das hier ist total doof, ja. Aber nicht schlimm. Wir brauchen jetzt etwas Geduld. Willst du einen Keks?“

Auch das noch: im Paderborner Land

Sohn (knurrend): „Nein. Wann kommt Mama denn endlich?“

Eltern haben ja immer Antworten, aber in diesem Fall habe ich keine gute, außer „Ich weiß es nicht.“ Mama weiß gar nicht zu 100 Prozent, wo genau wir sind. Und wie sie halten soll, um uns einzuladen, dafür habe ich auch noch keinen Plan. Aber auch das behalte ich vorerst für mich. Wir haben alles unter Kontrolle hier. Ich bin so froh, dass mein Handy Empfang hat und ebenso fast voll ist wie unsere Wasserflasche.

Sohn (mürrisch): „Gib mal einen Keks.“ Ein Glück, der Junge entspannt sich. „Nachher gewöhne ich mich hier noch dran.“ Ich stutze, knuffe ihn in die Seite. „Hast du gerade etwa einen Witz gemacht?“

Papatastisch-Autor Thomas Raulf berichtet in seiner Kolumne aus dem Familienalltag.

Papatastisch-Autor Thomas Raulf berichtet in seiner Kolumne aus dem Familienalltag. © Udo Hennes

Zwei Engel treffen ein

Es sollte eineinhalb Stunden, vier Kapitel im Vamperl-Buch und eine halbe Packung Kekse dauern, bis alles wieder gut wurde. Fast zeitgleich trudelten Abschleppdienst und Mama am Ort unserer Havarie ein. Gemeinsam fuhren wir an der nächsten Ausfahrt ‘runter. Eltern und Kind reisten gemeinsam weiter Richtung Südosten, der „Gelbe Engel“ und das kaputte Auto was-weiß-ich-wohin. Opas Wagen steht noch immer auf einem Werkstatthof, irgendwo im Paderborner Land. Noch wichtiger: Unser Junge ist glücklich im Ferienlager, hinter Kassel.

Für mich gehören voll geladenes Handy und Wasserflasche ab sofort zur Standardausrüstung bei allen Autofahrten. Und noch etwas nehme ich mir vor: Wir müssen viel öfter wieder gemeinsam lesen.

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„Papatastisch“ ist ein Neu-Wort aus der Internet-Community. Es passt ganz gut zur Kolumne von Redakteur Thomas Raulf: Familie ist einfach toll, und ein „Papa“ schreibt darüber. Alle Schilderungen beruhen auf wahren Ereignissen, beim Schreiben fließt hier und da auch ‘mal satirische Würze ein. Lesen Sie gern ein Augenzwinkern mit. Alle bisher erschienenen Folgen finden Sie auf unserer Internetseite: www.hellwegeranzeiger.de/schlagwort/papatastisch