
Papatastisch-Autor Thomas Raulf berichtet über eine tolle Einrichtung für seine Kinder: das „Hotel Oma“ mit all seinen Vorzügen. © Udo Hennes
Im Hotel Oma ist alles erlaubt
Kolumne Papatastisch
Was habe ich hier schon über Erziehung und kluge Dinge für Kinder philosophiert – dabei ist das alles sinnlos. Wir Eltern werden seit Jahren sabotiert: Willkommen im Hotel Oma, mit Frühstück im Bett.
Quizfrage: Wo bekommen Kinder ohne Ende Süßigkeiten, Fernsehen bis die Augen rollen und Frühstück im Bett serviert? Es gibt einen Ort, der ausschließlich dazu dient, kleine Menschen zu verwöhnen. Nennen wir ihn Hotel Oma.
Natürlich essen wir hier im Hause nicht im Bett. Wir essen am Tisch und versuchen uns dabei wie Menschen zu benehmen. Auch Kindern ist das zuzumuten. Außerdem sind die Reste von Mahlzeiten zwischen den Kissen ein bisschen ekelig. Und Kinder müssen auch nicht zu 100 Prozent bedient werden. Es kommt eigentlich auch niemand auf die Idee, dort zu „snacken“ wo geschlafen wird. Halt. Doch. Es kommt jemand auf diese Idee.
Kinderzimmer wird Luxus-Suite
Die Premiere ist nun schon einige Jahre her: Die Kinder waren in den Ferien bei den Großeltern. Mit Übernachtung im Gästebett: Wo früher der Schreibtisch stand, an dem ich meine Hausaufgaben machen musste, steht heute ein gigantisches Schlafsofa. Gegenüber steht ein gigantischer Fernseher. Zu meiner Kinderzeit war an der Stelle ein Schrank – oder gar nichts außer der Wand, ich weiß es nicht mehr. Jedenfalls gab es in diesem Raum sicher keine luxuriöse Unterhaltungselektronik.
Wie man die heutige Einrichtung meines einstigen Kinderzimmers nutzt, sahen meine Frau und ich dann morgens an einem Foto auf dem Handy. Die Kinder hatten die Nacht bei den Großeltern offensichtlich gut verbracht. Sie lümmelten im Bett und ließen sich von Zeichentrickfilmen berieseln, während Oma ihnen das Frühstück reichte. Selig nahmen die Hotelgäste Brötchen und Getränke in Empfang. Mit weichen Kissen hatte der Zimmerservice sie schon in Sitzposition gestützt. „Schön oder? Wie im Hotel“, lautete der Kommentar unterm Bild. Was morgens funktioniert, funktioniert auch abends. Gleiches Bild, ersetze Frühstück durch Chips und Schokoriegel.

„Nehmt so viel ihr essen könnt“, lautet die Devise, wenn die Kinder im Großelternurlaub sind. Das ist immer ein XXL-Verwöhnprogramm. Es muss wohl so sein. © Raulf
Ausnahmsweise, denken Sie vielleicht. Nichts da. Das geht da immer so. In den Ferien bei Oma, das heißt: Schlaraffenland XXL. Süßigkeiten kurz vor dem Essen? Eigentlich versuche ich da strikt zu sein. Es verdirbt ja den Appetit. Ich bilde mir ein, das als Kind gelernt zu haben. Also diese Frau kann es mir wohl nicht beigebracht haben: „Ja siiiicher darfst du was Süßes, mein Schatz“, lautet die Antwort der Großmutter, egal ob gleich Mittagessen oder Abendbrot ansteht. „Bei Oma darfst du das.“
Bei Oma ist alles erlaubt
Natürlich lieben die Kinder diese kleinen Urlaube. Wer könnte es ihnen verdenken? Die Rückkehr nach Hause wird gern so weit wie möglich verschoben. „Eine Nacht noch, bitte...“ Klar, zu Hause erwartet einen ja nur diese furchtbare Normalität. „Bei mir müssen sie auch mithelfen“, beteuert die Großmutter. Ich vermute, sie müssen sich hin und wieder selbst die Schokostreusel auf den Nachtisch schütten. Was man so hört, bekommen die Feriengäste im Hotel Oma aber auch ab und zu ein Trockentuch in die Hand. Na gut, dann läuft es doch.
Zeit mit den Enkeln zu verbringen, macht die Oma mindestens ebenso glücklich wie die Enkel. Und darum geht es wohl, oder? Wenn ich recht überlege, war das früher auch gar nicht anders. Wenn ich Ferien machte bei meiner Großtante, dann wurde mir auch jeder Wunsch von den Lippen abgelesen. Und wenn ich das große Haus erkundete, lautete die gönnerhafte Ansage der Hausherrin: „Was du brauchen kannst, nimm mit.“
Bei meiner Großmutter passierte Ähnliches. Und der Effekt wirkt nach wie vor: Wenn ich heute echten Vanillepudding esse, dann ist das immer noch etwas Besonderes: So schmeckte es damals bei Oma. Auch ich muss wohl mal ein Enkelkind gewesen sein, das ab und zu verwöhnt wurde.
Jahrgang 1979, stammt aus dem Grenzgebiet Ruhr-Sauerland-Börde. Verheiratet und vierfacher Vater. Mag am Lokaljournalismus die Vielfalt der Themen und Begegnung mit Menschen. Liest immer noch gerne Zeitung auf Papier.
