„Die Tote im Wannsee“ und das unruhige West-Berlin 1968

Eine Frauenleiche wird in Berlin entdeckt. Der junge Ermittler stellt bald fest, dass die Spuren in viele Richtungen weisen. Denn der Krimi „Die Tote im Wannsee“ spielt vor 50 Jahren, als Gesellschaft und Politik in Aufruhr waren.

von Von Axel Knönagel, dpa

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Berlin

, 21.08.2018, 17:19 Uhr / Lesedauer: 2 min
„Die Tote im Wannsee“ von Lutz Wilhelm Kellerhoff. Foto: Ullstein Buchverlage

„Die Tote im Wannsee“ von Lutz Wilhelm Kellerhoff. Foto: Ullstein Buchverlage

Berlin im Herbst 1968. Während die Studenten im eingemauerten Westteil der Stadt für eine Revolution demonstrieren, geht für viele Menschen das normale Leben weiter. So auch für die Beamten der Mordkommission, die wieder einmal einen Fall lösen müssen.

Die Leiche einer jungen Frau ist aus dem Wannsee geborgen worden. Der junge Kommissar Wolf Heller soll herausfinden, wer die Frau erstochen hat.

Wie ein ganz gewöhnlicher Krimi beginnt „Die Tote im Wannsee“ von Lutz Wilhelm Kellerhoff. Aber schnell wird klar, dass der Roman eine ganz eigene Dimension besitzt. Denn die Krimihandlung ist eingebettet in ein facettenreiches Porträt einer spannenden Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs.

Die Tote wird identifiziert als Heidi Gent, gutbürgerliche Ehefrau, Mutter zweier kleiner Kinder und von Beruf Sekretärin bei einem Rechtsanwalt. Schon bald gerät ihr Mann in Verdacht, aber er betont seine Unschuld und scheint auch kein Motiv zu haben.

Als Heller die Wohnung der Toten durchsucht, stößt er allerdings auf ein Sparbuch, auf dem die Sekretärin eine ungewöhnlich hohe Summe angesammelt hatte. Hatte sie einen geheimen Nebenverdienst, von dem niemand wusste? Und hat dieses Geld etwas mit dem Mann im teuren Sportcoupé zu tun, der sie ein paar Mal nach Hause gebracht hat? Oder spielt es eine Rolle, dass ihr Arbeitgeber niemand anderes ist als Horst Mahler, einer der prominentesten Strafverteidiger linksradikaler Aktivisten und aktuell selbst gerade in Haft? Durch Hellers Ermittlungen bekommen die politischen Ereignisse des Jahres 1968 eine wichtige Rolle im Roman. Denn parallel zur Krimihandlung erzählt der Roman von einer Kommune, die plant, Mahler aus dem Gefängnis zu befreien und dann einen Aufstand anzuzetteln.

Heller kommt mit seinen Ermittlungen nicht voran. So sehr er sich auch bemüht, immer wieder stößt er an seltsame Grenzen, so dass er sich bald sicher ist: „Irgendwas an dem Fall ist faul.“ Aber über das „irgendwas“ kommt er lange Zeit nicht hinaus. Die Leser sind ihm da immer einen Schritt voraus. Die Erzählung verfolgt nicht nur Heller als Hauptfigur, sondern auch die radikalisierte Studentin Louise und den DDR-Agenten Harry, der mehr weiß als alle anderen handelnden Personen. Dieser Wissensvorsprung ist ein wesentlicher Vorteil, denn, wie ein Mann im Roman betont: „Alles hängt mit allem zusammen.“ Und niemand hat wirklich den Überblick.

Die besondere Lage West-Berlins im Kalten Krieg taucht immer wieder als prägende Rahmenbedingung des Lebens in der Stadt auf, immer präsent, aber nie als aktuelles Drama. Auch die Vergangenheit ist immer noch präsent. Hellers Vorgesetzter war ebenso wie sein Vater im Zweiten Weltkrieg an Gräueltaten beteiligt, und die unbewältigte Vergangenheit ist ebenso mächtig wie die kontroverse Gegenwart.

Natürlich gelingt es dem sympathischen und talentierten Ermittler Heller, den komplizierten Fall zu lösen, in dessen Verlauf vier Menschen sterben. Der historischen Situation angemessen endet das Morddrama an der Mauer.

Den drei Autoren Martin Lutz, Uwe Wilhelm und Sven Felix Kellerhoff haben in „Die Tote im Wannsee“ ein packendes Porträt einer spannenden Zeit geschaffen, in dem auch reale Personen wie der Bürgermeister Klaus Schütz, Horst Mahler, der Chansonnier Reinhard Mey und der DDR-Spionagechef Markus Wolf auftauchen. Kombiniert mit einer packenden Krimihandlung und glaubhaften Figuren bietet der Roman ebenso spannende wie unterhaltsame Lektüre.

- Lutz Wilhelm Kellerhoff: Die Tote im Wannsee. Ullstein Verlag, Berlin, 384 Seiten, 16,00 Euro, ISBN: 978-3-550-05064-0.