Die Pappel hat kaum noch eine Chance
Bäume in der Stadt sind ein schwieriges Thema
Am Anfang dieser Geschichte stand die Pyramidenpappel. Für die, die sich nicht erinnern: Ein schlanker und beachtlich hoher Baum, der früher in Städten, an Straßen und Flussufern häufig zu sehen war. Die Pappel ist nicht weg - aber sie hat es auch nicht mehr wirklich leicht.

Die Pyramidenpappel. Schön und früher sehr beliebt. Heute gehört der Baum für Städte nicht mehr zu den favorisierten Arten. © picture alliance / dpa
Die Pyramidenpappel - Populus nigra Italica, eine Form der Schwarzpappel - war einmal äußerst beliebt in Nordrhein-Westfalen. "Das Ruhrgebiet und auch das Münsterland waren früher geprägt von den Bäumen", sagt Franz-Josef Gövert. Er arbeitet beim Amt für Grünflächen in Münster und ist Mitglied der GALK, Arbeitskreis Stadtbäume.
GALK steht für Gartenamtsleiterkonferenz. Die GALK prägt Stadtbilder. Denn in ihr kommen zwei Mal im Jahr die zusammen, die darüber beraten, welche Bäume in einer Stadt gepflanzt werden könnten.
Welche sich als Stadtbäume eignen.
Und welche eher nicht.
Die GALK entscheidet also über das grüne Aussehen einer Stadt. Und berät über die grüne Zukunft von Straßen und Plätzen. Die Pappel, die gehört nicht mehr zur ersten Wahl. Das hat seine Gründe.
Früher - nach dem Krieg - nutzte man die Vorteile der schlanken Bäume. "Die Pappel wächst sehr schnell", sagt Karl Jänike, Geschäftsführer des Verbandes Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Nordrhein-Westfalen. Franz-Josef Gövert erklärt: "In den Nachkriegsjahren diente der Baum der schnellen Holzerzeugung. Holzschuhe, Streichhölzer - all das konnte aus Pappeln gefertigt werden."
Beliebt damals: Die Kanadapappel. Populus canadensis. Eine Kreuzung aus der Schwarzpappel (Populus nigra) und amerikanischen Verwandten (Populus deltoides). 30 Meter hoch schon nach 40 Jahren. Günstig in der Anschaffung.
Für die Stadtplaner blieben Pappeln also auch in den Jahren danach interessant. Lücken im Stadtbild sollten möglichst rasch geschlossen werden. Jänike: "Die Bäume sind anspruchslos und sie bilden schnell den Charakter einer Allee ab." Es sollte wieder grüner werden.
Die Vorteile des Baumes - längst nur noch Nachteile.
"Die Pappeln sind durch ihr rasches Wachstum auch sehr schnelllebig und eher altersschwach", sagt Gövert. Durch das Raster der GALK fallen sie damit seit Langem. Denn Bäume müssen heute in Städten ganz andere Anforderungen erfüllen.
Sie dürfen angesichts der vielen extremen Stürme, die seit Jahren über NRW fegen, nicht windanfällig sein. Und sie müssen hitzeresistent sein, denn die Stressbelastung nimmt angesichts des Klimawandels zu.
Sicherungspflicht für Städte
Jänike: "Aufgrund ihrer Eigenschaften neigt die Pappel dazu, schnell zu brechen." Und spätestens diese Schwäche macht es für Städte schwierig. Kommunen haben eine Verkehrssicherungspflicht für Straßen und Parks. Baumbegutachtungen sind verstärkt ein Thema. Die Städte sind verpflichtet zu kontrollieren. Ein bis zwei Mal im Jahr werden Bäume an öffentlichen Plätzen geprüft. Bei Gefahr müssen sie gesichert oder sogar gefällt werden.
Überall in Deutschland werden immer wieder ganze Pappelalleen abgeholzt. Manch ein Baum-Experte spricht von einer wahren Hysterie.
Der Sturm "Ela", der am Pfingstmontag 2014 in Nordrhein-Westfalen tobte und dem auch viele der hohen Pappeln - beispielsweise im Düsseldorfer Hofgarten - zum Opfer fielen, gilt als einer der endgültigen Wendepunkte im Umgang mit dem Baum.

Unter umgeknickten Bäumen sind im Sommer 2014 in Düsseldorf die Überreste eines Gartenhauses zu sehen. Drei Menschen verloren hier ihr Leben. Sie hatten Zuflucht vor dem Unwetter gesucht, als eine schwere Pappel auf das Haus stürzte. © picture alliance / dpa
Aus dem Jahr 2014 stammt auch ein Urteil, welches die Pflicht von Städten mit Blick auf die Stadtbäume konkretisiert. Es ging in dem Fall um: die Pappel.
Ein Mann aus Suhl (Thüringen) hatte die Stadt auf Schadenersatz verklagt, weil Äste über Nacht auf sein geparktes Auto gefallen waren. Der Bundesgerichtshof wies die Klage ab. Grundsätzlich müssten die Behörden zwar dafür sorgen, dass von Bäumen keine Gefahr ausgehe. Bei Weichhölzern - Pappeln oder Kastanien - könne es aber auch bei gesunden Bäumen vorkommen, dass Äste brechen. Die Pflicht, gesunde Bäume zu beseitigen, die sei nicht gegeben.
"Pappeln werden immer mal wieder gefällt. Es stehen aber auch noch imposante Bäume, am Ufer der Aa in Münster zum Beispiel", sagt Franz-Josef Gövert. Einige Arten, so der Mann vom Grünflächenamt Münster, hätten Schmuckwirkung. Im Ruhrgebiet, da sei die Zitterpappel sehr schön. Und Pappeln würden auch gerne zur Haldenbegrünung genutzt, da sie eben auch mit extrem nährstoffarmen Standorten klarkommen.
Die Tendenz in den Städten ist eine andere. Gövert: "Wir müssen und auf die klimatischen Veränderungen einstellen. Mit Baumarten, die aus Regionen stammen, in denen es klimatisch aktuell so ist, wie es für unsere Region in der Tendenz prognostiziert wird."
Wer Antworten auf die Frage nach der Zukunft des Stadtbaums finden möchte, der landet in Franken. In der Nähe von Würzburg, in Veitshöchheim. Dort sitzt die Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau. Hier suchen Biologen seit 2009 im Projekt "Stadtgrün 2021", dem größten Straßenbaumversuch Europas, die Bäume, die es schaffen könnten. Denen Hitze, Frost, Wind, Schädlinge, Urin, Kot, Streusalz, Rohre, Kabel und Asphalt nichts ausmachen. Es sind die potenziellen Nachfolger von Pappeln, Linden, Ulmen, Eschen, Platanen und Kastanien, die immer häufiger von Prozessionsspinnerraupen, Miniermotten und Laubholzbockkäfern dahingerafft werden.
Philipp Schönfeld ist Leiter des Arbeitsbereiches Urbanes Grün in Veitshöchheim. Er sagt: "Den einen Superbaum wird es nicht geben." 30 nicht-heimische Baumarten werden daher auch an drei sehr unterschiedlichen Standorten getestet.
In Würzburg, wo das Klima heiß und trocken ist.
In Kempten - mit feucht-gemäßigtem Klima.
Und in Hof/Münchberg, da ist es eher kalt.
Die Testbäume stammen aus Südosteuropa, aus Nordamerika, aus Asien. Sie stehen natürlich an Straßen, nicht in Parks. Alles wird dokumentiert: Wann treibt der Baum aus? Wann blüht er? Nährstoffgehalt. Temperaturkurven.
Purpur-Erle erfolgreich im Test
Sehr gut schlägt sich bisher die Purpur-Erle - an allen drei Klima-Standorten. Im Test auch: Die Ungarische Eiche. Der Eisenholzbaum, der aus dem Iran stammt. Die Kobushi-Magnolie aus Japan. Die Hopfenbuche aus Südosteuropa. Die Mongolische Linde. Die Morgenländische Platane. Der Guttaperchabaum. Der Amberbaum aus Nordamerika, der alles hat, was die Pappel nicht hat. Hitzetolerant, frostsicher, windfest.
Neue Bäume, die allerdings nicht nur Freunde finden. Naturschützer fragen: Warum pflanzt ihr keine einheimischen Arten? Von den fremden hätten schließlich die einheimischen Tiere nichts.
"Der Wald ist eben nicht die Stadt. In der Stadt sind die Anforderungen mittlerweile ganz andere", entgegnen dann die Tester in Veitshöchheim. Und versuchen Beweise zu liefern, um die Kritiker zu widerlegen. Von April bis September wurden Insekten gesammelt. An vier Versuchsbäumen und an vier einheimischen Bäumen. Schönfeld: "Die neuen Bäume sind nicht biologisch tot." Die Insektenvielfalt sei auch an den Testbäumen groß gewesen.
Eisenholzbaum, Kobushi-Magnolie, Hopfenbuche, Mongolische Linde. Wer letztendlich den Weg in die Städte schaffen wird, das wird sich auch in Veitshöchheim entscheiden. "Einige Praktiker sind nach unseren Veröffentlichungen schon in den Baumschulen vorstellig geworden, und wollten die erfolgreichen Testbäume ordern", sagt Philipp Schönfeld. "Dann warnen wir." Denn die abschließenden Ergebnisse des größten Straßenbaumversuchs in Europa sind ja noch nicht da. Fest steht nur: Den einen Superbaum, den wird es nicht geben. Und die Pappel, die hat es schwer.
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