Das müssen Sie als Dieselfahrer jetzt wissen
Fragen und Antworten
Der Berliner Diesel-Gipfel läuft. Es geht um die Zukunft der Technologie in Deutschland. Bereits am Freitag hatte das Stuttgarter Verwaltungsgericht den Weg für Fahrverbote für ältere Dieselautos in Stuttgart frei gemacht. Viele Fragen sind nun offen – vor allem für deutsche Dieselfahrer. Hier gibt's die Antworten.

Wie geht es weiter mit dem Diesel? Viele deutsche Diesel-Fahrer sind verunsichert.
Chaotische Zustände rund um die Diesel-Technologie – chaotische Zustände rund um den Diesel-Gipfel. Das Treffen von Bund, Ländern und Autobranche ist überraschend an einen anderen Tagungsort in Berlin verlegt worden. Statt wie vorgesehen im Verkehrsministerium sollte es aus Sicherheitsgründen im nahen Innenministerium stattfinden, wie es am Mittwoch aus Teilnehmerkreisen hieß.
Vor dem Verkehrsministerium, das dicht an einer viel befahrenen Straße liegt, gibt es seit Mittwochmorgen Protestaktionen. Aktivisten der Umweltorganisation Greenpeace entrollten vom Dach des Gebäudes ein großes Transparent mit der Aufschrift „Willkommen in Fort NOx“ – in Anspielung an einen zu hohen Ausstoß von Stickoxiden (NOx) aus Diesel-Fahrzeugen.
Dabei setzen viele Hoffnungen in den Dieselgipfel – vor allem wohl deutsche Dieselfahrer. Für sie sind derzeit viele Fragen offen, besonders, nachdem am Freitag das Stuttgarter Verwaltungsgericht den Weg für Fahrverbote für ältere Dieselautos in Stuttgart geebnet hat. Doch was heißt das konkret für die Dieselfahrer? Dürfen sie nicht mehr in die Stadt? Welche Typen sind betroffen? Was bedeutet das für andere Städte?
Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:
Was bedeutet das Urteil von Stuttgart?
„Das Urteil bedeutet konkret, dass das Gericht schnell Taten sehen will und Versprechungen der Autoindustrie ‚man könnte …‘ nicht akzeptiert wird“, sagt Matthias Knobloch vom ACE Auto Club Europa. Kommt es nicht zu anderen Übereinkünften, etwa auf dem Diesel-Gipfel in Berlin, könnten Konsequenzen rasch folgen. Dann wäre laut ACE mit einer gewissen Umsetzungszeit ab 2018 in Stuttgart mit Fahrverboten zu rechnen. Allerdings: „Das Gericht selber legt hier kein Datum fest, sondern fordert eine schnellstmögliche Reduzierung der NOx-Emissionen.“ Zwar will das Land das Urteil noch prüfen und dann sehen, welche Schritte einzuleiten sind, sagte ein Sprecher gestern. Doch ist davon auszugehen, dass der Streit vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig weitergeht.
Ein neues Gutachten macht den Dieselfahrern indes Hoffnung. Demzufolge sind Fahrverbote für ältere Dieselautos in Stuttgart nicht zulässig. Ohne gesetzlichen Rahmen auf Bundesebene könnten Landesbehörden solche Maßnahmen nicht anordnen, argumentiert der Verfassungsrechtler Christofer Lenz in einer Analyse im Auftrag des Arbeitgeberverbandes Südwestmetall. Die aktuelle Rechtslage erlaube es nicht, Fahrzeuge mit einer grünen Plakette aus einer bestehenden Umweltzone auszusperren – egal ob Diesel oder nicht.
Welche Dieselautos wären von einem Fahrverbot betroffen?
Voraussichtlich würden Fahrverbote alle Diesel mit der Abgasnorm Euro-5 und älter betreffen. Ob softwaremäßig nachgerüstete Autos ausgenommen bleiben, dürfte laut Knobloch davon abhängig sein, welche Verbesserungen hier tatsächlich zu erwarten sind. „Hier liegen aber noch keine Erkenntnisse vor“, sagt er. „Sollte sich in der Realität herausstellen, dass lediglich zehn Prozent Reduzierung erreicht werden können, wird dies sicher nicht ausreichen.“
Was ist mit den modernen Euro-6-Dieseln?
Selbst hier ist noch einiges unklar. Das hat auch mit den Abgastricksereien der Hersteller zu tun. „Sollte ein modernes Dieselfahrzeug im Realbetrieb trotz guter Messwerte deutlich zu hohe NOx-Werte haben, wäre auch theoretisch ein Fahrverbot für solche Fahrzeuge nicht auszuschließen“, sagt Knobloch, der das allerdings für unwahrscheinlich hält. Für die Praxis hieße das wohl, dass Euro-6-Fahrzeuge und auch ältere mit Katalysatoren nachgerüstete Diesel vermutlich nicht von Fahrverboten betroffen wären.
Drohen in anderen Städten nun auch Fahrverbote für Diesel?
Das Stuttgarter Urteil hat Signalwirkung und könnte richtungsweisend für andere Urteile werden. Ein Düsseldorfer Gerichtsurteil zu möglichen Fahrverboten soll Anfang 2018 vor das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig kommen. Das Verfahren werde voraussichtlich im ersten Quartal kommenden Jahres zur mündlichen Verhandlung bestimmt, teilte das Bundesverwaltungsgericht gestern auf Anfrage mit. Wegen überhöhter NO2-Werte hatte das Verwaltungsgericht Düsseldorf im September 2016 bei jetziger Rechtslage örtliche Fahrverbote für Dieselautos angeregt. Die Bezirksregierung wurde verurteilt, den Luftreinhalteplan für Düsseldorf nachzubessern. Klägerin war die Deutsche Umwelthilfe. Beide Seiten einigten sich dann, den Fall höchstrichterlich zu klären. Das Stuttgarter Urteil zeige zumindest die Grundlinie auf, dass Gesundheit Vorrang vor freier Fahrt habe, sagt Knobloch.
Allerdings ist in jeder Stadt die Situation individuell anders. „Es geht darum, dass lokal die Grenzwerte eingehalten werden“. Das eröffnet anderen Städten grundsätzlich auch andere Lösungen für das Problem. „Klar ist allerdings, dass das Verbot von Dieselfahrzeugen die beste Lösung ist, um die Emissionen schnell zu reduzieren“, sagt Knobloch.
Wie lange müssten solche Fahrverbote vorher angekündigt werden?
Ein gesetzliches „Muss“ gebe es hier nicht. Der ACE schätzt aber, dass die Städte die Fahrverbote angemessen ankündigen würden. „Da sie im Sinne der Bürger auch Ausweichlösungen, beispielsweise einen verbesserten oder vergünstigten öffentlichen Nahverkehr, anbieten möchten.“
Wie könnten Autos für Fahrverbote gekennzeichnet werden?
Zum einen ist eine entsprechende Plakette denkbar. Eine andere Möglichkeit wäre, über das Autokennzeichen zu gehen. „Zumindest deutsche Autos könnten dann auch über eine automatische Kennzeichenerfassung kontrolliert werden.“ Eine manuelle Erfassung sei bei der hohen Autoanzahl in der Stadt kaum denkbar. „Ein Steuerungsinstrument wie die ‚Blaue Plakette‘ könnte es aber ermöglichen, dass Fahrverbote nicht in der ganzen Stadt, sondern nur eingeschränkt für bestimmte sehr stark belastete Straßen möglich wären.“
Welche Maßnahmen könnten Fahrverbote für Fahrer vom älteren Diesel noch verhindern?
Ziel ist es laut ACE, die NOx-Emissionen möglichst schnell möglichst weit zu senken. Das könnte entweder durch eine schnelle und deutliche Verbesserung bei den Autos selber erfolgen oder durch einen flächendeckenden Umstieg auf andere saubere Verkehrsmittel. Das Stuttgarter Urteil weise laut Knobloch in die Richtung, dass Fahrverbote kurzfristig kaum vermeidbar sind, um die Gesundheit der Menschen in den Städten zu sichern. „Ob sich politisch beim Diesel-Gipfel noch etwas anderes ergeben wird, bleibt abzuwarten und zu hoffen.“
dpa