Das fast vergessene grüne Reich des Hauses Dingerkus
Serie Gartenkunst - Folge 3
Fast wäre das Gartenhaus Dingerkus in Essen-Werden vergessen worden. Um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert stand der Garten in voller Blüte, schlief danach ein und verlor den Großteil seiner 4000 Quadratmeter Blumen- und Baumpracht. Bis vor acht Jahren. Seitdem sind es 500 Quadratmeter – mit Hilfe von Goethe.
Nachdenklich steht die Holzskulptur an der Spitze der Zierkirsche an der Mauer des Gartens. Die Arme verschränkt, eine Hand am Kinn. Der Blick schweift über das Grün vor dem hellgelben Gartenhaus. Was dem „Denker“ wohl durch den Kopf geht?
„Das ist Johann Everhard Dingerkus, sage ich immer. Er schaut ein bisschen skeptisch, erfreut sich aber am Anblick des Gartens“, sagt Peter Bankmann, Vorsitzender des Freundeskreises Gartenhaus Dingerkus.
Garten ist Herberge für Kunst und Kultur
Nicht nur wegen der Skulptur ist der Garten eine Herberge für Kunst und Kultur. Das Gartenhaus bot schon Musikern und Literaten eine Bühne. Strauchrosen, Pfingstrosen und Hortensien flankieren die große Wiese vor dem „Denker“. Die Weintrauben hängen am Geländer des Wegs vom Garten nach oben zum Eingang.
Dort haben sie es sich in der Sonne gemütlich gemacht. Weg, Wiese und „Denker“ erkennen Besucher auf den ersten Blick, nachdem sie die Holztür zum Garten durchschritten haben. Der versteckte Teil des Gartens liegt unten vor den Apfel- und Pflaumenbäumen.
Dort sieht es auf den ersten Blick unordentlich aus – soll es aber auch sein. „Hier hat alles seine Berechtigung, es soll so sein“, sagt Bankmann, „Unkraut gibt es für mich nicht.“ 2010 hatten Bankmann und 14 weitere Gründungsmitglieder die umgefallenen Bäume und den Efeu satt.
Goethes Schriften über Gärten entscheidend
Bankmann und Co. kam die Idee, das Haus mit umliegenden Grün pünktlich zur Kulturhauptstadt Ruhr.2010 in Form zu bringen. Sie gründeten den Freundeskreis, der heute über 90 Mitglieder zählt. Als Sponsoren konnten sie die NRW-Stiftung gewinnen, später auch die Alfried-Krupp-von-Bohlen-und-Halbach-Stiftung.
Der Anfang war schwer, wussten sie doch nur aus 21 Briefen von Johann Everhard Dingerkus, wie der Garten ausgesehen hat. Behilflich waren Bankmann daher die Aufzeichnungen von Johann Wolfgang von Goethe, der im 18. und 19. Jahrhundert mehrere Schriften über die Natur und Gärten verfasste.
Im April und März 2017 wurde der Garten zum Jahr, in dem Essen „Grüne Hauptstadt Europas“ ist, umgestaltet und kam so zu seiner jetzigen Form – so auch das Gartenhaus. Im oberen Zimmer ist das kulturelle Zentrum des Hauses. Das untere Zimmer, das nur durch eine Außentreppe erreichbar ist, ist die Küche.
Bienen und Schmetterlinge bevölkern Garten
Dort wurde in einer noch heute sichtbaren Nische das Gemüse gelagert. „Die dicken Bohnen sind unser Markenzeichen“, erklärt Peter Bankmann. In einer Reihe mit den Bohnen stehen Kohl, Kartoffeln und Hibiskus. Neben Sauerampfer steht eine Esskastanie, der größte Baum des Gartens.
Nur wenige Meter daneben steht eine blühende Artischocke, oberhalb schwirren Bienen umher. Sie sind die nicht die einzigen Insekten, die sich über die Blumenpracht hermachen – es gibt auch Schmetterlinge, wohin man sieht.