African Angels kommen ins Konzerthaus Dortmund

Chor aus Kapstadt

Wenn die African Angels am 26. und 27. Dezember im Konzerthaus Dortmund auftreten, will der Chor der Cape Town Opera zusammenbringen, was eigentlich nie zusammen gehörte – und sich in seinem Programm doch wie durch eine höhere Macht zu einer betörenden Einheit fügt. Wir haben die Sänger in Kapstadt besucht.

Kapstadt/Dortmund

, 24.12.2015, 16:07 Uhr / Lesedauer: 4 min
Busisiwe mit ihren Sängerkollegen Lusindiso Dubula, Lindile Kula und Simphiwe (v.l.)

Busisiwe mit ihren Sängerkollegen Lusindiso Dubula, Lindile Kula und Simphiwe (v.l.)

Um die Geschichte der African Angels, der afrikanischen Engel, zu erzählen, beginnt man am besten in Langa. Im ältesten schwarzen Township Kapstadts liegt die Langa Methodist Church zwischen sandfarbenen Häuserreihen und den bunt bemalten Containern, die als Friseursalon oder Handywerkstatt dienen.

Vor der einfachen Kirche wiegen sich zwei Palmen, die schwere Holztür steht einladend offen. Wohl auch, weil die Luft an diesem Sonntag im Dezember schon um 10 Uhr flirrend warm ist.

Aus voller Kehle

Die Gemeinde im Inneren scheint von der Hitze nichts zu merken, im besten Sonntagsstaat lauscht sie dem Pfarrer. Er spricht an diesem Tag von Hoffnung und Optimismus und dem Vertrauen auf Gott, breitet die Arme aus, als wolle er jeden umarmen. Dann beginnt der Chor zu singen und die Gemeinde stimmt ein. Erst leise, dann immer lauter singen sie, mit Inbrunst und aus voller Kehle.

Auf den Bänken hält es niemanden mehr. Es wird geklatscht, gestampft und getanzt, zur Not auch mitten im Gang. Eben da, wo Gott und der Gesang einen gerade hinträgt. Bis weit in den Mittag hinein werden sie in Langa singen und feiern – so schön und lebendig, wie man es in keiner deutschen Kirche hören kann.

Busisiwe Ngejane singt an diesem Sonntag mit im Chor ihrer Gemeinde, zum Weihnachtsgottesdienst aber wird sie fehlen. Zu dieser Zeit tourt die Sopranistin der Cape Town Opera mit den African Angels durch Deutschland. Seit knapp zwei Jahren ist die 25-Jährige mit den langen Rastazöpfen dabei. Nach dem Gottesdienst lädt sie zu sich nach Hause ein, mit ihrer Familie wohnt sie im Township Gugulethu. Busisiwes Mutter erzählt stolz vom Gesangstalent der beiden Töchter.

Programm mit Charakter 

Die Leidenschaft für Musik liegt hier nicht nur in der Familie, sie ist tief verwurzelt in den Menschen und den Traditionen der unzähligen Volksstämme Südafrikas. Ohne Rhythmus geht nichts – nicht die Arbeit, nicht die Freizeit, keine Hochzeit oder Beerdigung. Die meisten singen schon als Kinder im Kirchen- oder Schulchor. „Wir Südafrikaner leben Musik“, erzählt Busisiwe Ngejane. „Deshalb ist es für uns Sänger etwas so Einzigartiges bei African Angels dabei zu sein. Weil es wie kein anderes Programm unseren Charakter ausdrückt, das wie und was wir sind.“

Was sie damit meint, zeigen die Proben am nächsten Tag. Neben Busisiwe stehen noch 17 weitere Mitglieder des Cape Town Opera Chorus für African Angels auf der Bühne, insgesamt neun Männer und neun Frauen. In dem alten Gemeindehaus im Herzen Kapstadts erfüllt der „Gefangenenchor“ aus Verdis Nabucco den Raum, bevor die Stimmen umschwingen zu Händels epischem Halleluja um zuletzt in Miriam Makebas rhythmisches „Pata Pata“ zu kippen.

Mühelos bringen die Sängerinnen und Sänger ihren Probenraum zum Vibrieren. Sie füllen ihn mit ihren Stimmen bis in den letzten Winkel. Erhabene Gospel folgen auf berühmte Opernarien, dazwischen afrikanische Traditionals – die African Angels singen mit einer Leichtigkeit über Genre-Grenzen hinweg, als wären ihren Stimmen tatsächlich Flügel gewachsen.

Eigenwillig und außergewöhnlich

Dass der Chor sein Programm im alten District Six probt, passt da fast zu gut. Sie, die die Unterdrückung der Apartheid noch als Kinder selbst erlebten, singen heute dort, wo das Regime einst ein ganzes Stadtviertel gewaltsam räumte, um es in ein Wohnviertel für „Weiße“ umzuwidmen.

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Und sie lassen sich weder mit den von Musikdirektor José Dias so fein zusammengewebten Stücken, noch mit ihren außergewöhnlichen Stimmen in eine Schublade sortieren. Dias, der die Angels auch als Pianist begleitet, erklärt das so: „Es gibt keinen Chor der Welt, bei dem die Sänger als Einheit so lebendig und jeder einzelne als Solisten gleichzeitig so eigenwillig, außergewöhnlich und fähig ist“.

Afrikanischer Hip-Hop

Einer dieser Solisten ist Simphiwe Mayeki. Der Sänger mit der tiefen Bass-Stimme lebt im Township Gugulethu, die Nachbarskinder nennen ihn – halb scherzhaft, halb ernst – ihren Pavarotti. Mit seinen Kollegen trifft sich Simphiwe nach den Proben gerne im Kwa Ace Groova Park, einem Grillrestaurant unter freiem Himmel.

Das Fleisch kommt direkt vom Feuer, alles andere wird aus den mitgebrachten Kühlboxen gezaubert. Aus den Boxen der Autos dröhnt afrikanischer Hip-Hop. Diese drängenden Rhythmen der Townships haben die Chorsänger geprägt, die Stimmen von Gospel, Jazz und Hip-Hop sie begleitet.

Chorkleidung statt Fußballschuhe

Die Oper war als europäisches Kulturgut lange nur der weißen Oberschicht vorbehalten. Trotzdem könnte die Begeisterung für Verdi, Wagner oder Mozart bei den Südafrikanern heute kaum größer sein. Schon Schulchöre stimmen regelmäßig die Zauberflöte an. „Ich musste mich zuerst an Oper gewöhnen, weil sie so anders ist als unsere Musik. Ich habe mich gefragt: ‚Was ist das‘?“, erzählt Simphiwe, dem seine Mutter einst Chorkleidung statt Fußballschuhe schenkte. „Und als ich dann wirklich zugehört habe, habe ich etwas entdeckt, das mich tief berührt.“

Berührt hat der Chor der Cape Town Opera auch 2013, als die Mitglieder für ihre Interpretation von George Gershwins Südstaatenoper „Porgy and Bess“ bei den International Opera Awards in London als bester Chor ausgezeichnet wurden. Für die African Angels bringen die Sänger unter anderem ein Medley der besten Stücke ihrer Erfolgsoper auf die Bühne. Daneben wird Donizettis „Don Pasquale“ zu hören sein oder das Champagnerlied aus Strauß‘ „Fledermaus“ – in den Klick-und Schnalzlauten der Xhosa-Sprache.

Dass das Ensemble vom Kap immer auch ein Stück seiner eigenen Geschichte und Kultur in die Inszenierungen bettet, macht einen Teil ihres Erfolgs aus – und die Auftritte so unangestrengt authentisch und lebendig, wie es wohl nur wenigen Chören gelingt.

Anti-Apartheid-Lied

Bei ihren Proben in dem alten Gemeindehaus arbeitet der Chor mit Busisiwe Ngejane und Simphiwe Mayeki am letzten Schliff für seine Auftritte in Deutschland. „Damit wir überraschen können und überzeugen, und etwas in den Leuten bewegen“, sagt Busisiwe Ngejane.

Ein Lied stimmen sie noch an. Es ist „Weeping“, ein Anti-Apartheid-Lied, das Dan Heymann in den 80er-Jahren schrieb. Sie widmen es ihrem südafrikanischen Helden Nelson Mandela. Kristallklar füllen die Stimmen den Raum, verbinden sich wie zu einer einzigen – schnörkellos, eindringlich, schön. Die Engel haben gesungen.

Auftritte in Dortmund
Die African Angels treten am im auf. Tickets gibt es ab 40 Euro.