Viele Fragen, keine Antwort: Lütschens Vorwurf der Einseitigkeit haltlos

Abrechnungsaffäre

Timon Lütschen hält Berichte über die Abrechnungsaffäre im Kreistag für einseitig. Dabei hatte er mehrfach Gelegenheit, Stellung zu beziehen. Und zwar zu diesen Fragen.

von Alexander Heine

Kreis Unna

, 07.12.2021, 05:00 Uhr / Lesedauer: 3 min
Timon Lütschen, Vorsitzender der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Unnaer Kreistag, antwortet auf keinerlei Fragen zur Abrechnungsaffäre im Kreistag, in deren Mittelpunkt er selbst steht.

Timon Lütschen, Vorsitzender der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Unnaer Kreistag, antwortet auf keinerlei Fragen zur Abrechnungsaffäre im Kreistag, in deren Mittelpunkt er selbst steht. © Marcel Drawe / Archiv

So laut es um seine Fraktion in der Abrechnungsaffäre geworden war, so still war Fraktionschef Timon Lütschen (Bündnis 90/Die Grünen) selbst: Kein Wort zur Abrechnungspraxis von Verdienstausfällen im Kreistag – weder in seiner Rolle als Fraktionschef, noch als Hauptfigur mit den höchsten geltend gemachten Verdienstausfällen unter den Kreistagsmitgliedern. Am Montagabend meldete er sich im sozialen Netzwerk Facebook zu Wort. Verbunden mit einer eigenen Rechnung nannte er die Berichterstattung in den Medien einseitig.

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Timon Lütschen hatte mehrfach Gelegenheit, Stellung zu beziehen. Stattdessen verwies er am Mittwoch (1.12.) in einem Telefonat zunächst auf ein Abstimmungsgespräch mit seiner Fraktion, um ein für tags daraus zugesagtes Telefonat per E-Mail abzusagen. Diese Redaktion hat Lütschen daraufhin noch am selben Tag schriftlich mit Rechercheergebnissen konfrontiert. Die Frist für die Beantwortung der Fragen bis Montagmorgen (6.12.) ließ er jedoch ohne jede Reaktion verstreichen.

Timon Lütschen meldete sich am Montagabend im sozialen Netzwerk Facebook zur Abrechnungsaffäre zu Wort - und nannte Medienberichte einseitig, obwohl er selbst es war, der Fragen zur Rolle seiner Fraktion und seiner eigenen unbeantwortet lies.

Timon Lütschen meldete sich am Montagabend im sozialen Netzwerk Facebook zur Abrechnungsaffäre zu Wort - und nannte Medienberichte einseitig, obwohl er selbst es war, der Fragen zur Rolle seiner Fraktion und seiner eigenen unbeantwortet lies. © Alexander Heine

Folgende Fragen richtete die Redaktion an Fraktionschef Timon Lütschen – verbunden mit dem Hinweis auf Erkenntnisse, wonach er in der Zeit von November 2020 bis Oktober 2021 bei einer Kernarbeitszeit von 9 bis 20 Uhr von montags bis samstags insgesamt 14.936,60 Euro an Verdienstausfällen geltend gemacht hat.

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Diese Fragen richtete die Redaktion an Timon Lütschen

  • Entsprechen die zuvor genannten Angaben den Tatsachen?
  • Laut Angabenblatt gemäß §17 Korruptionsbekämpfungsgesetz sind Sie Geschäftsführer der Priogo Dortmund GmbH. Sind darüber hinaus weitere berufliche Tätigkeiten oder ggf. Nebentätigkeiten für die Abrechnung von Verdienstausfällen in Verbindung mit Ihrem Kreistagsmandat relevant?
  • Was genau legen Sie für die Geltendmachung von Verdienstausfällen zu Grunde? Machen Sie jede Stunde geltend, die Ihre angegebene Kernarbeitszeit tangiert – oder rechnen Sie beispielsweise nur Zeiten ab, in denen Sie geplante berufliche Termine (bspw. Kundengespräche o.ä.) nicht wahrnehmen konnten, verschieben bzw. absagen mussten?
  • Wie hoch ist der Stundensatz, den Sie gegenüber der Kreisverwaltung geltend machen und welchen Nachweis erbringen Sie dafür?
  • Die Priogo Dortmund GmbH ist am 28.07.2020 – somit kurz vor der Kommunalwahl am 13. September – in das Handelsregister eingetragen worden. Als Unternehmer waren Sie insofern noch verhältnismäßig jung am Markt, ein regelmäßiges Einkommen als belastbare Berechnungsgrundlage für Verdienstausfälle dürfte insofern noch nicht existent gewesen sein. Gleichwohl haben Sie schon im November 2020 insgesamt 2357,60 Euro an Verdienstausfällen geltend gemacht. Was genau haben Sie bzw. Ihr Steuerberater dieser Abrechnung zu Grunde gelegt?
  • Haben Sie mit Blick auf die Abrechnungsmonate im Jahr 2020 einen Einkommensteuerbescheid nachgereicht bzw. beabsichtigen Sie, dieses zu tun? Wenn Nein: Warum nicht?
  • Die Gründung eines Unternehmens ist für gewöhnlich anspruchsvoll und zeitaufwändig, ein neues Unternehmen muss in der Regel erst am Markt etabliert werden. Trotzdem nehmen Sie sich augenscheinlich viel Zeit für Kommunalpolitik, sind Kreistagsmitglied und dort Fraktionsvorsitzender, gehören zwei Fachausschüssen an, sind darüber hinaus Ratsmitglied in Kamen mit zwei Ausschussvertretungen, Mitglied der Landschaftsversammlung, Mitglied der ZRL-Verbandsversammlung und Mitglied in zwei Gesellschafterversammlungen. Wie sieht Ihr Zeitmanagement aus bzw. wie bringen Sie berufliche und ehrenamtliche Anforderungen in der Politik überein?
  • Wie kann man als Unternehmensgründer einerseits und als Mandatsträger mit so vielfältigen Aufgaben andererseits beides mit der entsprechenden Ernsthaftigkeit ausfüllen?
  • Mit fast 15.000 Euro an Verdienstausfällen binnen zwölf Monaten sind Sie das Kreistagsmitglied mit den höchsten Ansprüchen – und zwar mit deutlichem Abstand. Nutzen Sie die Möglichkeit der Abrechnung des Verdienstausfalls über Ihr Kreistagsmandat möglicherweise dafür, sich als Geschäftsführer eines jungen Unternehmens ein gewisses Grundeinkommen zu sichern?
  • Als Fraktionsvorsitzender haben Sie die Möglichkeit, Einfluss auf die Terminierung von Fraktionssitzungen zu nehmen. Warum haben Sie nicht entsprechend auf eine Ermahnung vonseiten der Kreisverwaltung reagiert und auf Fraktionssitzungen im Vormittags-/Mittagsbereich verzichtet?

Mit seinem Facebook-Post veröffentlichte Timon Lütschen Einnahmen, die er in den ersten drei Quartalen dieses Jahres in Verbindung mit seinem Kreistagsmandat erzielt hat. Demnach betrug die Summe von Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgeldern 13.762,30 Euro, für Verdienstausfälle und Fahrtkosten erhielt er demnach 9381,94 Euro. Auch bei Facebook machte er dagegen keine Angabe zu der Frage, warum seine Fraktion auffallend häufig auffallend früh am Tag tagt und damit gegen die Verpflichtung verstößt, Sitzungen möglichst in die Freizeit zu legen.

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