
© Günther Goldstein
Von Villa zu Villa: Wie das Lüner Museum selbst Geschichte schreibt
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Die Villa Urbahn soll neuer Museumsstandort werden. Schon einmal waren die Lüner Sammlungen hochherrschaftlich untergebracht. Das Gebäude war ebenfalls eine Villa - mit eigener Geschichte.
Der Umzug in die denkmalgeschützte Villa Urbahn im Herzen der City soll dem Museum zu neuem Glanz verhelfen. In dem imposanten Gebäude mit dem besonderen Dach und einem modernen Anbau wird Platz geschaffen für die heimatkundlichen Sammlungen von Lüner Wohn- und Alltagskultur sowie Industrie- und Kulturgeschichte. Allein die Explosion der Baukosten um 630.000 Euro wirft einen Schatten auf das ambitionierte Projekt.
Seit 1983 ist das in den 30er Jahren gegründete Lüner Museum im Wirtschaftsgebäude von Schloss Schwansbell zu finden. Vierzig Jahre später, 2023, soll der Umzug in die Innenstadt sein. 20.000 Exponate, vom Spielzeug bis zu den Eisenöfen, werden dann gut verpackt in das neue Domizil gebracht. Das Museum rückt wieder ins Zentrum. Damit schließt sich fast ein Kreis: Als Ort der Zeitgeschichte hat das Museum seine eigene Historie. Die begann maßgeblich 1966 in einem ebenfalls hochherrschaftlichen Gebäude: der Villa Bäumer an der Cappenberger Straße 54, heute 62.
Villa mit elf Räume auf drei Etagen
Dr. Wingolf Lehnemann, der bis Ende 2018 das Museum 52 Jahre ehrenamtlich geleitet hat, erinnert sich an elf Räume, in denen die in den Nachkriegswirren dezimierten Sammlungen eine erste feste Stätte fanden. Schwere Eisenguss-Exponate wie Öfen sowie Magazine waren im Keller, berichtet er. Im Hochparterre fand sich die geologische und wissenschaftliche Sammlung des Bergmanns Bernhard Falk mit Fundstücken aus der Kreidezeit. Mit der Sammlung des Bergmanns Eduard Lollo, der sich auf alte Gewehre, Keramiken und Rüstungen konzentriert hatte und 1937 das Museum aufbaute, bildete sie das Fundament für den Schatz an Exponaten. In der Villa Bäumer gab es auch einen Vortragssaal. Im Mittelgeschoss war Wohnkultur zu finden. Die obere Etage bewohnte ein Hausmeister. Zur 625-Jahr-Feier der Stadt wurde das Stadtmuseum in der Villa Bäumer eröffnet.
Auch sie hat ihre Geschichte. Nachdem die Stadt Lünen das Haus gekauft hat, war es sechs Jahre lang ein Altenheim. 29 Senioren wurden dort von zwei Schwestern betreut. Gebaut hat die Villa Bäumer 1904 der Sägewerksbesitzer Hugo Bäumer. Zu seiner Verwandtschaft zählt die Lehrerin und Politikerin Gertrud Bäumer, nach der 1989 eine Straße in Lünen benannt worden ist. Zur Verwandtschaft gehört auch Fritz Bäumer, der das gleichnamige Textilhaus Bäumer an der Cappenberger Straße 1 aufgebaut hatte. Die Familie Bäumer geht auf einen evangelischen Geistlichen zurück, der im 18. Jahrhundert nach Lünen kam.
Hugo Bäumer hatte als erster ein Auto
Sägewerkschef Hugo Bäumer jedenfalls, so berichtet Lehnemann in Heft 46 der Information aus dem Museum der Stadt Lünen, war der erste Autobesitzer in Lünen. Dafür hatte er eigens einen Fahrer eingestellt. Das zeigt den Wohlstand des Unternehmers. Doch schon vor dem Ersten Weltkrieg musste er das Sägewerk schließen. Die Villa blieb Wohnhaus, bis er 1938 das große Haus aufgeben musste. Die Unterhaltung war finanziell nicht mehr zu leisten. Für die Villa begann eine Zeit wechselhafter Nutzung. In der NS-Zeit richtete die Nationalsozialistische Wohlfahrt dort ein Jungschwesternhaus ein. 1945 stand sie kurz leer, um dann von Land NRW und später der Stadt Lünen als Altenheim eingerichtet zu werden.
Nachdem das Museum der Stadt Lünen sich in Schwansbell vergrößern konnte, hat das Ehepaar Dr. Siegrid Mehnert-Aner und Dr. Franz Mehnert die Villa Bäumer gekauft. Die beiden richteten dort eine Praxis für Innere Medizin und Nephrologie sowie die erste Dialysestation Lünens mit acht Plätzen ein. Im Dachgeschoss wohnte die Familie Mehnert. 1991 zogen Praxis und Dialysestation in das von dem bekannten Architekten Professor Eckhard Gerber konzipierte Gebäude an der Cappenberger Straße 90, das Jakob-Henle-Haus. Bis heute ist die Villa Bäumer bewohnt.
Lünen ist eine Stadt mit unterschiedlichen Facetten. Nah dran zu sein an den lokalen Themen, ist eine spannende Aufgabe. Obwohl ich schon lange in Lünen arbeite, gibt es immer noch viel zu entdecken.
