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Umbau der Lüner Villa Urbahn wird zum steuerlichen Schreckgespenst
Stadtentwicklung
Der Umbau der ehrwürdigen, denkmalgeschützten Villa Urbahn im Herzen der Lüner City zum Stadtmuseum fliegt Verwaltung und Politik kostenmäßig um die Ohren. Ratlosigkeit macht sich breit.
Es war das beherrschende Thema in der mehrstündigen Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am Donnerstag (9. Dezember) im Erlebnisreich-Campus in Lünen-Wethmar - die millionenschwere Kostenexplosion beim Umbau der Villa Urbahn in der Lüner City zum künftigen Stadtmuseum.
Weinende Museumsleiterin
So wie schon in der Sitzung des Betriebsausschusses des Stadtbetriebs Zentrale Gebäudebewirtschaftung Lünen (ZGL) am Dienstag (7. Dezember), die von Museumsleiterin Dr. Katja Stromberg weinend vorzeitig verlassen wurde, verschlug es dem einen oder anderem Ausschussmitglied am Donnerstag ob der Kostensteigerung „einfach die Sprache“.
So wie der Grünen-Ratsfrau und Fraktionssprecherin Tessa Schächter, die dann doch noch klarstellten konnte:
Grüne: Verschwendung von Steuergeldern
„Das ist eine ganz traurige Situation, weil hier einfach Steuergelder verschwendet werden.“ Dem hatte der komplette Ausschuss fraktionsübergreifend nichts entgegenzusetzen - die Verwaltung auch nicht.
Wie berichtet, wird nach Einschätzung der Verwaltung der Umbau am Ende rund 1,9 Millionen Euro kosten. Ursprünglich stand nach Abzug von Fördergeldern etwa 1 Million Euro im Raum.
Muntere Diskussion
Lünens Kämmerin und Erste Beigeordnete Bettina Brennenstuhl und Dr. Johannes Hofnagel, Vorsitzender der Wählergemeinschaft Gemeinsam für Lünen (GFL), setzten die bereits zwei Tage zuvor im ZGL-Betriebsausschuss geführte Diskussion um Verantwortlichkeiten am Donnerstag im Finanzausschuss leidenschaftlich fort:
Die Einschätzung Brennenstuhls, „dass alle Beteiligten hier eine Art Teilschuld haben“, wollte Hofnagel nicht hören. An diesem Fall müsse genau geprüft werden, was im Stadtkonzern schief gelaufen ist, sagte er. Daneben stellte er die Frage in den Raum, warum es denn kein Projekt- oder Bau-Controlling gebe. Antwort der Kämmerin: „Weil der Umbau kein Projekt ist. Ansonsten müsste es ja auch einen Projektleiter geben.“
Kein städtisches Projekt?
Weder ZGL, noch Stadtwerke Lünen Grundbesitz (SLG) oder Verwaltung hätten final den Hut aufgehabt, sage Lünens Technischer Beigeordneter Arnold Reeker, um dem Ganzen dann noch die Krone aufzusetzen: Es sei auch deshalb kein städtisches Projekt, weil SLG ja Architekturbüros beauftragt hätte. Das sorgte im Ausschuss teilweise nur für Kopfschütteln.
Die SL Grundbesitz GmbH & Co. KG ist eine 100-prozentige Tochter der Stadthafen Lünen GmbH, die wiederum zu 100 Prozent in der Stadtwerke Lünen GmbH aufgeht.
Arbeitskreis geplant
Bevor die Diskussion angesichts der Brisanz der Sache einmal mehr in den nicht-öffentlichen-Teil der Ausschusssitzung verlagert wurde, einigten sich Verwaltung und Politik darauf, einen Arbeitskreis zu gründen, der sich mit der Fehlersuche beschäftigen soll.
Zur Fehlersuche dürfte auch gehören, dass, zur Überraschung der meisten Ausschussmitglieder, schon im Jahr 2019 ein Mietvertrag zwischen der im Stadtkonzern Lünen für Immobilien zuständigen ZGL und dem Eigentümer der Villa, SLG, geschlossen wurde.
Komplexer Mietvertrag
Wie Stadtsprecher Daniel Claeßen am Freitag (10. Dezember) auf Anfrage unserer Redaktion sagte, sei der Mietvertrag tatsächlich aber erst am 21. Dezember 2020 vor dem Notar abgeschlossen worden:
„Für Mietverträge besteht zwar nicht das Formerfordernis der notariellen Beurkundung. Hier war es jedoch aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung des Mietvertrages zweckmäßig, noch eine professionalisierte und juristisch abgesicherte Erstellung des Vertragswerkes zu beauftragen.“
Was es mit der „wirtschaftlichen Bedeutung des Mietvertrages“ auf sich hat, wird angesichts der Kostenexplosion beim Villen-Umbau deutlich:
Denn der Mietvertrag wurde auf Basis der damals zugrunde gelegten Baukosten geschlossen - und genau hier liegt nun das Problem.
Risiko Grundstücksverkäufe
Auf die Frage unserer Redaktion, ob die Miete analog zu den Baukosten steigt, antwortete Claeßen:
„Wenn der Mieter (ZGL, Anm. d. Red.) Änderungswünsche bezüglich Errichtung und Ausstattung des Museumsgebäudes hat und diese Wünsche zu einer Erhöhung der Baukosten führen, gibt es eine Regelung, dass entweder die erhöhten Baukosten in einem Betrag an SLG zu zahlen sind oder über die Miete umgelegt werden. Dieses Wahlrecht steht SLG zu.“
Für weitere Verwirrung im Haupt- und Finanzausschuss sorgte die Äußerung von Kämmerin Brennenstuhl, dass an den Mietvertrag ja auch noch Grundstücksverkäufe gekoppelt seien, die ein „Risiko“ darstellten. Auch damit wollte sich man dann hinter verschlossenen Türen beschäftigen.
Millionenschwerer Baukostenzuschuss
Auf Nachfrage unserer Redaktion erklärte Stadtsprecher Daniel Claeßen am Freitag:
„In dem Mietvertrag ist geregelt, dass ein Baukostenzuschuss von 1,35 Millionen Euro von ZGL an SLG zu leisten ist. Der Zuschuss ist spätestens zum Zeitpunkt der ersten Mietzahlung, also am 1. Juli 2023, fällig. Der Baukostenzuschuss ist aus dem Grundstücksverkauf von der Stadt an ZGL zu leisten.“ Von da soll das Geld dann an den Vermieter der Villa, nämlich SLG, fließen.
SLG: Bauen wie geplant
Am Ende der nebulösen Kostendebatte meldete sich dann noch ein SLG-Vertreter zu Wort, wonach es ja eine Baubeschreibung gebe:
Zur Verwunderung des Ausschusses stellte er klar: „Es gibt die Option, das Museum so wie in der Baubeschreibung zu bauen.“
Spätestens jetzt verschlug es dem einen oder anderen Ausschussmitglied tatsächlich die Sprache.
Jahrgang 1968, in Dortmund geboren, Diplom-Ökonom. Seit 1997 für Lensing Media unterwegs. Er mag es, den Dingen auf den Grund zu gehen.
