
Dr. Katharina Lindpere ist Oberärztin in Teilzeit. Sie hat ihre Arbeitszeit am St, Marien Hospital Lünen nach der Geburt der zweiten Tochter reduziert, will aber bald wieder aufstocken. © Lindpere
Trend zur Teilzeit am Klinikum Lünen-Werne: Gründe sind vielfältig
Krankenhaus
Von den 2482 Beschäftigten im Klinikum Lünen-Werne arbeiten nicht alle in Vollzeit. 43 Prozent haben Stunden reduziert. Viele reagieren auf Überlastung, andere wollen verlässlich freie Zeit.
Rund um die Uhr werden Patienten im Klinikum Lünen-Werne versorgt. Ein Arbeitsalltag, der auch an Wochenenden und Feiertagen im dazugehörenden St.-Marien-Hospital Lünen und dem St.-Christophorus-Krankenhaus Werne in drei Schichten verläuft. Mitunter müssen Beschäftigte an freien Tagen ran, immer dann, wenn Personal auf den Stationen ausgefallen ist.
Manchen ist auf Dauer das Pensum aus körperlicher Anstrengung, Zeitdruck und Schichtdienst zu hoch. Sie reduzieren ihre Arbeitszeit. Andere treten beruflich kürzer, um mehr Zeit für die Familie oder soziale Kontakte und Hobbys zu haben. Doch auch das zunehmend gesellschaftlich relevante Thema Work-Life-Balance spielt eine Rolle: „Manche Berufsanfänger starten nach der Ausbildung erst nach einigen Sabbat-Monaten in den Beruf“, schildert Andrea Wibberg, Personalchefin am Klinikum Lünen-Werne.
In den 337 NRW-Krankenhäusern hat 2020 nahezu die Hälfte des nichtärztlichen Personals in Teilzeit gearbeitet. Das teilt Information und Technik Nordrhein-Westfalen als Statistisches Landesamt mit. Im Klinikum Lünen-Werne sieht es genauso aus. „Wir erleben Mitarbeiter, die lieber weniger arbeiten, wenn die Belastung zu groß wird“, weiß Markus Lingenauber, Vorsitzender der Mitarbeitervertretung. Der Wunsch nach individuelleren Arbeitszeiten wird im Klinikum unterstützt: „Wir haben über 300 verschiedene Arbeitszeitmodelle“, sagt Andrea Wibberg. Man versuche, den Mitarbeitenden möglichst viel frei zu geben, damit sie sich erholen können. Doch Belastung sei nicht der Hauptgrund für ein Kürzertreten im Beruf. Oft wollen Beschäftigte in dem weiblich dominierten Arbeitsbereich auch mehr Zeit für die Familie.
22 Prozent der Ärzte in Teilzeit
Eine Spitzenstellung nimmt mit 57 Prozent Teilzeitbeschäftigten der medizinisch technische Dienst ein. Das sind Kräfte in der Radiologie oder im Labor. Auch im sogenannten Funktionsdienst, also in der Zentralen Aufnahme oder der Endoskopie, haben 51 Prozent der Mitarbeitenden ihre Arbeit reduziert. In der Verwaltung sind es knapp 40 Prozent und bei den Ärztinnen und Ärzten 22 Prozent. Sie nutzen gerne die 90-Prozent-Regelung und haben dadurch 24 Tage im Jahr verlässlich frei.
Das hat auch Dr. Katharina Lindpere, Oberärztin in der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin des St.-Marien-Hospitals, getan. Bis 2017 ihre Tochter zur Welt kam. Nach einem halben Jahr stieg sie mit 25 Prozent wieder ein und stockte später auf 60 Prozent auf. Nach der Geburt der zweiten Tochter 2020 startete sie wieder mit 25 Prozent, arbeitet aktuell 40 Prozent und will im Sommer auf 60 Prozent erhöhen.

Am St. Marien Hospital Lünen, das zum Klinikum Lünen-Werne gehört, gibt es 300 verschiedene Arbeitszeitmodelle. © Fröhling (A)
Weniger Arbeitszeit für die Familie
Ihre Karriere hat nicht gelitten. Im Gegenteil. Promoviert hat sie in Elternzeit. Vor sechs Jahren wurde die 39-Jährige Funktionsoberärztin, inzwischen ist sie Oberärztin in Teilzeit. Dabei arbeitet sie volle Tage im Krankenhaus und hat die restlichen komplett frei. „Da muss ich nicht um 12 Uhr nach Hause, wenn gerade ein Notfall kommt.“ Das könne sie gut handhaben, ihr Chef sei sehr entgegenkommend.
Auch Markus Lingenauber hat seinerzeit nach 18 Jahren auf der Intensivstation seine Arbeitszeit zurückgefahren. Es sei eine bewusste Entscheidung gewesen. Durch Nacht- und Spätdienste habe er zwei Wochen im Monat kein Privatleben gehabt. Um soziale Kontakte zu pflegen und Auftritte als Musiker organisieren zu können, hatte er auf 75 Prozent reduziert.
Arbeitgeber muss attraktiv sein
In Zeiten des Fachkräftemangels ist es für Krankenhäuser wichtig, attraktiv zu sein, so Lingenauber. Junge Leute schauten auf die Arbeitsbedingungen. Daher sei auch für die Interessenvertretung wichtig, gemeinsam mit dem Arbeitgeber zu überlegen, was nötig ist. Katharina Lindpere sagt ganz klar: „Ich hätte mir etwas anderes gesucht, wenn Teilzeit hier nicht möglich gewesen wäre.“ Einen Vorteil sehen Personalchefin und Mitarbeitervertretung in dem größeren Zusammenschluss zur Katholischen St.-Paulus-Gesellschaft mit 12 Krankenhäusern, vier Altenheimen und einer Jugendhilfe-Einrichtung. Dadurch ergebe sich ein größeres Portfolio an Modellen, Karriereangeboten und Qualifikationsmöglichkeiten. Eines gibt es am Klinikum Lünen-Werne aber auch: Beschäftigte, die während der Rente aufstocken und noch in Teilzeit aktiv bleiben.
Lünen ist eine Stadt mit unterschiedlichen Facetten. Nah dran zu sein an den lokalen Themen, ist eine spannende Aufgabe. Obwohl ich schon lange in Lünen arbeite, gibt es immer noch viel zu entdecken.
