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Tierärztin Barbara Seibert: Wölfe haben große Angst vor Menschen
Schutzmaßnahmen für Schafe
Wölfe faszinieren Dr. Barbara Seibert seit ihrer Kindheit. Jetzt hat man einen Wolf unweit von Lünen und Selm gesichtet. Angst braucht man nicht zu haben, sagt die Tierärztin.
Der Wolf hat ein schlechtes Image - das liegt an Horrormeldungen in den Medien. Aber ebenso an Grimms Märchen. Schon als Kind hört man, dass der „böse Wolf“ das Rotkäppchen und die sieben Geißlein fressen will. Und in der katholischen Kirche war der Wolf ein Symbol für den Teufel.
Nun wurde ein Wolf in Herbern gesichtet, nur ein paar Kilometer entfernt von Lünen und Selm. Ein Handy-Video, das ein Anlieger gedreht hat, zeigt einen jungen Wolf, der südlich von Herbern unterwegs ist. „Wahrscheinlich ein junger Wolf auf der Durchreise“, vermutet Dr. Barbara Seibert.
Fasziniert von den Wölfen
Die erfahrende Tierärztin ist seit Kindertagen von Wölfen fasziniert, war auch schon in vielen Ländern unterwegs, um Wölfe in freier Wildbahn zu sehen. Das hat leider nicht geklappt. Aber sie ist in der Gesellschaft zum Schutz des Wolfes engagiert und weiß viel über die faszinierenden Tiere.

Ein Aufkleber mit der Aufschrift „Pro Wolf“. Damit auch Schafhalter keine Angst vor den Tieren haben müssen, rät Dr. Seibert zu Schutzhunden und Elektrozäunen. © picture alliance/dpa
Den Menschen möchte sie die Angst vor Wölfen nehmen. „Es braucht sich niemand Sorgen zu machen, dass sich bei uns ein Rudel ansiedeln wird. Dafür bräuchten die Wölfe ein Gelände mit einer Größe zwischen 250 und 500 Quadratkilometern.“ Der ganze Kreis Unna hätte die erforderliche Größe, aber da der Kreis komplett besiedelt ist, wäre er gar nicht für ein Wolfsrudel geeignet - „hier würden die Tiere alle überfahren werden.“
Platz für ein Rudel in Schermbeck
Platz für ein Rudel gebe es vielleicht in der Gegend um Schermbeck, wo es Heidefläche, Wald und offene Areale gibt. Dass sich jetzt in Herbern wieder ein Wolf gezeigt hat, wo es ja die frühere Gaststätte „Zum letzten Wolf“ gibt, passt zu den Routen, auf denen die Wölfe unterwegs sind und bei denen es sich um jahrhundertealte Wanderwege der Tiere handelt. Vor ein paar Jahren hat eine Wildkamera an der Südkirchener Straße auch einen Wolf aufgenommen.
„Bei uns sind Tiere der baltischen Tieflandpopulation unterwegs, die vom Osten in Richtung Nordwesten ziehen. Nördlich von uns ist das Durchzugsgebiet", so Barbara Seibert. Ein Wolf ist sogar in Antwerpen gesehen worden. Wölfe, die in Bayern gesichtet werden, stammen von der italienischen Population und Tiere im Westerland aus französischen Rudeln.
Sind Elektrozäune die Lösung für Schäfer?
Auch wenn die Tierärztin Wölfe sehr mag, versteht sie auch die Schäfer, die wütend sind, wenn Wölfe ihre Schafe reißen. „Allerdings sind die Schafe oder andere Weidetiere in 90 Prozent der Wolfsübergriffe nicht richtig geschützt.“ Es gebe zwei Möglichkeiten, die Schafe vor Wölfen zu schützen - einmal einen Elektrozaun und dann besondere Hütehunde.
„Man muss dafür sorgen, dass der Wolf rechtzeitig die Erfahrung macht, dass er einen Stromschlag bekommt, wenn er sich den Schafen nähert.“ Schaf bedeutet dann für das Tier Schmerz und er macht um die Herden einen großen Bogen, so Barbara Seibert. Ärgerlich sei, dass in NRW solche Prophylaxe-Schutzmaßnahmen erst bezahlt werden, wenn Wölfe stationär in der Gegend angesiedelt sind. Das hilft aber bei durchziehenden Tieren nicht.
Die Organisation Wikiwolves hilft Schafbesitzern deutschlandweit. Freiwillige Helfer kommen und helfen beim Aufbau des Zauns: „Sie machen das gerne, schnell und umsichtig.“ Man dürfe die Tierhalter nicht alleinlassen. Allerdings könne man nicht überall Zäune setzen, aber Herdenschutzhunde funktionieren immer als Schutz.
Schutzhunde machen Sinn
Hilfreich seien Schutzhunde wie Kangas oder Pyrenäenberghunde. „Die Kangas haben viele Menschen gekauft und nun landen sie in Tierheimen, weil die Besitzer nicht mit ihnen klarkommen“, bedauert die Tierärztin. Diese Herdenschutzhunde sind Freunde der Schafe, wachsen auch mit den Schafen auf. „Man muss immer mehrere Hunde halten, einen, der direkt bei den Schafen ist und einen, der von hinten die Herde absichert, weil die Wölfe im Rudel die Schafe einkreisen.“ Das sei natürlich ziemlich teuer für die Schafbesitzer. Bei der Gesellschaft für den Schutz der Wölfe gibt es auch Patenschaften für 120 Euro im Jahr, die die Schafhalter beim Stemmen der Kosten unterstützen soll.
Wenn Spaziergänger nun in unserer Region doch einmal einem Wolf in freier Natur begegnen, rät Barbara Seibert: „Wölfe haben unglaubliche Angst vor Menschen." Allerdings nicht vor Geräten wie Autos oder Treckern. Auch wenn ein Reiter auf dem Pferd unterwegs ist, zeigen die Wölfe keine Angst, bis der Reiter vom Pferd steigt. „Man sollte sich groß machen, den Wolf anbrüllen, schreien und kreischen, dann verschwindet er.“ Und damit behält der Wolf seine Angst vor dem Menschen. „In der Lüneburger Heide hat man vor einigen Jahren einen Wolf regelrecht angelockt, gefüttert und fast gezähmt. Das ist gar nicht gut.“

Der Wolf hat leider einen schlechten Ruf, das liegt auch an Märchen der Gebrüder Grimm. © picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild
Hundehalter sollten als erstes ihr Tier an die Leine nehmen. „Der Hund ist für den Wolf keine Beute, sondern ein Konkurrent und der muss erstmal beseitigt werden, meint der Wolf.“
Verzweiflung
Das so genannte „Entnehmen“, ein vornehmer Ausdruck für Erschießen, sei völlig sinnlos. „Wenn die Elterntiere getötet werden, dann werden die Welpen zu absoluten Anarchisten.“ Das hat sie in Estland beobachtet. Dort waren die Elterntiere erschossen worden und die Welpen haben aus Verzweiflung tatsächlich Hunde gefressen. „Es helfen wirklich nur effektive Herdenschutzmaßnahmen, wenn man Schafe schützen will.“
Das beherzigt übrigens auch die Tierärztin selbst, die auch Schafe hält. Sie war auch an dem Ort, an dem vor kurzem der Wolf gesichtet wurde. „Leider habe ich ihn nicht gesehen.“ Denn einmal einen Wolf in freier Wildbahn zu erleben, bleibt ein großer Traum von ihr.
Beate Rottgardt, 1963 in Frankfurt am Main geboren, ist seit 1972 Lünerin. Nach dem Volontariat wurde sie 1987 Redakteurin in Lünen. Schule, Senioren, Kultur sind die Themen, die ihr am Herzen liegen. Genauso wie Begegnungen mit Menschen.
