Lena (l.) und Christian Schneider freuen sich, dass sie Oksana (2.v.l.) und ihrer Tochter Viktoria, die aus Kiew geflüchtet sind, ein Zuhause bieten können.

© Günther Goldstein

Lüner Familie Schneider nimmt Mutter und Tochter aus Kiew bei sich auf

rnGeflüchtete aufgenommen

Die Bilder aus der Ukraine gehen Lena Schneider nicht aus dem Kopf. Mit ihrer Familie überlegte die Lünerin, wie sie helfen könnte. Jetzt gibt sie zwei Ukrainerinnen ein Zuhause auf Zeit.

Lünen

, 22.03.2022, 05:30 Uhr / Lesedauer: 3 min

Als die ersten Meldungen über Flüchtlinge aus der Ukraine kamen und dann die Bilder von Frauen und Kindern, die ihre Heimat verlassen mussten, aus Angst vor russischen Angriffen, stand für Lena Schneider fest, dass sie auch helfen will.

Die Lünerin, selbst Mutter von zwei Kindern, überlegte mit ihrem Mann Christian, Sohn Justus (12) und Tochter Klara (9), was die Familie tun könnte. „Wir wohnen in einem Reihenendhaus und dachten erst, dass wir gar keinen Platz haben, auch weil es nur ein Badezimmer gibt“, erinnert sich Lena Schneider. Sie war eigentlich schon früh entschlossen, zu helfen, „aber ich wollte meine Familie nicht überreden.“ Doch dann stimmten Christian Schneider und die Kinder ihr zu. „In Massenunterkünften teilen sich viel mehr Menschen ein Bad, das werden wir doch hinbekommen, uns zu arrangieren.“

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So meldete sich die Familie bei der Stadt Lünen und auch beim Verein Akuthilfe in Werne. „Dort hatte sich meine Schwester registrieren lassen, deshalb kannte ich den Verein.“ Die Lüner mussten angeben, wie viele Personen sie aufnehmen können, ab welchem Termin und welche Räumlichkeiten zur Verfügung stehen. Die Schneiders entschieden sich, ihren Studioraum für zwei Flüchtlinge vorzubereiten. Eigentlich arbeitet Christian Schneider dort im Home Office. Er ist nun mit seinem Computer ins Wohnzimmer gezogen.

Am Samstag (19.3.) war die Lüner Familie mit Lena Schneiders Vater und dessen Lebensgefährtin in Recklinghausen, im Circus Roncalli - „die Karten waren vor vier Jahren ein Weihnachtsgeschenk, das wir wegen Corona jetzt erst einlösen konnten.“ Als sie aus der Vorstellung kamen, klingelte Lena Schneiders Handy und Cathrin Winter von der Akuthilfe fragte, ob eine Mutter mit ihrer 12-jährigen Tochter am Sonntag zu der Familie kommen kann. Natürlich sagten die Schneiders zu.

Die beiden Schuhe von Viktoria und Oksana hat Lena Schneider in ihren Status in den sozialen Medien gestellt - "Schuhe, die viele Kilometer zurückgelegt haben. Ein ganzes Leben in einem Koffer. Hoffnung auf Frieden. In Sicherheit bei uns."

Die beiden Schuhe von Viktoria und Oksana hat Lena Schneider in ihren Status in den sozialen Medien gestellt - "Schuhe, die viele Kilometer zurückgelegt haben. Ein ganzes Leben in einem Koffer. Hoffnung auf Frieden. In Sicherheit bei uns." © Lena Schneider

Lena Schneider: „Wir waren alle ganz aufgeregt.“ Andere Familien wollten lieber Mütter mit kleineren Kindern oder Kinder, die im Alter zum eigenen Nachwuchs passten. Zu Hause hatten die Schneiders im Studioraum Platz geschaffen, damit Mutter und Tochter ihre Sachen unterbringen konnten. Die Betten wurden bezogen, Handtücher bereit gelegt. „Wir haben überlegt, was wir als kleines Willkommensgeschenk überreichen könnten und uns dann für Tagebücher mit Stiften entschieden. Vielleicht wollen die beiden ja aufschreiben, was sie erlebt haben.“

Ankunft verzögerte sich

Eigentlich sollten Mutter und Tochter am Sonntagmittag bei den Schneiders ankommen. Aber dann dauerte es doch länger. Denn die Reise von Warschau bis Lünen verzögerte sich, zwischendurch hatte die Akuthilfe auch den Kontakt zu Oksana (37) und Viktoria (12) verloren. Am Samstag sind die beiden nach Polen eingereist, am Sonntag dann nach Deutschland. „Wir haben den Tag dann wartend zu Hause verbracht, abends kam dann der Anruf und um 20.30 Uhr waren sie dann bei uns.“

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Oksana spricht ein bisschen Englisch. Für die allererste Verständigung kam ein Mitarbeiter der Akuthilfe als Übersetzer zu der Lüner Familie, allerdings musste er an dem Abend auch noch zu anderen Familien, die Geflüchtete aufgenommen haben. Oksana und Viktoria leben eigentlich in der ukrainischen Hauptstadt Kiew. „Ihr Mann und Vater ist dort geblieben, er will seine Stadt verteidigen.“

Lena und Christian Schneider führten ihre Gäste durchs Haus. „Wir hatten zuerst überlegt, unser Schlafzimmer für sie freizumachen, aber das ist relativ klein. Bei der Führung durchs Haus dachten sie wohl, dass sie dort untergebracht werden. Als die beiden das Studio sahen, sagte Oksana auf Deutsch ,wunderschön`, das war sehr anrührend.“

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Mutter und Tochter waren von der langen Flucht sehr müde. Deshalb hatten Justus und Klara die beiden neuen Mitbewohnerinnen bis Montag noch nicht gesehen. „Erst waren unsere Kinder schon im Bett und am Montag in der Schule.“ Am Sonntagabend war die Begegnung zwischen Gastgebern und Gästen noch „sehr zurückhaltend“, die beiden Ukrainerinnen waren sehr schüchtern, es gab kaum Blickkontakte.

Das erste Lachen nach der Flucht

Das änderte sich schon am Montagmorgen beim gemeinsamen Frühstück. „Wir haben uns mit Hilfe von einem Übersetzungsprogramm im Handy verständigt. Normalerweise liegt das Handy beim Essen nicht am Tisch, diesmal schon.“ Beim Frühstück konnten Mutter und Tochter auch zum ersten Mal wieder lachen. „Sie sind in einem fremden Land bei einer fremden Familie, das ist sicher nicht einfach“, so Lena Schneider.

Viktoria feiert ihren Geburtstag in Lünen

Viktoria wird im April 13 Jahre alt, sie wird ihren Geburtstag in Lünen feiern. „Sie ist im selben Jahr wie Justus geboren.“ Oksana ist ausgebildete Erzieherin, sie würde gerne hier in ihrem Beruf arbeiten. Mutter und Tochter wollen auf jeden Fall in ihre Heimat zurück. „Aber wir haben auch gehört, dass einige Geflüchtete Angst haben, man würde ihnen den Pass wegnehmen und sie könnten nicht mehr zurück.“

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Lena Schneider hat eine Mail an die Stadt geschickt und telefoniert, damit Mutter und Tochter angemeldet werden können. Vielleicht könnte Viktoria auch - wie Justus - die Geschwister-Scholl-Gesamtschule besuchen. Es gebe aber auch die Möglichkeit von Home Schooling für die Zwölfjährige. Mutter und Tochter hatten nur einen Trolly mit ein paar Sachen dabei. Deshalb wird Lena Schneider mit ihnen nach Bergkamen zu einem Lager der Akuthilfe fahren, wo es Sachspenden für die Geflüchteten gibt.