Grubenunglück 1968 in Lünen 17 Bergleute sterben nach Explosion auf der Zeche

Grubenunglück vor 55 Jahren in Lünen: 17 Bergleute sterben nach Explosion
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Der Anlass, der den NRW-Ministerpräsidenten nach Brambauer führte, war ein trauriger. Heinz Kühn (SPD) wollte sich über den Stand der Rettungsarbeiten nach dem schweren Grubenunglück informieren. Denn am 4. Oktober 1968, es war ein Freitag, hatte gegen 5 Uhr morgens eine Explosion in circa 800 Meter Tiefe (die Bergleute sagen Teufe) das Bergwerk erschüttert.

Die Katastrophe ereignete sich im Flöz „Ida“, in der 5. westlichen Abteilung der Schachtanlage 1/2 des Bergwerks. „Die sofort eingeleiteten Rettungsarbeiten der Grubenwehr Minister Achenbach sowie der Grubenwehren aller benachbarten Schachtanlagen zogen sich bis zum Morgen des 6. Oktobers hin. In ihrem Verlauf konnten 15 Bergleute nur tot geborgen werden. Zwei noch lebend geborgene Hauer verstarben an ihren Verletzungen am 5. Oktober und am 7. Oktober“, heißt es in dem Buch „Die Zeche Minister Achenbach“ von Wolfgang Schubert (Herausgeber Friedhelm Wessel). Das jüngste Opfer war erst 27 Jahre alt.

Einer, der am Einsatz vor 50 Jahren beteiligt war, ist Theodor Schröder. Der Lüner hatte, wie so viele andere, mit 14 Jahren als Berglehrling angefangen. 1954 war das. Schröder brachte es bis zum stellvertretenden Obersteiger. Er gehörte der Grubenwehr der Zeche Victoria an. „1964 wurde die Grubenwehr wegen der Stilllegung von Victoria aufgelöst und der Grubenwehr der Dortmunder Zeche Gneisenau zugeordnet“, berichtet Schröder.

NRW-Ministerpräsident Heinz Kühn (l.) wird über das Ausmaß des Grubenunglücks informiert. Er ließ sich am Unglückstag mit dem Hubschrauber nach Brambauer fliegen.
NRW-Ministerpräsident Heinz Kühn (l.) wird über das Ausmaß des Grubenunglücks informiert. Er ließ sich am Unglückstag mit dem Hubschrauber nach Brambauer fliegen. © Stadtarchiv Lünen

„Erschreckender, bleibender Eindruck“

Vier Jahre später wird die Grubenwehr nach Brambauer gerufen. Die Aufgabe von Truppführer Schröder und seinen Männern: Bergung der Opfer. „Wir gingen mit einem Trupp von fünf Leuten, alle mit Atemschutzgeräten, hinein und trugen jeweils zwei Tote hinaus“, erinnert sich Schröder. Für ihn ist es das erste Mal, dass er tote Kameraden bergen muss.

„Die Menschen hatten aschfahle Gesichter, manche leicht gelblich“, erzählt er. Schröder sagt, dass die meisten Opfer der Explosion erstickt sind. „So eine Explosion zieht den vorhandenen Sauerstoff weg. Hinzu kommen die giftigen Gase, die sich entwickeln.“ Schröder spricht von einem „erschreckenden, bleibenden Eindruck“ nach dem Bergungseinsatz. Am Tag des Unglücks lässt sich Ministerpräsident Heinz Kühn gegen Mittag mit dem Hubschrauber nach Brambauer fliegen. Die Werksleitung informiert ihn über den Stand der Dinge. Es sind traurige Nachrichten, die der Politiker hört.

Theodor Schröder besitzt viele Bücher über den Bergbau. Als Truppführer der Grubenwehr hatte er vor 50 Jahren die traurige Augabe, tote Kameraden zu bergen.
Theodor Schröder besitzt viele Bücher über den Bergbau. Als Truppführer der Grubenwehr hatte er vor 50 Jahren die traurige Augabe, tote Kameraden zu bergen. © Peter Fiedler (Archiv)

Fünf Tage später, am 9. Oktober, findet die Trauerfeier in der Realschule Brambauer statt. Im Buch über die Geschichte des Bergwerks heißt es dazu: „Am Tag der Beisetzung waren trotz strömenden Regens hunderte Vertreter von Knappenvereinen aus ganz Deutschland nach Brambauer gekommen. Die Landesregierung von NRW war durch den damaligen Arbeitsminister Werner Figgen vertreten, die IG Bergbau schickte ihren Vorsitzenden Walter Arendt (...) Mehrere tausend Bergleute von Minister Achenbach, aber auch anderen Zechen, waren ebenfalls nach Brambauer gekommen, um den Kameraden das letzte Geleit zu geben. Über Lautsprecher wurde die Trauerfeier aus der Aula der Realschule Brambauer in die hoffnungslos überfüllten Klassenräume und auf die Straße übertragen. Sämtliche Geschäfte in Brambauer waren an diesem Tag geschlossen.“

In die Heimat nach Italien überführt

Von den 17 Todesopfern waren 16 verheiratet. Sie hinterließen 24 minderjährige Kinder, heißt es im Buch. Die Internetseite zur Geschichte des Bergwerks berichtet von 23 Minderjährigen. 12 Bergleute fanden ihre letzte Ruhestätte in einem Gemeinschaftsgrab auf dem Friedhof in Brambauer, vier in Familiengräbern. Ein italienischer Bergmann wurde in seine Heimat überführt.

Die Unglücksursache habe nicht zweifelsfrei geklärt werden können. „Dennoch galt es als fast sicher, dass unvorhersehbar große Mengen an Methan durch Funken von gegeneinanderschlagenden geraubten Grubenstempeln gezündet wurden und damit dieses große Unglück auslösten“. Mit diesem Satz endet der Bericht im Buch zur Katastrophe von 1968.

Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel erschien erstmals am 2. Oktober 2018 auf unserer Homepage.

  • 7. April 1906, Schlagwetter-Explosion, 2 Tote
  • 18. Dezember 1912: Schlagwetter-Explosion, 49 Tote
  • 30. Januar 1914: Schlagwetter-Explosion, 24 Tote
  • 15. Oktober 1917: Schlagwetter-Explosion, 17 Tote
  • 28. März 1923: Schlagwetter-Explosion, 5 Tote, 4 Vermisste
  • 28. Juni 1947: Schlagwetter-Explosion und Grubenbrand, 10 Tote
  • 10. Oktober 1982: Streb-Streckenbruch, 3 Tote

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