Die Stadtwerke Lünen (SWL) stehen vor einer großen Herausforderung. Bis Ende 2027 muss ein Wärmeplan für die Lippestadt stehen. Das Fernwärmenetz, das dank dem Biogas-Blockheizkraftwerk derzeit zu ungefähr einem Drittel mit erneuerbaren Energien betrieben wird, soll nachhaltiger und grüner werden. Bis 2030 soll die Fernwärme zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden.
Ideen dafür gibt es viele. „Integraler Bestandteil der laufenden Transformationsplanung ist die Identifikation und Bewertung aller möglichen regenerativen Wärmequellen in Lünen. Dazu zählen neben industrieller Abwärme auch Umweltwärme, Solarthermie oder Biomasse“, sagt SWL-Pressesprecherin Jasmin Teuteberg. Zur Umweltwärme beziehungsweise Geothermie gehört auch Grubenwasser von stillgelegten Zechen.
Grubenwasser für Fernwärme
Grubenwasser ist nichts anderes als Regenwasser, das durch Risse und Spalten in die tiefliegenden Teile eines Bergwerks eindringt und dabei Salze aus dem Gestein löst - auch jetzt noch, obwohl die Bergwerke längst ihren Betrieb eingestellt haben. Um zu verhindern, dass das salzige Wasser aus mehr als 1000 Meter Tiefe in die trinkwasserführenden Schichten eindringt und das Ruhrgebiet in eine Seenplatte verwandelt, lässt die RAG-Stiftung es abpumpen, nicht nur heute und morgen. Die Pumpen müssen immer laufen: eine Ewigkeitslast des Bergbaus. Neuerdings aber auch eine erneuerbare Energiequelle.
Dieses bis zu 30 Grad warme Grubenwasser zu nutzen, ist im Ruhrgebiet also eine naheliegende Möglichkeit, um die Wärmenetze nachhaltiger zu gestalten. Die Stadtwerke Bochum machen es vor und werden dahingehend von der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG beraten. IEG-Sprecher Kosta Schinarakis sagt: „Prinzipiell weist Grubenwasser im Ruhrgebiet ein hohes Potential auf, seinen Beitrag zur nachhaltigen Wärmeversorgung zu leisten. Sei es als Wärmequelle oder saisonaler Speicher.“
Als Beispiel nennt er MARK 51°7, ein zukunftsweisendes Gewerbegebiet auf der ehemaligen Opelwerksfläche in Bochum, mit eigenem Wärme- und Kältenetz. Für das 70 Hektar große Areal werde eine Zeche auf 800 Meter Tiefe erschlossen, sagt Schinarakis.
Studien geben Aufschluss
In der „Potenzialstudie Warmes Grubenwasser“ des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) des Landes NRW von 2018 steht: „Als Ergebnis bleibt festzuhalten, dass signifikante Potenziale des warmen Grubenwassers ehemaliger und noch in Betrieb befindlicher Bergbauinfrastruktur zur Versorgung von größeren Siedlungsgebieten in NRW, insbesondere im Ruhrgebiet, existieren.“
Hermann-Josef Wagner, ehemaliger Professor der Ruhr-Universität Bochum, nahm sich mit einem Projekt weiterer Forschung an. 2020 wurde ein Abschlussbericht veröffentlicht. In der zugehörigen Pressemitteilung heißt es, in Bochum, Kamen-Bergkamen und Essen würden alle Bedingungen stimmen, um mit Wasser aus der Tiefe zu heizen: „Die Temperatur des Grubenwassers reicht für viele Gebäude in Gewerbegebieten aus, zum Beispiel Lager.“
Realistisch könnten wegen der Wassertemperaturen aber nur Gebäude in einem Umkreis von fünf Kilometern versorgt werden. Je nach Gebäudeart müsste das Wasser, das mit einer Temperatur von 20 bis 30 Grad aus der Erde kommt, noch zusätzlich mit einer Wärmepumpe erhitzt werden.

GSW geht es an
Bei den Versorgern im Kreis Unna sind die Blicke auf die Zeche Haus Aden in Bergkamen gerichtet. Die Gemeinschaftsstadtwerke (GSW) für Kamen, Bergkamen und Bönen haben sich dem bereits angenommen und wollen die auf dem früheren Zechengelände entstehende Wasserstadt in der Zukunft unter anderem mit dem Grubenwasser beheizen. Ebenfalls in Kooperation mit dem Fraunhofer IEG.
Schinarakis sagt: „Die Machbarkeit eines Wärmekonzeptes und die Einbindung hängt von sehr vielen Gegebenheiten vor Ort ab. Diese zu prüfen benötigt mehrere Monate. Die Zusammenarbeit mit den GSW ist auf ein Jahr angelegt, in dem aktuelle Daten zusammengetragen werden.“

Das sagt ein Experte
Nun stellt sich für Fernwärme-Interessierte in Lünen und die SWL die Frage, ob Grubenwasser in irgendeiner Form auch Teile der Lippestadt beheizen könnte. Kevin Mannke, der beim Fraunhofer IEG für die Bergbaufolgenutzung zuständig ist und auch das Projekt mit der GSW begleitet, sagt: „Der Unterschied zwischen der Zeche Haus Aden und den Zechen in Lünen liegt darin, dass in Bergkamen einer der sechs Wasserhaltungsstandorte des Grubenwasserkonzepts der RAG im Ruhrgebiet verortet ist. Somit ist die Erschließung des Grubenwassers deutlich direkter möglich.“
Das schließe eine Grubenwassernutzung für Lünen nicht aus, eine Einordnung würde allerdings umfassende Studien benötigen. Wie das Energiepotenzial der Zeche verteilt werde, bleibe schlussendlich den Betreibern der Wärmenetze überlassen. In der LANUV-Studie ist das räumliche Potential der Zeche Haus Aden dargestellt. Die Lüner Stadtteile Niederaden, Wethmar und Horstmar sind darin zum Teil als Einzugsgebiet markiert.
Mannke erklärt aber, warum es sich für Lünen schwieriger gestalten könnte, das Grubenwasser zu nutzen: „Für die Versorgung von Bergkamen macht es insofern Sinn, weil man nicht den Kanal und die Lippe überqueren müsste. Das ist kein Ausschlusskriterium, macht es aber schwieriger.“
RAG gibt klare Absage
Christof Beike, Pressesprecher der RAG, erteilt den Gedankenspielen hingegen eine klare Absage: „In Lünen gibt es aktuell und zukünftig keine Wasserhaltungen und damit auch kein Grubenwasser, das dort ankommt.“
Derzeit werde laut dem RAG-Sprecher eine Machbarkeitsstudie für alle Grubenwasserstandorte zur thermischen Nutzung des Wassers erstellt. In einem späteren Schritt werde dann überlegt, wie mit älteren Schächten umgegangen wird, um eventuell auch dort die Wärme des Wassers zu nutzen. Das bleibt aber erstmal noch Zukunftsmusik.
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