
Philip Michael, Oberbrandmeister der Freiwilligen Feuerwehr in Lünen, erlebte die Flutkatastrophe in Eschweiler mit. Das Land NRW hat ihn und seine Kollegen jetzt ausgezeichnet. © Jonas Späth
Flutkatastrophe hinterlässt Spuren: „Wird es wieder so wie letztes Mal?“
Feuerwehr
Schreckliches ereignete sich im Juli 2021, als die Flutkatastrophe Teile Nordrhein-Westfalens fest im Griff hatte. Feuerwehrleute aus Lünen blicken bei einer besonderen Verleihung zurück.
Es war Freitag, der 16. Juli 2021 um 22 Uhr, als die Freiwillige Feuerwehr Lünen alarmiert wurde. Was sie bei ihrem Einsatz erwartete, konnte sie da noch nicht ahnen. Im Anschluss ging alles sehr schnell. Über die Kreisleitstelle in Unna sammelten sich die Feuerwehrleute, um sich auf den Weg ins überflutete Eschweiler zu machen.
Gut siebeneinhalb Stunden später trafen die Einsatzwagen vor Ort ein und fanden ein Bild der Verwüstung vor. Gut ein Jahr nach der Flutkatastrophe und nach ihrem Einsatz in dem Gebiet westlich von Düren wurden die Beteiligten vom Land Nordrhein-Westfalen mit einer besonderen Medaille ausgezeichnet.
300 Patienten mussten evakuiert werden
Die Erinnerungen an den Juli vergangenen Jahres sind bei den Lüner Feuerwehrleuten noch extrem präsent. „Als wir nach Eschweiler gefahren sind, war es dunkel. Man hat links und rechts von der Autobahn so ein bisschen die Überschwemmungen wahrgenommen. Am Ortseingang wirkte auch noch alles normal. Und dann fährst du um eine Kurve und das Chaos beginnt“, beschreibt Feuerwehrmann Philip Michael die Anfahrt zur überfluteten Region.
Vor Ort in Eschweiler hatte der ortsansässige Fluss Inde unter anderem das St. Antonius Hospital geflutet, dass mit 300 Patienten evakuiert werden musste. Über 13.000 Menschen und die gesamte Innenstadt waren von den Wassermassen betroffen.
Zwischen Trauer und Gänsehautmomenten
Wo man in der Kleinstadt hinsah, zeigte sich für die Lüner Feuerwehrleute Chaos. „Es gab eine verschüttete Tiefgarage, bei der vier, fünf Autos vor dem Eingang lagen. Keiner wusste es genau, aber es bestand die Vermutung, dass da noch jemand drin sein könnte.“ Es sind Beschreibungen wie diese, die im Gespräch mit Oberbrandmeister Philip Michael und seinen Kollegen, Unterbrandmeister Daniel Magalski sowie Brandinspektor Jörg Möllmann, nur erahnen lassen, was sich alles vor Ort abspielte.
Die Einsatzstelle entschied damals, erst einmal den Eingang der Tiefgarage freizuräumen. Im Anschluss galt es, Personen zu finden, die sich bereit erklären, dort hinein zu gehen. „Nicht jeder Feuerwehrmann oder jede Feuerwehrfrau kann jede Situation problemlos mitmachen“, merkt Philip Michael an. Am Ende stellte sich heraus, dass sich keine Person mehr in der Tiefgarage befand und zumindest an dieser Stelle kein Rettungseinsatz eines Menschen nötig war. Es ist nur einer von vielen dramatischen Momenten, die die Feuerwehrleute aus Lünen bei ihrem Einsatz in Eschweiler erlebte.
In all der Fassungslosigkeit und Trauer fanden sich aber auch mehrere Gänsehautmomente für die Einsatzkräfte. „Wenn Menschen dort von irgendwoher mitten in diesem Chaos eine Suppenküche aus Dankbarkeit aufbauen und uns etwas zu Essen ausgeben, war das schon sehr beeindruckend“, erklärt Magalski. Wohlgemerkt war das alles an einem Tag, denn die Truppe reiste am Abend des 17. Juli 2021 bereits wieder zurück, da aus dem ganzen Land mehr Hilfe kam, als wegen des Chaos Platz vor Ort war.
Leben retten an erster Stelle
Ein Jahr nach der Katastrophe hat das Land Nordrhein-Westfalen nun landesweit 175 Helfer mit der „Feuerwehr- und Katastrophenschutz-Einsatzmedaille“ ausgezeichnet. Eine Auszeichnung, die gar nicht mal so wichtig sei, erklärt Michaels Kollege Daniel Magalski. „Keiner von uns ist in diesen Unwettereinsatz gefahren, um eine Medaille zu bekommen. Für uns Feuerwehrleute geht es darum, zu helfen und für die Menschen da zu sein. Dennoch ist es schön, so eine Anerkennung zu bekommen.“

Daniel Magalski (l.) als Unterbrandmeister und Philip Michael, stellvertretend für zahlreiche weitere Kollegen, waren in Eschweiler im Einsatz. Brandinspektor Jörg Möllmann (r.) blieb auf Abruf in Lünen einsatzbereit. © Jonas Späth
Auf die Frage, welche Eindrücke ein Jahr danach weiter präsent sind, antwortet Philip Michael: „Es wirkt insofern nach, dass man sich bei Regen und Gewitter die Frage stellt, ob es wieder wie beim letzten Mal wird? Es schwingt immer mit, was da jetzt kommt.“
Bei der Verleihung der Medaille Anfang September spricht Dr. Christian Märkert, Leiter der Feuerwehr Lünen, auch die Wetterveränderungen an. „Ich bin der Meinung, der Klimawandel ist existent. In Zukunft wird es für die Feuerwehr eher anspruchsvoller als leichter.“ Genau aus dem Grund ist die Freiwillige Feuerwehr in Lünen - wie alle anderen Feuerwehren auch - auf Nachwuchs angewiesen.
Jugend wird gebraucht
Jörg Möllmann, der als Brandinspektor für die Lüner Feuerwehr agiert, erzählt von einer Ausbildung, die bereits im Kindesalter beginnt. „Wir leisten schon in den Kindergärten Brandschutzerziehung. Wie setze ich einen Notruf ab? Welche Informationen muss ich angeben?“ Dass dies der richtige Weg ist, hat die Feuerwehr schon mehrfach feststellen dürfen.
Mehrere Kinder hätten nachweislich angegeben, den Vorgang in der Brandschutzerziehung der Feuerwehr Lünen erlernt zu haben. „Viele von den Kindern sagen dann: ´Oh, das will ich auch gern machen.´ Dann musst du aber sehen, dass sie dabei bleiben“, merkt Möllmann an. Um Anwärter bei sich zu halten, stellt die Lüner Feuerwehr neuen Mitgliedern einen Mentor zur Seite, der immer als Ansprechpartner dient.
Insbesondere das Ehrenamt hat über die Corona-Zeit gelitten und Mitglieder verloren. Doch was sollte wer mitbringen, der zur Feuerwehr möchte? „Wir sind ein Querschnitt der Gesellschaft. Wir haben unterschiedlichste Typen, jeder bringt seine eigenen Stärken ein. Wichtig ist, dass man Lust auf Kameradschaft und Miteinander hat. Und natürlich am Ende daran, Menschen zu helfen.“ Denn am Ende soll niemand vergebens auf Hilfe warten müssen, wenn sie benötigt wird.
Gebürtiger Hesse, bringt seit Juli 2021 die Handballer-Note ins Fußballverrückte Dortmund. Lange als Freier Mitarbeiter für die Gießener Allgemeine unterwegs, nun Redaktionsassistent im Sport-Team für den Kreis Unna. Nebenbei als Handball-Kommentator beim TuS Ferndorf unterwegs.
