
Die beiden Halbgeschwister Else Dalith und Yacov Levi im Jahr 2010 in Israel, als Gerd Blumberg sie besuchte. © Blumberg
Enkel der Familie Levi kommt aus Israel zur Verlegung der Stolpersteine
Kontakt mit Lüner Familie bis heute
Eran Levi aus Israel geht auf eine besondere Reise - in die Vergangenheit seiner Familie. Er ist dabei, wenn am Montag (13.6.) Stolpersteine in Lünen verlegt werden, die an seine Familie erinnern.
Viele Stolpersteine erinnern in Lünen bereits an jüdische Familien, die den Nazi-Terror des Dritten Reichs nicht überlebt haben oder vor ihm geflohen sind. Am Montag (13. Juni) werden die nächsten Stolpersteine mitten in der Fußgängerzone verlegt. Unter anderem auch für die Familie Levi. Neben dem Künstler Gunter Demnig, der die Stolpersteine initiierte, wird auch ein besonderer Gast dabei sein. Eran Levi (76) ist der Enkel von Paul und Lina Levi, die dort einst ihre Metzgerei führten.

Tzvia und Eran Levi (r.) zusammen mit Gerd und Waltraud Blumberg bei einem Treffen im Jahr 2010. © Blumberg
„Er freut sich sehr, dass Stolpersteine zur Erinnerung an seine Großeltern, seinen Vater Yacov und seine Tante Else Dalith in Lünen verlegt werden“, sagt Gerd Blumberg. Der 79-Jährige stammt aus Lünen, lebt seit vielen Jahren in Münster und hat den Kontakt zur Familie Levi, die in Israel eine neue Heimat fand, nie abreißen lassen.
Am Samstag wird er Eran Levi vom Flughafen abholen und ihn auch während dessen Besuch begleiten. Am Montag ist nicht nur Gerd Blumberg bei der Stolperstein-Verlegung dabei. Auch die beiden Töchter seines älteren Bruders Hanno, Anne (früher Lehrerin in Selm) und Eva Blumberg aus Lünen, die schon oft bei Familie Levi in Israel zu Besuch war, und Blumbergs Schwester aus Mannheim haben zugesagt.
Otto Blumberg begründete Kontakt
Es ist nicht Eran Levis erster Besuch in Lünen. „Er war schon 1992 hier, hat damals meinen Bruder besucht.“ Gerd Blumberg reiste mehrmals nach Israel, das erste Mal als junger Jura-Student in den 60er-Jahren. Den Kontakt zwischen den Familien begründeten sein Vater Otto Blumberg, der von 1926 bis 1961 Direktor des Lüner Amtsgerichts war. „Er war nie in der Partei, deshalb hatten ihn die Amerikaner nach dem Zweiten Weltkrieg wieder als Leiter des Amtsgerichts eingesetzt“, erzählt Gerd Blumberg.
Seine Eltern kauften immer in der Metzgerei Levi an der Lange Straße 49 ein. Dann mussten Paul und Lina Levi im Juli 1937 ihr Geschäft schließen, weil sie jüdischen Glaubens waren. Trotzdem hielten die Familien Blumberg und Levi weiter Kontakt. Im Sommer 1938 brach das jüdische Ehepaar zu einer sogenannten Besichtigungsreise nach Palästina auf. „Doch sie bekamen von den Engländern, die dort damals das Sagen hatten, keine Genehmigung, in Palästina zu bleiben, und deshalb kamen sie zurück nach Deutschland.“
Dann kam die Pogromnacht im November 1938. „Paul und Lina Levi kamen freiwillig ins Gefängnis des Amtsgerichts, weil sie Angst hatten, misshandelt zu werden.“ Eine Woche lang blieben sie dort, zusammen mit 20 weiteren jüdischen Bürgern Lünens, die verhaftet und in „Schutzhaft“ genommen worden waren. Dann sorgte Otto Blumberg dafür, dass sie wieder freikamen.
„Deutschlandweit sind viele jüdische Männer nach der Verhaftung in Konzentrationslager gekommen, aus Lünen kam keiner der Menschen, die im Gefängnis waren, dorthin“, so Blumberg. Erst im August 1940 gelang es Paul und Lina Levi, nach Wien zu fliehen und von dort aus mit dem Schiff über die Donau ans Schwarze Meer zu gelangen. Mit einem anderen Schiff ging es dann nach Haifa. Dort wollten die Engländer etwa 1000 Juden auf dem Schiff „Patria“ auf die afrikanische Insel Madagaskar abschieben.

Yacov Levi vor seiner Wohnung in Tel Aviv. Gerne wäre er noch mal nach Lünen gekommen, doch dann starb er nach schwerer Krankheit 2012. © Blumberg
Blumberg: „Eine jüdische Untergrundorganisation wollte das verhindern und zündete an Bord eine Bombe.“ Viele Menschen starben, die Levis überlebten zum Glück und gingen an Land. Nach einem halben Jahr in einem Internierungslager wurden sie im Sommer 1941 entlassen und konnten sich endlich etwas Neues aufbauen.
Paul Levi starb schon 1950. Seine Frau kämpfte um Wiedergutmachung der Bundesrepublik und bekam schließlich eine kleine Rente. Zuerst lebte sie bei ihrem Sohn Yacov in einem Kibbuz in der Nähe von Nazareth, 1960 zog sie dann in ein Altenheim in Tel Aviv. „Dort habe ich sie auch 1963 besucht. Es waren vor allem Menschen dort, die früher in Deutschland lebten, im Altenheim wurde überwiegend Deutsch gesprochen.“
Tochter war in der Schweiz
Auch die beiden Kinder der Levis haben eine neue Heimat in Israel gefunden. Else war Linas Tochter aus erster Ehe, ihr Vater starb nur ein Jahr nach ihrer Geburt 1913. 1920 heiratete Lina, die aus Aachen stammte, Paul Levi in Lünen. Else wuchs in Lünen auf, ging auch in der Lippestadt zur Schule und wechselte dann nach Davos. In der Schweiz beendete sie die Schule mit der Mittleren Reife und absolvierte dann in Frankfurt, Berlin und Aachen eine Ausbildung zur Hausdame. Else heiratete 1937 Dr. Fritz Dahlberg und das Paar wanderte im August seines Hochzeitsjahres nach Palästina aus.
Stein-Gymnasium
Ihr jüngerer Halbbruder Yacov Levi wurde 1937 als damals letzter jüdischer Schüler vom Freiher-vom-Stein-Gymnasium verwiesen und ging 1938 ebenfalls nach Palästina. Nach seiner Zeit im Kibbuz ließ er sich im Norden Israels nieder, wo auch seine drei Kinder aufwuchsen - Sohn Eran und seine beiden jüngeren Schwestern. Blumberg: „Eine lebt in den USA, eine in Israel.“
Yacov Levi sprach in seiner Familie kein Deutsch. Aber ab dem Jahr 2000 nahm er wieder Kontakt zum Stein-Gymnasium auf und korrespondierte auch mit Schülern. „2010 bin ich nach Israel gereist und habe da auch Yacov und seine Halbschwester besucht, die im selben Jahr gestorben ist. Yacov wollte noch einmal nach Lünen reisen, doch dann wurde er schwer krank und starb 2012 mit 89 Jahren.

Die Urkunde für die zwölf Bäume, die die Familie Levi nach dem Tod von Otto Blumberg als Dank und Erinnerung an den Lüner Amtsgerichtsdirektor in Jerusalem pflanzte. © Blumberg
Die Familie Levi bedankte sich bei Otto Blumberg für dessen Unterstützung, indem sie nach seinem Tod 1971 zwölf Bäume im Jerusalem Forest pflanzte.
Stolpersteine werden verlegt
- Am Montag (13.6.) lädt der „Arbeitskreis Lüner Stolpersteine“ ab 12.30 Uhr zur Verlegung von sieben Stolpersteinen vor den Häusern in der Fußgängerzone Lange Straße 49 und 53 für die Familien Levi und Gumbert durch den 74-jährigen Künstler Gunter Demnig persönlich ein.
- Anschließend trägt sich der „Urheber und Vater“ des mit über 90.000 verlegten Stolpersteinen in 28 Ländern „weltweit größten Mahnmals“ Gunter Demnig in das Goldene Buch der Stadt Lünen ein.
- Um 18 Uhr beginnt in der Aula der Geschwister-Scholl-Gesamtschule mit der NDR-Journalistin Corinna Below und dem Fotografen Tim Hoppe eine Vortrags- und Diskussionsveranstaltung mit freiem Eintritt über ihr Projekt „Ein Stück Deutschland“.
- Finanziert werden die Stolpersteine auch diesmal wieder von privaten Spenderinnen und Spendern. Der Dank des Arbeitskreises geht an: Sebastian Weischenberg, Gerd Blumberg, Eva Blumberg und den Förderverein des Freiherr von Stein-Gymnasiums für die Familie Levy sowie an William Aaron Horstmann-Craig, Gisela Sons und Martina, Ursula und Gerd Püschel für die Familie Gumbert.
Beate Rottgardt, 1963 in Frankfurt am Main geboren, ist seit 1972 Lünerin. Nach dem Volontariat wurde sie 1987 Redakteurin in Lünen. Schule, Senioren, Kultur sind die Themen, die ihr am Herzen liegen. Genauso wie Begegnungen mit Menschen.
