
© Leonie Freynhofer
Bei Dr. Gerrit Heil (Die Grünen) steht die Familie fest im Terminkalender
Landtagswahl 2022
Der Tag von Dr. Gerrit Heil ist immer durchgeplant: Business-Termine und politische Meetings wechseln sich ab. Eines darf bei dem Grünen-Politiker im Kalender aber nicht fehlen: seine Familie.
Eingepackt im Zwiebellook kommt Dr. Gerrit Heil am Seepark in Lünen an. 20 Kilometer hat der 45-Jährige mit dem E-Fahrrad von Bönen aus hinter sich gebracht. Zwei Jacken und ein Halstuch verschwinden in seiner Packtasche und ein legeres Sakko kommt zum Vorschein. Von Funktionskleidung ins Politikdress innerhalb von einer Minute. Genau drei Stunden hat der Grünen-Politiker, der bei der NRW-Landtagswahl für den Wahlkreis Unna II antritt, nun Zeit. Dann steht nämlich „Familie“ in seinem Kalender. Aber dazu später mehr.
Zum ersten Mal ist Heil bei einer Landtagswahl als Kandidat dabei. Seine politischen Anfänge gehen jedoch bis ins Jahr 1990 zurück. Damals trieb ihn ein Acker mit Genmais an. In seinem „jugendlichen Elan“ hat er zudem jahrelang für einen Fußballplatz in einer Wohnsiedlung gestritten. 2014 ging es in den Gemeinderat, 2020 in den Kreistag und das Ruhrparlament.

In der Natur ausspannen vom stressigen Alltag zwischen Business-Terminen und politischen Meetings ist für den Familienvater enorm wichtig. © Leonie Freynhofer
Man könnte behaupten, dass Heil mit dem Satz „Klima ist mein Thema“ das Klischee seiner Partei erfüllt. Doch wenn der 45-Jährige beginnt, über das Mobilitätskonzept oder die Kombination von Wirtschaft und Klimaschutz zu sprechen, merken Zuhörer schnell: Es ist wirklich sein Thema. Das liegt daran, dass er das nötige Wissen mitbringt. Sein LinkedIn-Profil verrät: Bachelor in Geowissenschaften, Master in Geologie, Doktor in Geochemie und Klimatologie.
Nach seiner Promotion wollte er das Theoretische endlich praktisch anwenden. An Universitäten stieß er damit auf taube Orten, sodass er zunächst bei der Unternehmensberatung von Roland Berger Station machte. Bis 2020 arbeitete Heil für den Energiekonzern RWE.
Diese Erfahrungen sieht Heil in seiner politischen Arbeit als enorm wichtig an. Und er wünscht sich, dass mehr Leute aus der Praxis in den einzelnen Bereichen der Politik aktiv sind. Der Familienvater nennt direkt ein Beispiel. „Die Windräder in Werne sind mit vier Megawatt geplant. Mit einer typenoffenen Genehmigung können wir da aber jedes Windrad hinbauen.“ Schnell rechnet er aus, wie viele Haushalte ein Windrad mit sechs Megawatt versorgen könnte.
4000 Kilometer mit dem Fahrrad im Jahr unterwegs
Angst vor der aktuellen Klimakrise hat Heil nicht. „Ich weiß, dass wir ein echtes Problem haben. Aber ich weiß auch, was wir machen können und dass wir die Mittel dazu haben.“
Jeder Mensch könne jetzt einen positiven Beitrag leisten – sich selbst nimmt Heil da nicht aus. Vor fünf Jahren hat er sich als Neujahrsresolution mit seiner Familie das Ziel gesetzt, den Co2-Fußabdruck um 20 Prozent zu vermindern. Angefangen hat alles mit der Reduzierung der Autonutzung. 4000 Fahrrad-Kilometer schlagen jetzt am Jahresende zu Buche – sagt zumindest der Tacho.
Zu Hause bei ihm gibt es ein E-Mofa, bald kommt noch ein E-Bus dazu. Die Familie habe sich eine Solar-Anlage gekauft, Urlaub finde meist zwischen Dänemark und Frankreich statt und es komme weniger Fleisch auf den Teller. Er lässt sich durchaus also als „guter Grüner“ beschreiben.
Familie steht fest im Kalender zwischen vielen Terminen
Das sah in seiner bisherigen beruflichen Laufbahn schon mal anders aus. Während seiner Tätigkeit in Unternehmen stand beispielsweise montags ein Meeting in Stockholm an und Mittwoch eines in Warschau – eher schlecht mit dem Rad. Irgendwann wurde ihm die Fliegerei zu viel. Er wechselte seinen Job dahingehend, dass er fast nur noch auf die öffentlichen Verkehrsmittel zurückgreifen musste.
Dieser Umschwung brachte ihm zwei Nebeneffekte ein. Er spricht fließend niederländisch. Viel Wichtiger ist für Heil aber, dass er mehr Zeit mit seiner Frau, den zwei eigenen Kinder und zwei Pflegekinder hat. Sie stehen jetzt fest in seinem Terminkalender. Seitdem er im Homeoffice selbstständig in der Unternehmensberatung für die Energiebranche arbeitet, ist durch den verkürzten Weg zum Schreibtisch noch mehr Zeit für die Familie.
Natur als Ausgleich zum stressigen Berufsalltag
Der Spagat zwischen Familie und Berufsalltag bleibt schwer. Umso wichtiger ist für Heil die Zeit in seiner Heimat Bönen. 2011 hat er dort am Haus seiner Eltern mit der eigenen Familie angebaut. Wo früher sein Kinderzimmer war, ist heute ein Teil des Wohnzimmers. „Viel mehr Heimat geht gar nicht.“

Dr. Gerrit Heil hat die Sportart „Discgolf“ für sich entdeckt. Im Seepark in Lünen gibt es dafür die entsprechende Anlage. © Leonie Freynhofer
Um abzuschalten zieht es ihn raus in die Natur zum Joggen, Radfahren, Walken oder Wandern. Eine Stunde am Tag schafft er sich dafür frei. „Wenn es mal nicht geht, sagt mir meine Frau spätestens am dritten Tag: Gerrit, geh laufen.“ Besonders glücklich sei er bei Touren durch die Berge. Für 2023 steht etwas ganz Besonderes an. „Mein Sohn macht Abitur und wir planen die Alpenüberquerung.“
Heil will für Landtagswahl realistisch bleiben
Dass der 45-Jährige jetzt für den Wahlkreis Unna II an den Start geht, ist gar nicht so selbstverständlich. Denn eigentlich ist Bönen ja seine Heimat. Dort habe es jedoch eine Parteikollegin gegeben, die ungern gegen ihn antreten wollte. Heil fragte somit beim Nordkreis an. Seit der Kommunalwahl 2021 gibt es zudem zwei Fraktionen der Grünen. Viel darüber sprechen möchte Heil nicht. Er nennt es Parteidynamik.
Der 45-Jährige will nach vorne blicken auf seinen Wahlkreis. In Lünen braucht es laut Heil deutliche wirtschaftliche Entwicklungen. In Selm und Werne hingegen sieht er viel Platz für die Energiewende und Potential für einen Mobilitätsausbau. Wenn Dr. Gerrit Heil auf seine Chancen am 15. Mai blickt, will er realistisch bleiben. „Vor fünf Jahren waren wir bei knapp fünf Prozent. Mir ist wichtig, ein möglichst grünes Ergebnis zu kriegen.“
Seit 2016 hat mich der Lokaljournalismus gepackt. Erst bei der NRZ und WAZ gearbeitet, dann in Hessen bei der HNA volontiert. Nun bei den Ruhr Nachrichten als Redakteurin zu Hause. Wenn ich nicht schreibe und recherchiere, bin ich in den Bergen beim Wandern und Klettern unterwegs.
