Im exklusiven Interview mit unserer Redaktion erklärte Amos Pieper ausführlich, wie er den Aufstieg erlebt hat und welche Gefühlsstufen er im Aufstiegsrennen durchlaufen ist.

Nordkirchen

, 23.06.2020, 12:00 Uhr / Lesedauer: 4 min

Noch nie ist ein Nordkirchener Fußballer in die Bundesliga aufgestiegen oder hat in der Beletage des deutschen Profifußballs gespielt. Amos Pieper (22) könnte der erste Profi aus der Schlossgemeinde sein. Den Aufstieg erlebte er am Dienstagabend auf dem Sofa, weil der Hamburger SV patzte. Am Tag zuvor hatte sein Verein Arminia Bielefeld mit Amos Pieper auf dem Platz schon alles so gut wie klar gemacht. Im Interview sprach er über das Gefühl am Montagabend, die Stunde nach der Gewissheit am Dienstag und wen er sich für sein Bundesliga-Debüt wünscht.

Herzlichen Glückwunsch zum Bundesliga-Aufstieg? Können Sie es schon glauben?

Nee! Es fühlt sich so an, als wenn es noch nicht ganz realisierbar ist. Vielleicht hing es damit zusammen, dass der Spielplan jetzt ziemlich eng getaktet ist. Trotz der Corona-Pause ging es recht schnell. Es ist schon eine kleine Sensation in der Liga, wenn man sich anguckt, welche Mannschaften da alle spielen. Für mich ist es der absolute Traum, der in Erfüllung geht.

„Es war dann unfassbar in dem Moment, weil ich es nicht wahrhaben konnte und auch nicht damit gerechnet habe, dass der HSV nochmal Punkte lässt.“

Wo haben Sie am Dienstag das Hamburg-Spiel verfolgt?

Ich habe es relativ entspannt mit meiner Freundin in meiner Wohnung geschaut. Als es dann plötzlich 1:1 stand, kamen die ersten Nachrichten in der Whatsapp-Gruppe und die ersten Kumpels schrieben mir schon. Ich war dann plötzlich nervös. Mit dem Abpfiff brauchte ich dann noch eine Stunde, weil ich es gar nicht selber fassen konnte. Es war ein absolut geiles Gefühl. Meine Familie ist extra noch am Abend nach Bielefeld gekommen und wir haben den Abend als Familie genossen. Es war dann unfassbar in dem Moment, weil ich es nicht wahrhaben konnte und auch nicht damit gerechnet habe, dass der HSV nochmal Punkte lässt.

War Ihnen klar, dass nach dem Spiel gegen Dresden der Aufstieg praktisch nicht mehr zu nehmen ist?

Es war am Montag zwar rechnerisch noch nicht klar, aber da waren wir als Mannschaft sicher, dass jetzt nichts mehr passieren kann. Nach dem 4:0, das überzeugend und deutlich war, sollte nichts mehr anbrennen. Mit dem Gefühl sind wir an dem Abend rausgegangen. Intern haben wir nicht mehr geglaubt, dass noch etwas schief gehen kann.

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Wie groß war die Last, die da von Ihren Schultern gefallen ist?

Wir waren die ganze Zeit selbstsicher. Es wurde ja auch geschrieben, dass wir oft unentschieden gespielt haben, aber es war auch kein einfaches Programm zur Mitte der Rückrunde. Wir sind da immer unserem Plan treu geblieben, weil wir als Mannschaft stabil in unserer Spielweise geblieben sind.

Wie hat die Mannschaft den Aufstieg gefeiert: Gab es noch interne Aufstiegsfeierlichkeiten?

Nein, eine Aufstiegsfeier gab es in der Form nicht. Das hing damit zusammen, dass wir relativ viele Spiele in kürzester Zeit hatten. Nach dem Darmstadt-Spiel war etwas geplant, aber da Tönnies von Bielefeld aus nicht so weit weg ist, hat es nicht geklappt, dass der Verein im Rahmen einer kleinen Feier zusammenkommen konnte. Hier in Bielefeld sind alle wieder etwas sensibler.

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In Karlsruhe, ausgerechnet bei einer Mannschaft, die noch im Abstiegskampf steckt, hat Ihre Mannschaft eine 3:0-Führung (20.) verspielt. Ist der Schlendrian eingekehrt?

Nein, mir wurde die Frage auch bei Sky gestellt. Wie wir in das Spiel reingegangen sind, war es ein Feuerwerk, das wir abgefackelt haben. Wir hatten noch gute Chancen, nachzulegen, was wir aber verpasst haben. So können Zweitliga-Spiele dann halt mal laufen, gerade weil es das vierte Spiel in zehn Tagen war. Es war vielleicht eher so, dass die Körner am Ende gefehlt haben und die Elfmeterentscheidungen waren zumindest diskutabel. Von einem Schlendrian kann man nicht reden.

Die Zweitliga-Meisterschaft ist ihr erster Titel im Profifußball. Was ist mehr wert: Eine Deutsche U19-Meisterschaft oder die „kleine“ Schale?

Jeder Titel hat einzeln seine Bedeutung. Ob einer mehr wert ist, weil es ein anderes Niveau ist oder im Seniorenbereich die Wahrnehmung einfach eine andere ist. Gerade ein Aufstieg ist eine unfassbare Sache, weil wir darauf hingearbeitet haben. Schade macht es, dass die Fans nicht dabei sein konnten. Da fehlt schon die Emotionalität, die übertragen wird. Deswegen macht es den Aufstieg komisch. Er ist aber mindestens so hoch anzusiedeln wie eine U19- oder U17-Meisterschaft.

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Ihr erstes Profitor fehlt noch!

Wir haben ein paar Spiele zu Null gespielt. Das macht uns schon extrem happy. Mal gucken, was im letzten Spiel noch geht. Ich habe jetzt 38 Spiele gemacht. So langsam wird es Zeit. Wenn ich jetzt fünf Jahre weiterhin keine Tore schieße, wir aber immer unsere Ziele erreichen, würde ich es genau so nehmen.

Wie werden Sie die Sommerpause verbringen?

Das steht noch in den Sternen und ist auch Corona geschuldet. Meine Freundin und ich wollte ein paar Tage wegfahren. Wohin und wann steht leider noch nicht fest. Sie muss aber arbeiten und da unsere Sommerpause in die Ferienzeit gerutscht ist, wird sie nicht allzu viel Urlaub bekommen. Eine große Reise ist mir aber auch zu riskant. Es wird wahrscheinlich eher Richtung Holland gehen.

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Bundesliga – haben Sie schon eine leichte Ahnung, was da auf Sie zukommt?

Ich durfte die Bundesliga ja schon mal erleben (Anm. d. Red: Amos Pieper stand bei Borussia Dortmund 2018 im Kader). Es wird vom Niveau her eine Nummer mehr sein. Der Großteil der Mannschaften wird eine höhere Qualität haben. Darauf muss sich jeder einzelne noch professioneller vorbereiten, als er das schon getan hat. Reisen und Umfang mit 34 Spieltagen sind in etwa gleich. Da wir aber noch nicht genau wissen, wie lange die Sommerpause sein wird, habe ich schon im Hinterkopf, dass ich mich auch individuell vorbereiten muss, um möglichst fit in die Vorbereitung zu gehen. Bei mir ist auch immer noch ganz viel Luft nach oben. Da habe ich schon Ansätze, die ich angehen möchte.

Wen wünschen Sie sich zum Auftakt?

Am liebsten nicht Bayern, Dortmund, Leipzig oder Schalke – nicht weil die vermeintlich große Qualität haben, sondern weil absehbar ist, dass dann noch keine Fans ins Stadion dürfen. Und ich würde unseren Fans und der Mannschaft gönnen, dass in den richtigen Kracherspielen der angegebene Rahmen gegeben ist. Deswegen würde ich mir diese Gegner zu einem späteren Zeitpunkt wünschen.

Und wen würden Sie lieber verteidigen: Robert Lewandowski oder Erling Haaland?

Ich hoffe, dass ich nächste Saison beide verteidigen darf. Gegen beide habe ich noch nicht gespielt. Beide haben nicht nur national, sondern auch international Weltklasse bewiesen. Das Schöne ist – und da freue ich mich drauf – dass wir die Gelegenheit haben, uns mit den besten zu messen. Viel bessere Spieler gibt es auf dem Planeten ja nicht mehr. Und dafür machen wir das auch. Es wird interessant sein zu erfahren, wo das Level liegt.

Transfers sind zu erwarten, um den Kader zu verstärken. Fürchten Sie mehr Konkurrenz?

Man muss immer mit Konkurrenz rechnen. Auch die Jungs, die da sind, haben ihre Qualität. Gerade als junger Spieler ist man nie unangefochten. Ich habe aber das Selbstvertrauen aus einer mega Saison, die wir gespielt haben. Unter allen Mannschaften in der 1. und 2. Liga haben wir die wenigsten Gegentore gekriegt. Gerade in der Rückrunde standen wir sehr stabil. Wir haben gezeigt, dass wir auch in der Bundesliga funktionieren können. So werde ich auch an die Saison herangehen und nicht darüber nachdenken, wer mich verdrängen könnte.

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