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Sollen Sportler auf Fleisch verzichten? Hamilton sagt Ja, eine Wissenschaftlerin nicht
Fitness
Ist vegane Kost die bessere Sportlerernährung? Oder enthalten Aktive, die vollständig auf tierische Produkte verzichten, ihrem Körper etwas vor, was er dringend braucht?
Die Zahl von Sportlerinnen und Sportlern, die sich für eine vegane Ernährung, also den Verzicht auf tierische Produkte, entscheiden, steigt stetig. Lewis Hamilton oder Novak Djokovic leben zum Beispiel vegan. Jetzt ist die Frage, ob vegane Ernährung die Leistungsfähigkeit steigert oder schwächt.
„Ob eine vegane Ernährung per se die Leistungsfähigkeit von Sportlern steigert, dazu kann man wissenschaftlich keine klare Aussage zu treffen, weil dazu einfach Studien noch fehlen“, erklärt Helen Bauhaus, Sport- und Ernährungswissenschaftlerin am Institut für Biochemie der Deutschen Sporthochschule in Köln und Ernährungsexpertin am Olympiastützpunkt in Essen. „Auf dem jetzigen Erkenntnisstand so ganz schwarz und weiß zu sagen, das funktioniert oder funktioniert nicht, ist einfach nicht möglich.“
Eher liegt für viele Ernährungsexperten die Einschätzung nahe, dass weder der Genuss von Fleisch noch der Verzicht auf tierische Produkte allein ausschlaggebend dafür sind, ob Sportler, egal ob im Leistungs- oder Freizeitbereich, mehr oder weniger Leistung abrufen können.

Vegane Bowls stehen mittlerweile bei vielen Aktiven auf dem Speiseplan. © picture alliance/dpa/Good'n vegan
Richtig ist zwar, dass viele Sportlerinnen und Sportler nach der Umstellung ihrer Ernährung von einem Leistungssprung berichten. Anja Carlsohn, Professorin für Ernährungswissenschaft an der HAW Hamburg, erkennt darin aber einen Effekt durch eine bewusstere Ernährung. „Viele Athleten in der Altersgruppe bis 25 Jahre ernähren sich ähnlich ungesund wie Nichtsportler der gleichen Altersgruppe. Für uns ist es teilweise erschreckend, was die Athleten an Fast Food und ungünstig zusammengesetzten Fertiggerichten konsumieren“, erklärte zuletzt Carlsohn in einem Interview.
Mit dem Wechsel zu einer veganen Ernährung geht bei diesen Aktiven dann oft auch der Wechsel hin zu einer besseren Ernährung einher. Das Gesundheitsbewusstsein steigt, weil beim Gros der Umsteiger auf vegane Ernährung – neben allen positiven Umwelteffekten - auch der Wunsch da ist, nicht mehr so gedankenlos wie zuvor zu essen.
Bewusste Entscheidung
Eine Einschätzung, die auch Helen Bauhaus teilt: „Meist entscheiden sich Menschen ja ganz bewusst dafür, ihre Ernährung umzustellen. Und während sie bei einer Mischkost vielfach kaum Regeln gefolgt sind, tun sie genau das bei der Umstellung auf eine vegane Ernährung. Denn es geht ja darum, den Verzehr tierischer Produkte auszuschließen. Und das funktioniert nur, wenn ich meine Nahrung bewusst auswähle.“
Das beugt in vielen Fällen dem Entstehen von Mangelerscheinungen vor. Die Versorgung mit Nährstoffen bei vegetarischen oder veganen Athleten sei sogar manchmal besser als bei Mischköstlern, hat Carlsohn beobachtet. Grund: „Der vegane Athlet beschäftigt sich meist intensiv mit der Thematik und legt viel Wert auf die Zusammenstellung der Speisen“, so Carlsohn.
Erhöhter Energiebedarf
Das ist aus der Sicht von Bauhaus aber auch geboten. „Klar ist, dass wir im Sport einen erhöhten Energiebedarf haben. Der muss gedeckt werden. Bei veganer Ernährung ist das nicht immer einfach, weil wir häufig Lebensmittel haben, die eine geringe Energiedichte besitzen – also mehr Volumen und weniger Energie und somit sättigender. In der Folge kann es gerade bei Sportlern dazu kommen, dass sie bei veganer Ernährung zu wenig Energie zuführen.“
Ausreichend Kohlenhydrate zu bekommen ist nach Einschätzung von Bauhaus für vegane Sportler hingegen kein Problem. „Getreideprodukte, die unsere wichtigste Kohlenhydratquelle sind, gehören ja ohne Einschränkung zu einer veganen Ernährung.“ Schwieriger sei es hingegen, den gesteigerten Proteinbedarf zu decken. „Da ist es ganz wichtig, dass man Sportlern Alternativen zu Fleisch, Fisch, Eiern und Milchprodukten als Proteinquellen aufzeigt und lernt, pflanzliche Proteinquellen einzubeziehen. Alternativen sind beispielsweise Hülsenfrüchte. Herauszustellen ist hier Soja, der vielfältig einsetzbar ist in Form von Sojadrink, Sojajoghurt oder auch Tofu. Zudem gibt es inzwischen unzählige Produkte auf Pflanzenproteinbasis, die sich ähnlich wie Fleischprodukte verarbeiten lassen und die Reduktion von tierischen Produkten ggf. erleichtern können.“
Und noch etwas rät Bauhaus: „Auch für Nicht-Leistungssportler macht es absolut Sinn, sich mit Experten zusammenzusetzen, wenn man seine Ernährung umstellen möchte. Das heißt nicht, dass man sich nonstop begleiten lassen muss. Aber in der Umstellungsphase ist eine Beratung auf jeden Fall klug und etwas, worauf man bei der richtigen Entwicklung seiner Ernährung aufbauen kann.“
61er-Jahrgang aus Bochum, seit über 35 Jahren im Journalismus zu Hause - dem Sport und dem blau-weißen VfL schon ewig von Herzen verbunden - als Sportredakteur aber ein Spätberufener.
