Pastor Christoph Potowski (l.) und Pastoralreferent Dennis Humberg sprechen sich für eine tolerantere Kirche aus. Bei einem Gottesdienst am 13. Februar wollen sie entgegen der Anweisung des Vatikans auch gleichgeschlechtliche Paare segnen.

© Julian Schäpertöns

Kirchhellener Pfarrei widersetzt sich und segnet auch homosexuelle Paare

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Mit einem Segnungsgottesdienst für alle will die Pfarrei St. Johannes der Täufer ein Zeichen für Vielfalt und Toleranz setzen. Dem Vatikan dürfte dies nicht gefallen …

Kirchhellen

, 02.02.2022, 08:15 Uhr / Lesedauer: 3 min

Es gibt eine Spaltung in der katholischen Kirche. „Und diese Spaltung ist sehr tief“, weiß Kirchhellens Pastor Christoph Potowski. Der Umgang mit homosexuellen und queeren Menschen wird dieser Tage wieder stark diskutiert. Eine Segnung gleichgeschlechtlicher Paare ist vom Vatikan untersagt. Die Pfarrei St. Johannes widersetzt sich dem und lädt für den 13. Februar (Sonntag) zu einem Segnungsgottesdienst für alle ein.

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„Für uns ist es wichtig, ein Zeichen zu setzen, dass alle Menschen willkommen sind. Die sexuelle Orientierung ist zweitrangig“, sagt der Pfarrer. „Gott kann Sünde nicht segnen“, lautet die offizielle Begründung des Vatikans nach der Glaubenskongregation im März 2021. Dass die obersten Kirchengremien Homosexuelle immer noch der Sünde bezichtigen, ist für Pastor Potowski und Pastoralreferent Dennis Humberg nicht nachvollziehbar. Sie haben ein anderes, offeneres Verständnis von Kirche – und scheuen sich nicht, den Finger in die Wunde zu legen.

Der Segnungsgottesdienst findet am 13. Februar statt.

Der Segnungsgottesdienst findet am 13. Februar statt. © privat

Zuletzt durch die ARD-Dokumentation „Wie Gott uns schuf“ steht die Kirche wieder in der Kritik. 125 Kirchenmitarbeiter hatten sich als schwul, lesbisch, bisexuell oder trans geoutet – und beschrieben, wie diskriminierend und einschüchternd sie den Umgang ihres Arbeitsgebers mit ihrer Sexualität empfinden. „Ich fand diesen Film sehr bewegend, mutig und wichtig. Die Dokumentation hat Wellen geschlagen“, erzählt Dennis Humberg. Und Christoph Potowski ergänzt: „Ich hoffe, es verändert sich etwas dadurch. Die Bischöfe brauchen diesen Druck. Anders verstehen sie es nicht.“

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Pastor will keine Betroffenheitsfloskeln mehr hören

In der Kirche gäbe es eine große Ungleichzeitigkeit, beschreibt der Pastor die Situation. Zum einen gibt es progressive Kräfte, die auf Reformen pochen. Auf der anderen Seite stehen konservative Hardliner, die homosexuelle Menschen immer noch nicht als gleichwertig ansehen. Bei vielen queeren Katholiken verursacht die harte Linie des Vatikans eine innere Zerrissenheit. Glaube und Sexualität stehen in einem vermeintlichen Widerspruch zueinander.

„Ich bin es leid, Betroffenheitsfloskeln zu hören. Da stehen Biografien und Menschenleben hinter. Ich kenne Menschen, die nicht öffentlich bekennen, dass sie homosexuell sind, weil sie Angst haben und sehr darunter leiden“, erzählt Pastor Potowski. „Die Sexualmoral nimmt leider innerhalb der Kirche einen viel zu großen Teil ein.“

125 Kirchenaustritte in Kirchhellen

Die Diskriminierung queerer Menschen, das Rollenbild der Frau, der Umgang mit Geschiedenen, die Missbrauchsskandale – das sind alles Themen, die Menschen zum Austritt bewegen. In Kirchhellen waren es im Jahr 2021 allein 125 Menschen, die der Kirche den Rücken gekehrt haben. In ganz NRW gab es 155.000 Austritte – so viele wie noch nie.

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Christoph Potowski kann die Beweggründe zum größten Teil nachvollziehen – doch tun kann er nicht viel. „Ich verstehe die Menschen, wenn sie sagen, sie möchten nicht mehr Teil dieses Vereins sein“, so der Pastor.

Christoph Potowski und Dennis Humberg haben die Hoffnung, dass sich etwas tut. „Ich wünsche mir, dass die Kirche sich von ihrem Schwarz-Weiß-Denken verabschiedet und sich selbst und anderen gegenüber ehrlich wird. Die Kirche darf vor den eigenen Fehlern nicht die Augen verschließen“, kritisiert der Pfarrer. Darum ist es ihm wichtig, Zeichen zu setzen. Und er ist damit nicht alleine.

Deutschlandweite Proteste

Schon im vergangenen Jahr haben nach der umstrittenen Glaubenskongregation deutschlandweit Segnungsgottesdienste für homosexuelle Paare stattgefunden. Viele Kirchen wurden mit Regenbogenfahnen geschmückt. Der Münsteraner Bischof Felix Genn versprach schon damals, dass es keine Sanktionen für solche Segnungen geben würde. Und auch zur ARD-Doku äußerte sich der Bischof, dass Mitarbeiter, die sich outen, keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen zu fürchten haben.

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„Für uns war es keine Frage, dass wir uns an den Segnungen für alle beteiligen“, erzählt Dennis Humberg. Am 13. Februar, einen Tag vor Valentinstag, findet ab 17 Uhr ein Segnungsgottesdienst in der Johannes-Kirche statt. Egal ob schwul, lesbisch oder heterosexuell – ausdrücklich alle Lebenspartnerschaften sind willkommen. „Wir hatten diesen Segnungsgottesdienst schon länger geplant. Doch gerade jetzt ist diese Andacht aktueller und bedeutsamer denn je“, so der Pastoralreferent.

Es ist ein kleines Zeichen für eine tolerantere Kirche. Die Pfarrei bezieht Stellung und widersetzt sich bewusst der Anweisung des Vatikans. Pastor Potowski hofft, dass bald ein Umdenken stattfinden wird. Doch in der katholischen Kirche, mit ihren weltweit 1,3 Milliarden Mitgliedern, gibt es eine riesige Bandbreite an Sichtweisen. Die Frage ist, ob die Gräben innerhalb der Kirche irgendwann so groß werden, dass diese unüberbrückbar sind.

LIVE-TALK ZUR KIRCHENKRISE

  • „Ist die Kirche noch zu retten? Katholiken in der Krise“ ist ein Live-Talk überschrieben, den Sie am Montag (14. Februar) ab 18 Uhr live und kostenlos auf unserer Internetseite unter www.dorstenerzeitung.de verfolgen können.
  • Als Experten sind dabei: Dr. Ida Raming (89), seit mehr als 55 Jahren Vorkämpferin für die Priesterweihe von Frauen, zudem geweihte, aber exkommunizierte Priesterin. Michaela Labudda, Gemeindereferentin aus Unna, Mitglied im ZdK und beim Synodalen Weg; Christoph Potowski, Pfarrer in Kirchhellen, sowie Andrea Voß-Frick, Mitbegründerinnen der Bewegung „Maria 2.0“.
  • Fragen und Thesen können Sie schon jetzt mailen an: reden@rnw.press.
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