„Das ist unrealistisch“ - Anwohner kritisieren Gutachten zum Verkehrskonzept der Altenhammstraße

© Andrea Wellerdiek

„Das ist unrealistisch“ - Anwohner kritisieren Gutachten zum Verkehrskonzept der Altenhammstraße

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Falsche Zahlen, fehlende CO2-Bilanz und fatale Bewertungen - die Anwohner der Altenhammstraße sind entsetzt über das Gutachten zum Verkehrskonzept. Denn es weise „erhebliche Mängel“ auf.

von Andrea Wellerdiek

Herbern

, 30.01.2020, 17:17 Uhr / Lesedauer: 3 min

Immer wieder schauen sich die Anwohner um, müssen ein Stück zur Seite gehen und Platz für die Autos machen. Beim Ortstermin an der Altenhammstraße in Herbern ist spürbar, worum es den Anwohnern geht. Der Verkehr an der engen Straße ist schon heute extrem.

Und es wird nicht besser. Künftig wird sich das Verkehrsaufkommen deutlich erhöhen. Etwa allein durch neue Wohneinheiten kämen 27 Autos pro Stunde zusätzlich auf die Altenhammstraße - das zumindest hat Jean-Marc Stuhm, Stadt- und Verkehrsplaner aus dem Büro Stadtverkehr Hilden, in seinem Gutachten zum Verkehr auf der Altenhammstraße berechnet.

27 Autos innerhalb von Minuten

Wer sich nur ein paar Minuten zu einer der vielen Stoßzeiten auf der Straße befindet, bekommt einen anderen Eindruck vermittelt. 27 Autos in der Stunde? So viele Pkw fahren schon heute an diesem Donnerstagabend über die Straße - allerdings innerhalb weniger Minuten.

Auch die Anwohner der Altenhammstraße und Bergstraße sind empört über diese Einschätzung. Doch es ist nicht der einzige Kritikpunkt an dem Gutachten, der in der jüngsten Bau- und Ausschusssitzung vorgestellt wurde.

Eine von zehn Maßnahmen empfehlenswert

Darin konnte der externe Gutachter Stuhm nur für eine von zehn Maßnahmen eine Empfehlung geben. Dem Wunsch, aus der Altenhammstraße einen verkehrsberuhigten Bereich zu machen, lehnte er ab. Zum Ärger der Anwohner.

Auch während des Ortstermins fuhren viele Autos an den Anwohnern vorbei. Sie könnten sich auch vorstellen, aus der Altenhammstraße eine Fahrradstraße zu machen, um die Verkehrssituation zu entzerren.

Auch während des Ortstermins fuhren viele Autos an den Anwohnern vorbei. Sie könnten sich auch vorstellen, aus der Altenhammstraße eine Fahrradstraße zu machen, um die Verkehrssituation zu entzerren. © Andrea Wellerdiek

„Das Argument, dass sich die meisten Autofahrer nicht an die Geschwindigkeit halten, ist für mich kein Argument. Wenn das der einzige Grund ist gegen eine Geschwindigkeitsbegrenzung, dann kapitulieren wir vor jedem Gesetzesbrecher“, sagt Joachim Koch (60), der seit vier Jahren in der Straße in Herbern wohnt.

Fahrradstraße abgelehnt

Auch die Idee der Anwohner, durch Fahrbahnschwellen die Geschwindigkeit zu reduzieren, fand im Gutachten gar kein Gehör, monieren Koch und seine Mitstreiter. Ebenso den Wunsch, die Altenhammstraße zu einer Fahrradstraße zu machen, konnte Gutachter Stuhm nicht empfehlen. Das Rad sei noch nicht das vorherrschende Verkehrsmittel, so die Begründung.

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„Wir müssen da doch in die Zukunft blicken. Immer mehr Leute fahren mit dem Rad“, sagt Koch. Und vor allem die Profilschüler kämen jetzt mit dem Fahrrad zur Schule. Wenn die Schüler künftig aber zum Standort nach Ascheberg wechseln und in das Gebäude die Grundschule einzieht, habe das schon Auswirkungen auf den Verkehr.

14 Schüler in einer Klasse sind unrealistisch

Jüngere Schüler werden schon eher mit dem Pkw gebracht. Das würde natürlich auch für die Kinder der Kita Abenteuerland gelten. „70 Prozent der Kinder werden bestimmt mit dem Auto gebracht“, erklärt Saskia Krone (39.).

Die Rechnung, dass durch die Profilschule damit 232 Fahrten pro Tag wegfallen und durch Kita und Grundschule lediglich 70 Fahrten pro Tag hinzu kommen würden, sei schlichtweg falsch, so Krone.

Ebenso die Anzahl an neuen Schulplätzen an der Mariengrundschule. „Herr Stuhm geht in seinem Gutachten von 56 Schülern aus. Es sollen vier Klassen werden. Das wären ja dann 14 Schüler pro Klasse. Das ist unrealistisch.“

Zusätzlicher Verkehr durch Übermittagsbetreuung

Und auch mit der neuen Aula an der Profilschule, die als Gemeindehalle dienen soll, kommen weitere Autos hinzu, glauben die Anwohner. Wie viele Veranstaltungen hier stattfinden, sei den Anwohnern noch gar nicht bekannt. „Und auch an der Musikschule wird es weiter Veranstaltungen geben. Aber davon ist gar nicht die Rede“, moniert Krone.

Auch der zusätzliche Verkehr durch die Übermittagsbetreuung der Mariengrundschule, die in die jetzige Profilschule zieht, sei nicht mit einberechnet. Auffällig sei im Gutachten, dass fast alle abgelehnten Maßnahmen den Nachteil „steigende CO2-Bilanz“ aufweisen.

„Riesiger Umweg für das ganze Dorf“

Anders ist das hingegen bei der vom Gutachter empfohlenen Maßnahme mit der Umgehung über die Straße „Am Haselbüschken“. „Da soll das ganze Dorf dann einen riesigen Umweg über den Haselbüschken fahren und da wird die CO2-Bilanz nicht aufgelistet? Es ist der weiteste Weg überhaupt“, sagt Krone. Diesen Umweg werde kein Herberner nehmen, glauben die Anwohner der Altenhammstraße.

Sie wünschen sich deshalb, dass eine kombinierte Lösung für die Entlastung auf der Altenhammstraße diskutiert wird. Tempo 30 sei in jedem Fall zu schnell auf der engen Straße.

Auf der Altenhammstraße wird es an mehreren Stellen eng, wenn Lkw und Pkw oder zwei Autos sich entgegen kommen.

Auf der Altenhammstraße wird es an mehreren Stellen eng, wenn Lkw und Pkw oder zwei Autos sich entgegen kommen. © Jutta Richter

Immer wieder sehen die Anwohner Pkw und Lkw, die die Geschwindigkeit deutlich überschreiten würden. „Und wenn ich selbst mit 25 km/h durch die Straße fahre, dann kleben mir die Autos an der Stoßstange“, erzählt Joachim Koch.

Deutliche Mängel im Gutachten

Man könnte sich etwa auch einen Parkplatz für Eltern-Taxis auf der Südstraße vorstellen. „Dann sind es nur noch 30 Meter bis zur Schule. Wenn das nicht zumutbar ist, dann weiß ich auch nicht“, sagt Joachim Koch. Die Anwohner, die deutliche Mängel im Gutachten erkennen, hoffen weiter, dass sie mit diskutieren können.

„Wir werden natürlich an dem öffentlichen Workshop teilnehmen. Aber wir hoffen auch, dass sich nicht alles auf Grundlage dieses Gutachtens drehen wird“, sagt Jutta Richter (64), die auf der Altenhammstraße wohnt. Ihre Kritik an dem Gutachten haben die Anwohner bereits der Gemeindeverwaltung Ascheberg mitgeteilt.

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