
In jeder Beziehung eine Großfamilie und ein gutes Team: Brigida und Heinrich Wensing mit ihren Kindern (v.l.) Christoph, Linus, Theresia, Thomas und einigen Welpen auf dem Arm. Zu ihren Füßen liegen Hündin Rieke und die restlichen Kinder. © Christiane Hildebrand-Stubbe
Trubel in Ahle: Familie Wensing, Hündin Rieke und ihre 18 Welpen (mit Video)
Sensations-Wurf
Der 7. Juni 2022 wird in der Familienchronik den Vermerk „historisch“ bekommen: Nichtsahnend fährt Heinrich Wensing zur Tierklink Hochmoor – und kehrt mit Hündin Rieke und 18 Welpen zurück.
Bei Rieke, der hochträchtigen dreijährigen Hündin auf dem Hof der Famiie Wensing in Ahle, hatte der Hoftierarzt zu einem Kaiserschnitt geraten. Offenbar zu eng der Geburtskanal für den vermutet recht gewichtigen Nachwuchs.
Die Adresse für einen solchen Fall: die Tierklinik Hochmoor. An diesem Dienstag im Juni ist es für Hund und Herrchen bereits der zweite Anlauf, die Ärzte haben am Tag vorher die Operation für den nächsten Tag angesetzt.
Jetzt aber soll Rieke bleiben, und Heinrich Wensing bekommt einen ersten Anhaltspunkt, auf wie viele Welpen er, seine Frau Brigida und die vier Kinder sich einstellen könnten: „Nach der Ultraschalluntersuchung gehe man von vier bis sechs aus, hieß es.“
Beruhigt fährt er nach Hause und wartet auf die Vollzugsmeldung der Klinik. Eigentlich hat er zu diesem Zeitpunkt ja auch noch das örtliche Schützenfest im Kopf. Dann aber kommt alles ganz anders: In der Klinik erfährt er, dass es wohl „ein paar mehr geworden sind“. Ein paar mehr?
Realitäten in der roten Kiste
Im Wartezimmer hört er ein wahres Fiep-Konzert und denkt sich „das können aber wohl nicht alle unsere sein.“ Doch! 18 habe man gezählt, man könne aber durchaus noch etwas übersehen haben, sei ihm da gesagt worden.
Innerliche Schockstarre. Beim Blick in die rote Kiste wird ihm klar, dass es sich hier um keinen Scherz handelt. Das aber vermuten zuerst Ehefrau Brigida und die vier Kinder (Theresia (23), Thomas (20), Christoph (17) und Linus (14), als ihnen Heinrich Wensing die freudige Nachricht überbringt.
Naja freudig. „Das war zuerst einmal einfach ein Schock“, fasst Brigida Wensing die familiäre Gefühlslage zusammen. „Wir hatten ja gar keinen Plan, wussten nicht, wie wir es hinbekommen können.“

Zum Dahinschmelzen: Rieke und ihre Kleinen. © Christiane Hildebrand-Stubbe
Sozusagen symbolhaft trägt Sohn Linus jetzt auf seinem T-Shirt die Aufschrift „Best Crew ever“. Den Beweis, dass sie die beste Crew überhaupt sind, haben sie längst geliefert - als persönliche Betreuer von Rieke und ihren Kindern.
Eine Familienangelegenheit war Rieke von Anfang an. Die Deutsch Drahthaar/Kurzhaar-Hündin wird zwar auch jagdlich geführt, ist aber vor allem Familienhund: zutraulich, verschmust, kinderlieb.
Qualitäten, die sie auch als Mutter zeigt. Auch wenn diese quirlige Bande aus schokobraunen, schwarzen und schwarz-weiß gescheckten Kindern (12 Rüden und 6 Hündinnen) manchmal ganz schön anstrengend sein kann. Dann gönnt sich Rieke zwischendurch eine Auszeit, lässt die Kleinen im Zwinger zurück und wandert über den Hof. Ohne Anhang.
Anstrengende Tage für alle Beteiligten
Extrem anstrengend waren die ersten Tage nach der Geburt auch für die ganze Familie Wensing. Auch wenn sie längst schockverliebt sind. Alle bringen sich mit ein - im Schichtdienst und immer im Zweier-Team.
Brigida Wensing: „Es gab sofort einen richtigen Einsatzplan, der perfekt funktioniert hat.“ Alle zwei Stunden musste anfänglich nämlich mit einer Spezialmilch zugefüttert werden.
Bei der Futterbeschaffung kommt Heinrich Wensing sein Job bei der Raiffeisen-Genossenschaft in Legden zugute. Vater Heinrich und Sohn Thomas haben für die herausfordernden Aufgaben erstmal „Welpen-Urlaub“ genommen. „Elternzeit“ witzeln sie. Die freien Tage waren eigentlich mal fürs Schützenfest gedacht.

Raubtierfütterung: Bei neun Zitzen und 18 hungrigen Welpen ist jeder Platz heiß umkämpft. © Christiane Hildebrand-Stubbe
Anfangs hatte Rieke gar keine Milch, die kam erst nach medikamentösen Impulsen. „Das sei ein Schutz der Natur, um die Hündin zu schonen, habe ich gehört“, sagt Brigida Wensing.
Für Rieke war schon die ganze Schwangerschaft sehr strapaziös: Zuerst haben wir gedacht, dass es gar nicht geklappt hat“, berichtet Theresia. „Und dann ist sie quasi explodiert, war kugelrund und konnte sich zum Schluss kaum noch bewegen“, ergänzen Thomas und Christoph. Alle Welpen waren bei der Geburt bereits 100 Gramm schwer. Jetzt wiegen sie im Durchschnitt 500 bis 600 Gramm.
Familiärer Fulltime-Job
Auch wenn die Abstände zwischen den einzelnen Fütterungen inzwischen größer geworden sind, und die Pausen noch länger werden sollen, es geht nicht nur um Nahrungsaufnahme. Die Fläschchen müssen gesäubert und sterilisiert, überhaupt alles sauber gehalten werden. Zwinger, Wurfkiste, Tiere.
Außerdem werden die Kleinen nach jedem Zufüttern der Mutter angelegt. In Etappen versteht sich. Im alten Haus ist dafür ein richtiges „Stillzimmer“ eingerichtet worden.
Mit Wärmelampe und anderem Equipment. Und massieren, damit es mit der Verdauung klappt, gehört auch noch zum Programm. Das alles aber nehmen die Wensings in Kauf. Nachdem sie den überraschenden Familienzuwachs längst verarbeitet haben, sogar sehr gerne. „Wir sind einfach nur glücklich und dankbar, dass alle überlebt haben“, sagt Brigida Wensing.
Zurzeit sind die Welpen noch nicht mobil, haben die Augen geschlossen. Aber auch für den Zeitpunkt, dass sie auf Entdeckungsreise gehen, ist im Bullenstall alles vorbereitet. Vorbereitet sind sie auch darauf, dass sie irgendwann mal Abschied nehmen müssen.
Frühestens nach 12 Wochen, sagen sie. Viele Welpen bleiben auch in der Familie, bei Bekannten. Ob sie selbst auch einen Welpen behalten, steht noch nicht fest. Fest steht aber schon, dass es Riekes erster und letzter Wurf ist: „Wir wollen das Rieke nicht noch einmal zumuten.“
Seit über 30 Jahren dem Medienhaus treu verbunden geblieben, zunächst in Steinfurt und jetzt in Ahaus. Hegt eine Leidenschaft für gute Geschichten, Menschen und ihre Schicksale.
