
© Markus Gehring
Sarah Brundu kritisiert: „Corona-Soforthilfe ist ein Schlag ins Gesicht!“
Fotostudio Brundu
Sarah Brundu betreibt das Fotostudio Brundu. Die Corona-Krise stellt sie wirtschaftlich vor große Probleme. Die finanzielle Soforthilfe vom Land verpufft. Schuld ist das dazugehörige FAQ.
Mit voller Wucht hat die Corona-Krise das kleine Fotostudio Brundu in Nienborg getroffen. Bis Montag (20. April) mussten die Ladentüren wochenlang geschlossen bleiben. Der Umsatz ist von einem auf den anderen Tag praktisch um 100 Prozent eingebrochen. Für Inhaberin Sarah Brundu eine wirtschaftliche Katastrophe und Nervenprobe zugleich. Nicht mal die finanzielle Corona-Soforthilfe vom Bund konnte das ändern. Im Gegenteil.
Dabei hatte Sarah Brundu direkt am 27. März am Online-Verfahren des Landes NRW teilgenommen. Auf diesem Wege können beispielsweise Solo-Selbstständige und Kleinstunternehmen finanzielle Soforthilfe beantragen, die den wirtschaftlichen Schaden durch die Corona-Krise etwas mildern soll.
Der Server bei der Antragsstellung war völlig überlastet
„Drei Stunden hat es gedauert, ehe ich den Antrag durch hatte“, berichtet Sarah Brundu. Dabei ist dieser gar nicht so lang, doch der Server war an diesem Tag hoffnungslos überlastet. Nicht nur einmal sei alles abgestürzt. Die Belohnung für das Durchhaltevermögen folgte nur wenige Tage später: 9000 Euro überwies das Land auf das Konto von Sarah Brundu.
Die Höhe der Summe richtet sich nach der Anzahl der Mitarbeiter. Bei bis zu fünf Mitarbeitern gilt die Höhe von 9000 Euro. „Ich habe nur eine 450-Euro-Aushilfskraft“, so Sarah Brundu. Eine gelernte Fotografin, die allerdings in diesem Monat wegen der Corona-Krise nicht im Einsatz ist.
Über das Geld darf nicht frei verfügt werden
„Als das Geld da war, kam so etwas wie Hoffnung auf“, blickt die Fotostudio-Betreiberin zurück. Denn bei keinerlei Einnahmen und jeder Menge Fixkosten bot die Summe Spielraum, an einer wirtschaftlichen Lösung zu arbeiten und überhaupt über die Runden zukommen.

Direkt nach der Freischaltung am 27. März hat Sarah Brundu das Online-Formular für die finanzielle Soforthilfe ausgefüllt. Drei Stunden hat das Prozedere gedauert, da der Server komplett überlastet war. © Till Goerke
Über das Geld, so die erste Information des Landes, dürfe jeder Begünstigte frei verfügen. Eine steuerliche Deklaration sei zwar notwendig, nicht jedoch eine Rückzahlung. Eigentlich. Denn so wie vom Land angepriesen ist die Sache dann doch nicht. „Für mich ist das Ganze ein Schlag ins Gesicht“, stellt Sarah Brundu klar.
Soforthilfe darf nicht für Krankenkassenbeiträge genutzt werden
Was ist passiert? „Ende vergangener Woche teilte mir mein Steuerberater mit, dass ich das Geld nicht frei verwenden kann“, erzählt Sarah Brundu. Beiträge für Krankenversicherung und Rentenkasse dürfe sie nicht (mehr) von dem Geld bezahlen. Auch private Kredite oder der Lebensunterhalt seien plötzlich ausgenommen. Lediglich Betriebskosten wie etwa Miete, Strom und Wasser dürften mit dem Geld abgedeckt werden.
„Doch bei der Antragsstellung stand, dass man frei über das Geld verfügen darf“, versteht Sarah Brundu die Welt nicht mehr. „Ich bin am Boden zerstört. Die Kosten wie Krankenversicherung laufen für mich als Selbstständige ja weiter. Ich muss mich ja versichern.“ Doch kann das wirklich sein? Wurden nachträglich seitens des Landes Änderungen hinsichtlich der Verwendung vorgenommen?
Die IHK bestätigt die Schilderung von Sarah Brundu
Nachfrage bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Nord Westfalen. „Leider hat Frau Brundu nicht ganz unrecht“, macht Sven Wolf keinen Hehl aus der Sache. Die Angelegenheit sei sehr unglücklich gelaufen. Und betrifft nun alle, die in den „Genuss“der Soforthilfe gekommen sind.

Wenige Tage nach der Antragsstellung hatte Sarah Brundu die 9000 Euro auf ihrem Konto. Nutzen darf sie das Geld allerdings jetzt nur noch sehr eingeschränkt. (Symbolfoto) © picture alliance/dpa
Konkret heißt das: Ja, das Land NRW hat nachträglich die an die Auszahlung des Geldes geknüpften Bedingungen geändert. Das belegt auch ein Vergleich der aktuellen FAQ-Fassung mit Screenshots der ursprünglichen Version, die der Redaktion unabhängig vom Fall um Sarah Brundu zugespielt wurden.
Die 9000 Euro sind Bundesgelder
Sven Wolf von der IHK erklärt dazu: „Die 9000 Euro sind Bundesgelder. Und der Bund hat die Verwendung der Gelder klar geregelt.“ Das Land NRW selbst hat die Gelder des Bundes 1:1 an die Betroffenen weitergereicht, im FAQ auf der eigenen Webseite allerdings festgelegt, dass die Gelder frei verwendet werden dürfen. So erklärt es Sven Wolf. „Nach zwei oder drei Tagen wurden die Bedingungen im FAQ vom Land noch einmal grundlegend überarbeitet.“ Und damit an die Bundesvorgaben angepasst.
Damit einhergehend entfiel die Klausel der freien Verwendung. „Das ist doch unfassbar. Bei mir liegt das Geld jetzt auf dem Konto, ich bräuchte es dringend, aber darf es kaum nutzen“, sagt Sarah Brundu. Sie hadert mit der Situation. Die laufenden Betriebskosten seien überschaubar. Nicht aber Versicherungsbeiträge und die Finanzierung des Lebensunterhaltes: „Dafür bräuchte ich das Geld bitter nötig.“
Sarah Brundu wird geraten, Hartz IV zu beantragen
Obendrein muss Sarah Brundu nach drei Monaten schauen, wie hoch ihre Betriebskosten tatsächlich waren und den nicht benötigten Teil der 9000 Euro zurückzahlen ans Land. „Ich soll Hartz IV beantragen, wenn ich nicht über die Runden komme“, erzählt Sarah Brundu. Die Worte gehen ihr nah, das merkt man.

Krankenkassenbeiträge dürfen jetzt, anders als zunächst vom Land angekündigt, nicht mit dem Geld der Soforthilfe bezahlt werden. © picture alliance/dpa
„Ich liebe meine Arbeit und den Kontakt zu den Kunden. Ich möchte arbeiten, doch konnte es lange nicht und auch jetzt nur nach Terminabsprache sehr eingeschränkt. Das macht mich unfassbar traurig.“ Und ganz nebenbei geht es ums wirtschaftliche Überleben.
Wegen der Corona-Krise fallen alle Events aus
Feste, Hochzeiten, Taufen, Kommunion – alles fällt wegen der Corona-Krise ins Wasser. „Gerade in den Sommermonaten baue ich bei diesen Veranstaltungen finanzielle Reserven für die schwächeren Monate auf“, berichtet Sarah Brundu. „Das ist jetzt nicht möglich. Das zerrt schon an den Nerven.“
Die Sache mit der jetzt arg eingeschränkten Soforthilfe sei da der negative Höhepunkt. Ein Szenario ohne Ausweg? Nicht ganz, wie Sven Wolf von der IHK sagt. „Möglich wäre es, dass das Land NRW finanziell in die Bresche springt.“ Sprich aus eigener Tasche Mittel zur Verfügung stellt, über die Solo-Selbstständige und Co in der Verwendung frei verfügen können.
„Wir als IHK befürworten so etwas in jedem Fall“, so Sven Wolf. Doch noch ist das Zukunftsmusik. „Aktuell können wir Betroffenen nur raten, die Grundsicherung zu beantragen. Leider.“ Umgangssprachlich Hartz IV. Etwas, das Sahra Brundu ebenfalls „als Schlag ins Gesicht“ bezeichnet.
Liebt als gebürtiger Münsterländer die Menschen und Geschichten vor Ort. Gerne auch mit einem Blick hinter die Kulissen. Arbeitsmotto: Für eine spannende Story ist kein Weg zu weit.
