
© Till Goerke
Mit Video: Warum die Pläne für die Burgschänke ganz neu gedacht werden
Archäologische Funde
In der Burgschänke wurden bedeutsame archäologische Funde gemacht. Das wirbelt die bisherigen Pläne durcheinander. Mehr noch: Es könnte ein radikaler Schritt folgen. Aber einer mit Weitblick.
Es ist ein Schritt in eine andere Welt. Über einen festgetretenen Bauschutthaufen geht es in die alte Burgschänke in Nienborg. Es ist kühl, riecht ein wenig muffig. Stimmen sind zu hören.
Über Holzbretter, die als Brücken fungieren, geht es durch das entkernte Gebäude. Links und rechts davon geht es abwärts. Der Putz bröckelt. Dann tauchen Scheinwerferlichter auf. In einem großen Raum.
Archäologen arbeiten noch
In einer zwei Meter tiefen Aushebung arbeitet Archäologin Dr. Luisa Radohs vom LWL zusammen mit einer Kollegin. Minutiös dokumentieren sie jeden Fund, jeden Stein, das Gesamtbild. In der Burgschänke wurde geschichtlich Wertvolles entdeckt. Und das ist jetzt Chance und Herausforderung zugleich.
Markus Jasper und Jürgen Lammers vom Trägerverein Landesburg Nienborg werfen einen prüfenden Blick auf den Grabungsplan der Burgschänke. Dann einen Blick auf die in der Grube zu erkennende Burgmauer. Ehe Markus Jasper mit dem Finger den Grundriss des Gebäudes in der Luft nachzeichnet.

Die Tage der Burgschänke (l.) könnten gezählt sein. Die Idee eines Neubaus steht im Raum. © Till Goerke
„Das alles hier“, sagt er, während er den Plan zur Seite legt, „steht auf dem Fundament des ehemaligen Burgturmes.“ Ein Fund, mit dem so im Vorfeld niemand vom Trägerverein gerechnet hatte. „Das alles ist ein tolles Stück Nienborger Geschichte, das wir jetzt richtig in Szene setzen wollen.“
Genau das ist die große Herausforderung. Von den ursprünglichen Planungen und aktuell auch der Kostenkalkulation musste sich der Trägerverein schon längst verabschieden. Wegen der archäologisch wertvollen Funde.
Ursprüngliche Planung hinfällig
Grundidee war es vor einigen Monaten mal, die beiden Kellerräume der ehemaligen Burgschänke, die schon jahrelang leer stehen, zu erschließen und die Räumlichkeiten auf Vordermann zu bringen. Ebenso das Burgtor.
Geplante Kosten für die Umgestaltung: 2,15 Millionen Euro – mit 1,45 Millionen Euro Fördergeldern des Landes. Zuvor hatte der Rat Anfang 2020 beschlossen, dass die Gemeinde die Burgschänke und das Burgtor für 40 Jahre von der Besitzerfamilie pachtet. Mit Verlängerungsoptionen.

Es sieht wüst aus in der alten Burgschänke, die auf dem Fundament des alten Burgturmes errichtet wurde. © Till Goerke
Die Idee dahinter: Die Vereine erhalten so Räumlichkeiten und die Burganlage wird als Zeugnis heimatlicher Geschichte aufgewertet, was im Idealfall zugleich auch Besucher nach Nienborg locken könnte. Stichwort Tourismus.
Doch jetzt muss alles neu gedacht werden. Im ersten Augenblick mutet das wie ein Rückschritt an. Doch das lässt Jürgen Lammers so nicht stehen. „Nein, es ist eine riesige Chance für uns, hier etwas noch Besonderes zu schaffen.“ Allerdings bereiten auch ihm derzeit die Kosten Sorgen. Noch.
Burgturmreste als Fundament
Problem ist das Fundament des ehemaligen Burgturmes. Dieser wurde 1830 komplett dem Erdboden gleich gemacht und darauf die Burgschänke errichtet. Das wiederum dürfte bei einer Kernsanierung Probleme und vor allem hohe Kosten mit Blick auf Statik und Material nach sich ziehen.
Über Zahlen reden Markus Jasper und Jürgen Lammers nicht gerne. Aus dem einfachen Grund, weil derzeit alles noch im Fluss, auch für sie noch nicht richtig greifbar ist. Doch es fällt die Aussage „in Richtung drei Millionen Euro“. Wenn nichts passiere.

Es wird noch tiefer in den Boden gehen. Die archäologischen Arbeiten sind noch längst nicht abgeschlossen. © Till Goerke
Doch das soll es. „Wir wollen versuchen, in den ursprünglichen Kostenrahmen zurückzukommen“, erklärt Lammers. Und an dieser Stelle kommt ein auf den ersten Blick überraschender Schritt ins Spiel. Der komplette Abriss der Burgschänke. Der denkmalgeschützte Torbogen soll natürlich stehen bleiben.

Seit mehreren Monaten sind die Archäologen in der Burgschänke beschäftigt. Sie haben auch schon Keramik und Silbermünzen gefunden. © Till Goerke
„Ein Neubau dürfte günstiger und mit Blick auf die laufenden Kosten sogar deutlich günstiger sein“, sagt Markus Jasper. Stichwort energieeffizientes Bauen. Davon ab könnte der Neubau versetzt zum Turm-Fundament realisiert werden. So wäre das Problem mit der Statik aus der Welt.
Aus einem wurden zwei Projekte
Losgelöst davon macht der Vorsitzende des Trägervereines eines deutlich: „Wir sprechen hier jetzt von zwei, nicht mehr nur einem Projekt.“ Der wie geplanten Schaffung von Räumlichkeiten für die Vereine und zum anderen der Sichtbarmachung der Funde.
Für Schritt zwei braucht es aber weitere Fördergelder, macht Jasper deutlich. Derzeit würden die Möglichkeiten ausgelotet. Auf allen notwendigen Ebenen. Erfreulicherweise habe die Bezirksregierung als Förderstelle bereits zugesichert, dass der Trägerverein für die Realisierung bis 2026 Zeit habe.

Archäologin Dr. Luisa Radohs und ihre Kollegin haben noch viel Arbeit vor sich, alle Funde in der Burgschänke zu dokumentieren. © Till Goerke
Ursprünglich war mal das Ziel, 2023 fertig zu sein. Passend zum zum 825-jährigen Ortsbestehen. Das wird nicht mehr funktionieren. Doch Ärger darüber ist weder Markus Jasper noch Jürgen Lammers anzumerken. Sie sprühen vielmehr vor Tatendrang.
Vielversprechende Ideen
Die Ideen, die sie schildern, hören sich vielversprechend an. Da noch nichts spruchreif ist, wird an dieser Stelle auf Details verzichtet. Nur so viel: Interaktiv soll das Ganze nach Möglichkeit werden. Unter Einbindung der historischen Funde.
Das aktuelle Jahr sehen die Beiden als Jahr der Um- bzw. Neuplanung an. Einen Baustart in 2022 halten sie – Stand jetzt – nicht für realistisch. Noch also hat die alte Burgschänke ein paar Tage vor sich, ehe wohl die Abrissbagger anrücken und neue Geschichte geschrieben wird.
Liebt als gebürtiger Münsterländer die Menschen und Geschichten vor Ort. Gerne auch mit einem Blick hinter die Kulissen. Arbeitsmotto: Für eine spannende Story ist kein Weg zu weit.
