Germanwings-Absturz am 24. März 2015 „Wir sind stumm und sprachlos geworden“

Der 24. März 2015 und was dann folgte: „Wir sind stumm und sprachlos“
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Am 24. März 2015 ereignete sich die bislang größte Tragödie in der deutschen Luftfahrtgeschichte: Um 10.41 Uhr zerschellte die Germanwings-Maschine mit der Flugnummer 4U9525 auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf am Hochgebirgsmassiv Seyne-les-Alpes.

An Bord waren 144 Passagiere und sechs Besatzungsmitglieder. Die Aufmerksamkeit richtete sich schnell auf Haltern. Eine verkürzte Chronologie.

Der Airbus A320 hebt um 10.01 Uhr in der katalonischen Stadt Barcelona ab, um 11.55 Uhr wird die Maschine in Düsseldorf erwartet. In den hinteren Reihen sitzen 14 Schülerinnen, zwei Schüler und zwei Lehrerinnen vom Joseph-König-Gymnasium. Das Flugzeug verlässt die katalanische Stadt um 10.01 Uhr, um 11.55 Uhr soll sie in Deutschland landen. Den letzten Kontakt zwischen Flugzeug und Flugsicherung gibt es um 10.30 Uhr. Danach sinkt die Maschine und verschwindet schließlich vom Radar.

Kirchen als Trauerorte

Am Mittag verdichtet sich die Nachricht, dass die Austauschschüler und die sie begleitenden Lehrerinnen des Gymnasiums unter den Opfern sind. Die Eltern kommen zur Schule, die Schülerinnen und Schüler werden nach Hause geschickt, Journalisten belagern das Gymnasium.

Die Sixtus-Kirche und die Erlöserkirche werden für stille Gebete geöffnet. Eine Flut von Kondolenzbekundungen aus aller Welt erreichen das Gymnasium, die Stadt und die Kirchen. Abends findet die erste von dann täglich folgenden ökumenischen Trauerandachten in der Sixtus-Kirche statt.

Menschen stehen während des ökumenischen Gedenkgottesdienstes nach dem Germanwings-Absturz vor der Kirche St. Sixtus in Haltern.
Menschen stehen während des ökumenischen Gedenkgottesdienstes am 27. März vor der Kirche St. Sixtus. Auch Bundespräsident Joachim Gauck ist gekommen. © picture alliance / dpa

Einer ersten Pressekonferenz im Rathaus am 24. März folgt eine zweite am 25. März. „Es ist so etwas wie Karfreitag in Haltern angebrochen“, sagt Pfarrer Martin Ahls. Denn es wird bekannt, dass der 27-jährige, psychisch kranke Co-Pilot das Flugzeug absichtlich gegen das Bergmassiv gesteuert hat. Er wollte sterben, aber nicht allein.

Ein großes Notfallseelsorge-Team ist in Haltern, um Eltern und andere Trauernde in dem unendlichen Leid aufzufangen. Stille, Klage, Not, Trauer – die Stadtbevölkerung ist wie gelähmt.

Die Treppen vor dem Eingang des Joseph-König-Gymnasiums verwandeln sich in ein Meer aus Blumen und Kerzen. „Gestern waren wir viele. Heute sind wir allein“, steht auf einem Banner geschrieben. Bundeskanzlerin Angela Merkel fliegt nach Frankreich zur Absturzstelle: „Es ist eine wahrhafte Tragödie!“

Bundespräsident reist an

Am 27. März findet in der Sixtus-Kirche ein ökumenischer Gedenkgottesdienst unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Bischof Felix Genn ist da, ebenso Präses Annette Kurschus. Bundespräsident Joachim Gauck und seine Lebenspartnerin Daniela Schadt reisen aus Berlin an, Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und Schulministerin Sylvia Löhrmann aus Düsseldorf.

„Wir sind stumm und sprachlos geworden durch das, was da geschehen ist. Wir spüren die unerbittliche Macht, mit der der Tod unsere Freude lähmt“, sagt Bischof Felix Genn. „Leider bringt keine irdische Kraft die Kinder und Lehrerinnen zurück“, trauert der Bundespräsident mit den Angehörigen und Freunden der Opfer.

Am 17. April ist im Kölner Dom ein Staatsakt für alle Opfer der Flugzeugkatastrophe. Auch Schülerinnen und Schüler aus Haltern fahren mit einem Bus nach Köln. 500 Angehörige, 50 Einsatzkräfte, die an den Bergungsarbeiten in den französischen Alpen beteiligt waren, Bundespräsident Joachim Gauck, Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundestagspräsident Norbert Lammert, der spanische Innenminister Jorge Fernandez Diaz sowie der französische Verkehrsminister Alain Vidalies sitzen unter den 1400 Trauergästen in den Kirchenbänken.

Am 24. März ist etwas zerstört worden, was nicht mehr geheilt werden kann, sagt Bundespräsident Joachim Gauck. Rainer Maria Kardinal Woelki sieht in vor Schmerz versteinerte Gesichter: „Worte sind zu schwach, Sie zu trösten.“

Trauerkondukt nach Haltern

Zwei Monate nach der Katastrophe werden die Leichen der Opfer für Beerdigungen freigegeben. Am 10. Juni setzt sich in Düsseldorf ein Trauerkondukt mit weißen Leichenwagen Richtung Haltern in Bewegung. Von der Autobahn bis zur Schule stehen Menschen Spalier, erstarrt, weinend, betend. In der Zeit zwischen dem 12. und 25. Juni finden die Beisetzungen der Jugendlichen und der Lehrerinnen auf unterschiedlichen Friedhöfen statt.

Schüler stehen an Gedenkstätte des Halterner Joseph-König-Gymnasiums für die Opfer des Germanwings-Absturzes in den französischen Alpen.
An der Schule steht eine von Spendern finanzierte Gedenktafel und eine Lichtsäule, beides aus Corten-Stahl. Ergänzend lässt die Schule Bänke aufstellen. Schüler sollen die Möglichkeit haben, hier inmitten des quirligen Schulalltags zu verweilen. Nicht in steriler Trauer, sondern in der Stimmung eines normalen, lebendigen Schulalltags, wie ihn auch die verstorbenen Schülerinnen und Schüler und ihre Lehrerinnen erlebt haben. © Holger Steffe

Am Joseph-König-Gymnasium wird am 14. August eine Gedenktafel mit den Namen der Jugendlichen und der Lehrerinnen eingeweiht, am 21. August die Gedenkstätte auf dem Kommunalfriedhof im Sundern.

Bundeskanzlerin Angela Merkel kommt nach Haltern, als der große Presserummel vorbei ist. Am 20. Oktober spricht sie mit den Angehörigen, Lehrern und Schülern im Joseph-König-Gymnasium: „Ihre Schule hat etwas so Furchtbares erlebt. Ich möchte den Eltern, Lehrern und Schülern heute deutlich machen, dass ich an sie denke, dass die Bundesregierung an sie denkt und auch viele Menschen in der Bundesrepublik an sie denken.“

Am zweiten Jahrestag wird in La Vernet/Frankreich eine Sonnenkugel als Symbol des Lebens aufgestellt. Sie besteht aus 149 einzelnen Elementen und erinnert als zentrales Gedenkelement unmittelbar an der Absturzstelle von Flug 4U9525 dauerhaft an die 149 Opfer des Unglücks vom 24. März 2015.

Jedes Jahr am 24. März versammeln sich Halterner zum Gedenken und zum ökumenischen Gottesdienst. In Erinnerung geblieben ist ein Flehen von Pfarrer Karl Henschel: „Wir erinnern uns an die Entrissenen. Nichts kann sie ersetzen. Gott, wo warst Du? Du scheinst so weit weg!“

Handwerker stellen Gedenkstein für die Opfer des Germanwings-Absturzes auf dem Sundernfriedhof in Haltern auf.
Ein 3.600 Kilogramm schwerer Gedenkstein, der an die Flugzeugkatastrophe vom 24. März erinnert, wird im Juli 2015 auf dem Sundernfriedhof aufgestellt. © Daniel Winkelkotte

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