
Ralf Heßling-Mecking vom Eigenbetrieb Stadtentwässerung Haltern am See spricht über die Lieferengpässe von Fällmitteln. In Haltern sollen die Chemikalien Phosphate binden und die Bildung von Schwefelwasserstoff verhindern. © Benjamin Kübart
Engpass von Chemikalien zur Wasserreinigung: „Wir mussten ein paar Tage überbrücken“
Abwasser
Chemikalien zur Abwasser-Behandlung werden in Deutschland knapp. Durch die Lieferprobleme musste die Stadt Haltern gegen üblen Gestank in einer Abwasserleitung ankämpfen.
Ressourcen werden knapp und die Preise steigen. In der Energiekrise tritt besonders der Mangel an Gas in den Vordergrund. Im September fällt ein weiterer Engpass auf: Chemikalien, sogenannte Fällmittel, sind von Lieferschwierigkeiten betroffen. Sie kommen bundesweit in Kläranlagen zum Einsatz, um das Abwasser zu reinigen.
Einsatz von Fällmitteln
Fällmittel (Eisen- oder Aluminiumsalze) binden im Abwasser gebundene Phosphate. Damit verhindern sie, dass Phosphate in hohen Konzentrationen in Gewässer gelangen. Zwar haben diese keine direkt toxische Wirkung, können aber das Wachstum von Wasserpflanzen und Algen fördern. Algenblüten könnten dann Schäden verursachen, indem sie Bächen, Flüssen und Seen Sauerstoff entziehen. Durch Sauerstoffmangel kippen Gewässer um. Es kommt zum Fischsterben.
Der Lippeverband betreibt die Kläranlagen in Haltern-Mitte, Haltern-West und Haltern-Hullern. „Wir sind glücklicherweise (noch) nicht von den Lieferengpässen betroffen, da wir aufgrund langfristiger Rahmenverträge nach wie vor beliefert werden. Grundsätzlich beobachten wir die Marktlage aber ganz genau“, sagt die Pressestelle des Lippeverbands auf Nachfrage.
Behörden machen Vorgaben
Selbst wenn die Fällmittel in Haltern knapp würden, könnte der Betreiberverband das Abwasser nicht einfach in ein Gewässer umleiten, erklärt die Pressestelle: „Als Konsequenz müssten die Behörden die Messwerte im gereinigten Abwasser höher setzen, das heißt eine höhere Toleranz zulassen.“ In den Bundesländern Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen sei das bereits geschehen.

Im Pumpwerk an der Straße "Am Wehr" in Sythen befindet sich die Dosierstation für Fällmittel. Sie ist von April bis Oktober in Betrieb. © Benjamin Kübart
Fällmittel-Mangel an Pumpwerk
Vor Kurzem war die Stadtverwaltung allerdings von den Lieferengpässen für Fällmittel betroffen. Die Chemikalien verhindern die Bildung von Schwefelwasserstoff im Abwasser, der ansonsten für einen üblen Geruch sorgt. Zu diesem Zweck betreibt die Stadt Haltern eine Fällmittel-Dosierstation in einem Pumpwerk in Sythen, erzählt Ralf Heßling-Mecking. Er arbeitet als technischer Leiter beim Eigenbetrieb Stadtentwässerung.
„Bevor wir die Dosierstation hatten, gab es in jedem Sommer Probleme.“ Selbst in Einkaufsstraßen hätten Menschen den Gestank wahrgenommen. Die Stadt richtete die Station vor etwa fünf Jahren ein. Sie dosiert das Eisen-Chlorid (Eisensalze) „tröpfchenartig, in relativ geringer Menge“, so Heßling-Mecking.
Anfang September meldete sich der Lieferant der Stadt und sagte, er könne nicht liefern. Das Pumpwerk an der Straße „Am Wehr“ in Sythen befördert das Abwasser-Gemisch in ein Freigefälle-Netz und von dort aus bis zum Klärwerk. „Irgendwo im Freigefälle-Netz entstehen die Gerüche“, sagt Heßling-Mecking. Weil dieses belüftet ist, kann der Gestank auffallen.
Gelmatten neutralisieren Gestank
„Wir mussten ein paar Tage überbrücken“, so der technische Leiter zum Lieferengpass. Wird die Belastung zu groß, nutzt die Stadt Gelmatten, die den Geruch neutralisieren. Das passiert auch im regulären Betrieb, wenn sich Anwohner beschweren. Schwerpunkte der Geruchsbelastung seien beispielsweise die Straßen „Zu den Mühlen“ oder die „Seestraße“.
Der kurzzeitige Lieferengpass habe sich nicht zu einem großen Problem herausgebildet, „aber wir hatten die Befürchtung“, sagt Heßling-Mecking. Jetzt gibt es wieder genug Fällmittel für die Dosierstation.
Ab Oktober wird die Station regulär außer Betrieb genommen. „Die Bildung von Schwefelwasserstoff hängt von einer ganzen Reihe von Faktoren ab. Im Wesentlichen sind das Temperatur und pH-Wert.“ Im Frühjahr und Winter seien die Voraussetzungen deshalb unproblematisch.
Geboren im Ruhrgebiet, kann auch die B-Seiten auf „4630 Bochum“ mitsingen. Hört viel Indie-Rock. Hat das Physikstudium an der Ruhr-Uni durchgespielt und wurde Journalist. Liebt tiefe Recherchen, Statistiken und „The Big Lebowski“. Sieht lokale Geschichten im großen Kontext und erzählt sie in Schrift, vor dem Mikro und der Kamera.
