Seit 37 Jahren erledigt Hartmut Giese den Getränkekauf mit seinem Fahrradanhänger.

Seit 37 Jahren erledigt Hartmut Giese den Getränkekauf mit seinem Fahrradanhänger. © privat

Hartmut Giese (60) aus Haltern hat 16 Jahre auf das Auto verzichtet

rnRadfahrer

Hartmut Giese brennt fürs Fahrrad und den öffentlichen Nahverkehr. Mehr als die Hälfte seines Lebens reist er hauptsächlich mit den beiden Verkehrsmitteln. 16 Jahre lang besaß er gar kein Auto.

Haltern

, 06.06.2022, 14:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Bis zu acht Getränkekisten mit einer Fahrt transportiert Hartmut Giese auf seinem Fahrradanhänger. „Das Auto dafür mit einer Tonne Blech zu bewegen, halte ich für unwirtschaftlich – im finanziellen wie im ökologischen Sinne“, meint der 60-Jährige. Seit 37 Jahren fährt er hauptsächlich auf dem Fahrrad und mit dem öffentlichen Nahverkehr – der Pkw bleibt Nebensache.

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Im Jahr 1985 fokussierte Giese sich ganz auf das Rad und den ÖPNV: Während seines Studiums in Bochum ging sein Auto kaputt. Sein Vater bot ihm an, einen neuen Wagen zu kaufen. „Ich wollte keinen“, erzählt Giese. „Das war guter Sport, ich konnte mich körperlich fit halten.“

16 Jahre ganz ohne Auto

Sechzehn Jahre lang verzichtete Giese vollständig auf einen neuen Pkw. Im Jahr 2001 ist er verheiratet, lebt in Haltern und wird Vater von Zwillingen. Das Ehepaar entscheidet sich letztendlich für den Autokauf. „Als die Kinder klein waren, war das wirklich praktisch. Wir hatten zwar einen Fahrradanhänger für beide, der konnte aber nur von zwei Personen bewegt werden.“ Auch für schwere Transporte oder die Fahrt in den Urlaub greife er gelegentlich aufs Auto zurück, besonders an Orte mit schlechter Bus- und Bahnanbindung.

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Trotzdem will der Radfahrer „so viel wie möglich aufs Auto verzichten“. Für die Fahrt zu seinem Arbeitsplatz beim Caritas-Verband braucht der Sozialarbeiter nur fünf Minuten und zu beruflichen Hausbesuchen im Halterner Stadtgebiet fahre er mit dem Rad. Für längere Strecken nutze er einen Dienstwagen. „Das klappt bestimmt nicht in jeder Lebenssituation“, schiebt er ein, „aber wenn das Auto vor der Haustür steht, gibt es meist keine Überlegung mehr. Da nehmen die meisten den Wagen. Ich bin dafür, mehr Freiheit bei der Entscheidung zu haben.“

Giese schlägt mehrere Dinge vor, um sich selbst an die Alternativen zum Auto zu erinnern. „Ich kann überlegen: Wo kann das Fahrrad stehen, damit ich keinen großen Aufwand habe, es zu nutzen? Lieber neben der Haustür als hinter ein paar Kisten im Keller!“ Auch eine Erinnerungsstütze am Autoschlüssel könne helfen, den Wagen stehen zu lassen. Wichtig sei aber vor allem der Austausch mit anderen Menschen.

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Der 60-Jährige sei außerdem bei jedem Wetter unterwegs. „Ich traue mich auch bei Regen zu fahren“, sagt er. „Ich habe Regenzeug, Regenhose und -jacke immer dabei.“

Anstelle sich ein subventioniertes Lastenrad zu kaufen, besitzt er zwei Fahrräder. „Da lege ich Wert drauf, eins ist mein Ersatz. Das ist ein einfaches Rad mit drei Gängen.“ Sein zweites Fahrrad ist ein Touren-Rad, mit dem Giese sogar mehrtägige Ausflüge plant. „Ich bin ein sparsamer Mensch, ich habe immer noch meinen alten Anhänger. Ein E-Bike brauche ich auch nicht, ich habe ein M-Bike – so nenne ich das – ein ‚Muskel‘-Bike.“

„Die ÖPNV-Situation in Haltern ist bedauerlich“

Mit dem öffentlichen Nahverkehr im Bochum der 80er-Jahre war Giese zufrieden. An seinem Wohnort sieht er das heute anders: „Die ÖPNV-Situation in Haltern ist bedauerlich. Nach halb neun am Abend kommt fast kein Bus mehr. Hier gibt es weniger Nutzer als in Bochum, das rechnet sich vielleicht nicht, aber dann müssen andere Lösungen her.“

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Das 9-Euro-Ticket aus dem Entlastungspaket der Bundesregierung stimme ihn hoffnungsvoll. „Das macht Mut. Vielleicht werden bestimmte Fahrten so doch mit dem ÖPNV gemacht.“