Zwei Dortmunder bieten anonyme Alternative zu Facebook
Soziales Netzwerk "RuhrConnect"
Facebook geht den Dortmundern Peter Stirnberg und Ulrich Krieger auf den Zwirn. Daher haben sie mit der freien Software Diaspora ein regionales soziales Netzwerk errichtet: RuhrConnect. Es soll eine anonyme und überwachungssichere Alternative zu Facebook sein. Noch ist die Nutzerzahl allerdings sehr überschaubar.

Ulrich Krieger (l.) und Peter Stirnberg haben mit Ruhr Connect eine Alternative zu Facebook errichtet.
Freundlich grüßt das Internetportal, da man sich als Nutzer neu angemeldet hat: „Hallöchen, Diasporas Gemeinschaft ist froh, dich an Bord zu haben.“ Diaspora ist eine freie Software, die New Yorker Mathematik-Studenten 2010 entwickelten. Zwei Dortmunder haben Diaspora genutzt, um ihr dezentrales soziales Netzwerk RuhrConnect zu programmieren. Sie wollen eine anonyme und überwachungssichere Alternative zur „Datenkrake“ Facebook bieten.
Wer mag, kann sich mit einer Million Menschen vernetzen
Wer neu dabei ist, stellt (zumindest derzeit) schnell fest: Dem „Hallöchen“ folgt erst einmal noch nicht viel an weiterer Kommunikation. RuhrConnect ist noch in der Entwicklung, knapp über 30 Leute sind angemeldet. Diaspora wird weltweit jedoch schon von einer Million Menschen genutzt – mit ihnen kann sich, wer mag, vernetzen.
Hinter RuhrConnect steht Netz & Werk IT-Consulting, die Firma der Dortmunder Peter Stirnberg (58) und Ulrich Krieger (57). Sie sitzt im Gebäude des früheren Max-Planck-Institut an der B1. Ihr Hauptgeschäft machen die beiden Software-Entwickler und IT-Berater als Deutschland-Partner der Software „Group-Office“ eines niederländischen Unternehmens, die Firmen für allerlei Anwendungen nutzen.
Ein zweites geschäftliches, aber auch privates Interesse von Stirnberg und Krieger liegt in der anonymen und sicheren Kommunikation im Internet. Im Zuge des Überwachungsskandals um den US-Auslandsgeheimdienst NSA starteten die beiden 2014 ihr regionales E-Mail-Portal Ruhrmail, das heute einige hundert Nutzer hat. Sie garantieren privaten wie gewerblichen Nutzern, dass sie ihre Mails überwachungssicher, werbefrei und verschlüsselt verschicken können. Anders als bei vielen anderen Anbietern, die die Mails ihrer Kunden mitlesen, um Werbung einzublenden.
Facebook? „Geht mir auf’n Zwirn“, sagt einer der Ruhr-Connect-Gründer
Mit RuhrConnect, das nicht über App, sondern via Webbrowser läuft, erweitern die Dortmunder ihr Angebot. Auf einen Account bei Facebook angesprochen, schüttelt Krieger den Kopf, Stirnberg wird deutlicher: „Facebook geht mir auf’n Zwirn.“ Nutzer müssten zig Daten preisgeben, Fotos landeten auf US-Servern. Mit Werbung werde man eh zugeschüttet.
RuhrConnect ist werbefrei. „Wir wollen Nutzern ermöglichen, ein anonymes, privates und soziales Netzwerk aufzubauen“, sagt Stirnberg. Heißt: „Nicht mal wir als Betreiber haben Zugriff auf die Daten, die Nutzer des sozialen Netzwerks untereinander austauschen.“ Die Server stünden „gut gesichert“ in Straßburg. Texte, Bilder - alles, was die Nutzer posten, bleibe auch ihr Eigentum.
Seinen Klarnamen braucht bei RuhrConnect niemand anzugeben, man kann sich auch Kloppo123 nennen. Wie bei Facebook suchen neue Nutzer nach Freunden und Bekannten, um sich mit ihnen zu vernetzen. Das Teilen von Fotos und Anekdoten ähnelt dem bei Facebook. Der Chat auch. Die eigenen Kontakte kann man in Gruppen („Aspekten“) sortieren. Man kann auch Aspekte zu Themen wie BVB und Dortmund bilden und öffentlich dazu einladen – jeder entscheidet selbst, wer seinen Aspekten beitreten darf. Und: Die Nutzer dieser Aspekte sehen einander nicht unbedingt. Die Privatsphäre soll gewahrt bleiben.
Eine Option für Menschen, die sicher kommunizieren wollen
Über einen öffentlichen Stream kann jeder Botschaften versenden, die alle – auch weltweit – sehen können. Umgekehrt haben es Krieger und Stirnberg so eingestellt, dass keine Nachrichten aus aller Welt im Stream von RuhrConnect landen. Es ist eben ein regionales Netzwerk.
Dessen Nutzerzahl ist, wie gesagt, noch klein. „Ich glaube nicht, dass wir in Dortmund oder im Ruhrgebiet eine fünfstellige User-Zahl bekommen“, sagt denn auch Stirnberg selbst. Aber es gehe auch gar nicht darum, mit Facebook in den Wettbewerb zu treten; man wolle schlichtweg Menschen, die sich für sichere Kommunikation interessieren, eine Möglichkeit dazu bieten.
Es sei doch so, sagt Krieger: "Jeder redet über Datensicherheit. Aber etwas dafür tun will so keiner richtig." Er und Stirnberg schon. Ihnen geht es gegen den Strich, dass E-Mail-Anbieter per Mail beispielsweise mitlesen, dass der Staubsauger des E-Mail-Nutzers kaputt ist - und er dann automatisch Werbung für Staubsauger erhält. Oder, sagt Krieger: "Stellen Sie sich vor, Sie schreiben in der Türkei etwas Negatives über Erdogan - und dann wird's gelesen."
Einmal mitgelesene Daten könnten für immer gespeichert werden - wer weiß denn, wo diese - auch in Deutschland - mal landen könnten? Die Überwachung wachse doch auch hier ständig, sagt Stirnberg, und verweist auf die Innenministerkonferenz, die sich in dieser Woche auf die Überwachung von Messenger-Diensten wie WhatsApp geeinigt hat.
Dortmunder wollen Bekanntheit ihres Mail-Portals steigern
RuhrConnect ist kostenfrei und solle es auch bleiben, sagt Ulrich Krieger. Er und sein Geschäftspartner hoffen allerdings darauf, mit ihrem sozialen Netzwerk die Bekanntheit ihres Mail-Portals Ruhrmail zu steigern.
Mit diesem möchten die beiden Dortmunder nämlich geschäftlich durchaus noch höher hinaus: Ihr Vorbild dabei ist der sichere E-Mail-Anbieter Posteo, der ebenfalls einmal klein anfing und inzwischen über 100 000 Postfächer zählt.
Auch an einem weiteren, neuen Projekt tüfteln Krieger und Stirnberg schon: Im kommenden Jahr wollen sie eine überwachungssichere Alternative zu WhatsApp an den Start bringen.
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