
© Uwe von Schirp
Zoff ums Gaudium: Rettet ein neuer Organisator das Fest?
Mittelalterfest
Die Organisatoren des Gaudiums haben die Brocken hingeworfen. Ein Stromkasten wird zum Streitpunkt. Steht er für das Aus des Mittelalterfestes? Nicht unbedingt. Es gibt womöglich andere Lösungen.
Detlef Huß stellt eine klare Forderung. „Das ist ganz einfach. Entweder der Stromkasten wird versetzt oder das war‘s.“ Punkt. Alternativen? Keine. Das erklärt der langjährige Organisator des Megeder Gaudiums auf mehrfaches Nachfragen dieser Redaktion klipp und klar. Am Sonntag (20.6.) haben er und Ehefrau Erika die Organisation des Mittelalter-Festes niedergelegt.
Bei einem Vor-Ort-Termin mit dieser Redaktion am Montagabend (21.6.) steht Huß eine Zeit neben dem Stromverteilerkasten. Huß stilisiert ihn seit Sonntag zum Symbol über die Zukunft des Gaudiums. Und zur Bedingung, dass er und seine Frau weiterhin die beliebte Mittelalter-Veranstaltung organisieren.
Ob das Mengeder Mittelalterliche Gaudium deswegen tatsächlich vor dem Aus steht, ist jedoch völlig offen. Seit Sonntagabend glühen in Mengede sprichwörtlich die Drähte: Bezirksbürgermeister Axel Kunstmann, die Fraktionen der Bezirksvertretung und das Stadtbezirksmarketing suchen nach einer Lösung, wie es weitergeht.

Zwölf Mal haben Detlef (l.) und Erika Huß das Gaudium organisiert. Jeden Tag führten sie den Festzug gemeinsam mit Landvogt Bruno Wisbar über die Festwiese. © Uwe von Schirp
Detlef Huß zeigt sich unterdessen klar und kompromisslos. Dabei weiß er viele der Musiker, Händler, Handwerker, Versorger und „Lagerer“ aus der Gaudium-Gemeinschaft hinter sich. „Ein Gaudium gibt es nur mit Erika und Detlef“, lautet ein Kommentar auf der Facebook-Seite des Festes. „Damit das klar ist.“
Irritationen in der Gaudium-Community
Auslöser für diesen Kommentar war eine Situation am Dienstagmorgen (22.6.). Huß war im Volksgarten zu einem weiteren Medientermin. In einem neuen Facebook-Video berichtete er von einem zufälligen Zusammentreffen mit der Leitung des städtischen Grünflächenamtes und Jörg Wiedelmann.
Wiedelmann ist Mitorganisator der Aplerbecker Schlossfehde, einem weiteren Mittelaltermarkt. Die Gaudium-Community ist irritiert. Der Anruf eines Mitglieds bei Wiedelmann liefert dann die Erklärung. Er habe das Gaudium retten wollen, weil Detlef und Erika Huß nicht weitermachen wollten, heißt es. Darum: „Jörg wir nicht gerupft und geteert“, schreibt die Kommentatorin. „Wir altes Volk halten zusammen.“
Auf Anfrage dieser Redaktion schreibt die Stadtpressestelle zum Treffen des Grünflächenamts mit Wiedelmann im Volksgarten: „Nach dem Rückzug hatte sich die Leitung des Grünflächenamts kurzfristig entschlossen, die Situation von einem Fachmann [...] zunächst beurteilen und prüfen zu lassen.“

Bis zu 600 "Lagerer" sorgten in jedem Jahr für das Flair einer mittelalterlichen Siedlung. © Stephan Schütze
Der werde seine Einschätzung zeitnah mitteilen. Wie es weitergehe, entscheide sich danach. „Die grundsätzliche Entscheidung liegt bei der Bezirksvertretung und beim Stadtbezirksmarketing“, erklärt die Pressestelle. „Hierzu wird es ebenfalls alsbald ein Gespräch mit dem Grünflächenamt geben.“
Bezirksvertretung und Stadt suchen nach einer Lösung
Bezirksbürgermeister Axel Kunstmann erklärt am Mittwochvormittag: „Die Bezirksvertretung und die Stadt machen sich Gedanken, wie das Gaudium weiter erhalten werden kann.“ Dazu streckten Politik, Stadtbezirksmarketing und Verwaltung „die Fühler nach allen Seiten“ aus.
„Es gibt ein großes Interesse in der Bevölkerung, dass das Gaudium erhalten bleibt“, betont der Bezirksbürgermeister. „Und da Detlef und Erika Huß nicht zur Verfügung stehen, muss das dann womöglich mit anderen Personen gehen.“

Mittelalter-Community und Bevölkerung schätzen den einzigartigen Charakter des Festes. © Uwe von Schirp
Kunstmann hatte bereits am Sonntag mit einem Kommentar in einem der vielen Beiträge auf Facebook Stellung bezogen. Am Freitag habe Huß ihm seine Entscheidung mitgeteilt. „Ich habe Detlef gebeten, seine Entscheidung noch einmal zu überdenken, schließlich ist diese jährliche Veranstaltung immer das Highlight im Mengeder Leben gewesen – und dem der ganzen Umgebung.“
Der Entschluss von Detlef und Erika Huß fiel nach einem Ortstermin in kleiner Runde mit dem Grünflächenamt am Donnerstagabend (17.6.). Entgegen zuvor anders lautender Informationen ging es dabei nicht vorrangig um den Stromkasten, sondern um den Standplatz für Sanitäranlagen. Hier braucht das Gaudium mehr Platz. Zusätzlich zu den obligatorischen Toiletten stellen die Organisatoren des Festes auch Wagen mit Duschen auf.
Grünflächenamt hat Lösung angeboten
Den Termin hatte der im Herbst 2020 gegründete Arbeitskreis Volksgarten anberaumt. Dem gehören Vertreter des Grünflächenamtes, aller Fraktionen der Bezirksvertretung, der Inhaber des Volksgarten-Restaurants und die Verantwortlichen der Großveranstaltungen an. Neben Detlef Huß sind das die Bosnische Gemeinde und Ingo Plettner, der Organisator der „Glanzlichter“.
In seiner Corona-bedingt einzigen Sitzung regelte die Runde eine ganze Reihe offener Fragen. Auch für den Wunsch nach einer größeren Sanitär-Fläche habe das Grünflächenamt eine Lösung angeboten, weiß Axel Kunstmann. Huß bestätigt dies.
Die Fläche liegt aber wenige Meter neben der von ihm vorgeschlagenen. Grund dafür sind die Planungen der Stadt für die Neugestaltung des Eingangsbereichs. Das zeigt bereits der Planungs-Entwurf, wenn auch noch in kleinerer Form. Richtig einverstanden ist Detlef Huß damit nicht, verdeutlicht er beim Ortstermin.

Beim Vor-Ort-Termin am Donnerstag (17.6.) ging es um den künftigen Standort der Sanitäranlagen bei Großveranstaltungen. Einmal mehr klafften Pläne des Grünflächenamtes und der Wunsch des Ex-Gaudium-Chefs auseinander. © Uwe von Schirp
Und weil das Areal nur ein paar Meter Wiese von besagtem Stromkasten entfernt liegt, habe er auch dessen Standort noch einmal angesprochen, berichtet Huß. An der Festwiese werde nichts mehr verändert, die Bauarbeiten seien abgeschlossen, sei ihm dann gesagt worden. Seit Monaten wächst dort wieder Gras.
Huß streitet seit fünf Jahren für seine Ideen
„Ich habe nichts mehr gesagt und bin nach Hause gefahren“, erzählt der Ex-Gaudium-Chef. Der Verteilerkasten steht für ihn mitten auf der Wiese. Tatsächlich sind es fünf bis sechs Meter von den Wegen bis zum Kasten. Wie man den schon 2018 in Planungs-Protokollen genannten „Eckbereich“ definiert, ist wohl eine Frage der Sichtweise.
Nun ist es nicht so, dass das Mengeder Gaudium an diesem Standort scheitern würde. „Ich habe immer einen Plan B, auch einen Plan C“, sagt Huß. Natürlich könne man den einen Stand so, den anderen anders platzieren. Und auch auf Facebook fragt ein Kommentator, ob die Standort-Frage es wert sie, das ganze Fest aufs Spiel zu setzen.
Detlef Huß will aber nicht und erklärt: „Es geht nicht allein um den Stromkasten.“ Seit Beginn der Planung, wie der Volksgarten umgestaltet werden soll, nennt er Bedürfnisse des Gaudiums – und streitet vehement für seine Ideen. „Fünf Jahre haben wir das mitgemacht“, sagt er und wiederholt zum x-ten Mal, an welchen Punkten es gehakt hat.
Einvernehmliche Ergebnisse im Arbeitskreis
Unstrittig ist: Es gab Unstimmigkeiten zwischen Bezirksvertretung und Grünflächenamt wegen nicht eingehaltener Absprachen und Alleingänge. „Die Vorwürfe von Herrn Huss wurden aus der Welt geräumt, und die klärenden Gespräche erfolgten in der Bezirksvertretung und waren somit auch öffentlich“, schreibt die Stadt-Pressestelle.
„Ebenso wurde auf Wunsch des Grünflächenamtes ein Arbeitskreis gebildet, der sich mit der Planung und Ausführung der Maßnahmen im Volksgarten Mengede beschäftigt.“ Axel Kunstmann bestätigt im Gespräch mit dieser Redaktion, dass seit Gründung des Arbeitskreises einvernehmliche Ergebnisse erzielt werden.

Handwerk, Musik und Küche aus dem Mittelalter locken in jedem Jahr rund 15.000 Besucher an den vier Festtagen in den Volksgarten. © Uwe von Schirp
Detlef Huß reicht das offenbar nicht. Wie bei nahezu allen Terminen mit dieser Redaktion trägt er ein Gaudium-T-Shirt. Fünf goldene Sterne mit dem Schriftzug auf breiter Brust. Mit diesem Selbstbewusstsein spitzt er eine seiner Forderungen zu: der Strom-Verteilerkasten oder das Gaudium.
Hinter sich weiß er die treue Gefolgschaft der Mittelalter-Akteure. Am Montag kreieren sie auf Facebook den Hashtag #rettetdasmengedergaudium. Darunter wollen sie für den Fortbestand der Großveranstaltung kämpfen. Dazu könnte es durchaus kommen. Allerdings – Stand 23. Juni – wahrscheinlich ohne Detlef und Erika Huß als Organisatoren.
Geboren 1964. Dortmunder. Interessiert an Politik, Sport, Kultur, Lokalgeschichte. Nach Wanderjahren verwurzelt im Nordwesten. Schätzt die Menschen, ihre Geschichten und ihre klare Sprache. Erreichbar unter uwe.von-schirp@ruhrnachrichten.de.
