Der Dortmunder Johannes Willenberg ist späterblindet. Daran scheiterte seine Ehe, aber er lernte auch vieles Neues über Dating und Beziehungen dazu.

© Verena Schafflick

Dating mit Behinderung: Wie ein blinder Dortmunder Frauen kennenlernt

rnSingles in Dortmund

Mit Mitte 30 ist Johannes Willenberg durch eine Krankheit erblindet. Daran scheiterte unter anderem die Ehe des Dortmunders. Doch er lernte auch, beim Dating auf andere Dinge zu achten.

Dortmund

, 13.04.2022, 12:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Retinopathia pigmentosa - diese Krankheit ist dafür verantwortlich, dass der Dortmunder Johannes Willenberg Mitte der 80er-Jahre erblindet ist. Nach der Erblindung musste er nicht nur viele alltägliche Dinge auf eine andere Art lernen, sondern auch Dating.

Denn der gebürtige Rheinländer, der 1979 studienbedingt nach Dortmund kam, ist ein sogenannter Späterblindeter. „Als ich geboren wurde, waren meine Augen noch intakt.“ Erst mit 35 Jahren wurde bei ihm festgestellt, dass er an der Krankheit Retinopathia pigmentosa leidet. „Das ist eine seltene Augenerkrankung, nur circa 30.000 Menschen sind in Deutschland daran erkrankt“, so Willenberg.

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Der Körper erkennt bei dem Gendefekt die Netzhaut nicht als körpereigen an und baut diese infolgedessen ab. Dass die Erkrankung bei Johannes Willenberg erst so spät festgestellt wurde, lag daran, dass der Verlauf bei ihm sehr langsam sei. „Ich hatte 1985 mehrere kleine Geschichten mit dem Auto. Also beim Einparken gegen die Laterne oder in eine Straßenabsperrung fahren“, sagt er. Dann sei er aber vorm Gesundheitsamt in Castrop-Rauxel die Treppe runtergefallen: „Ich hab die Treppe einfach nicht gesehen.“

Zu dem Zeitpunkt war Johannes Willenberg glücklich verheiratet. Doch die Erblindung stellte die Ehe auf eine harte Probe - die sie nicht bestand. „Ich denke, dass ich viel mehr mit mir selbst beschäftigt war, als mir bewusst war. Mir war nicht bewusst, wie wenig sie ein Teil davon war.“ Ständig sei die Frage gestellt worden, was die Erblindung mit ihm mache. „Aber was macht das Ganze mit ihr? Das wurde nie thematisiert“, sagt er nachdenklich. Sie sei eine Außenstehende in ihrer eigenen Beziehung gewesen, obwohl die Erkrankung auch ein Teil ihres Lebens gewesen sei.

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Willenberg, der auch in der Beratung des Blindenvereins in Dortmund arbeitet, sieht dieses Problem häufig: „Der sehende Partner wird oft abgehängt, weil der Fokus auf die behinderte Person fällt.“ Daher sei in der Beratung inzwischen ein wichtiges Thema, was die Erblindung mit dem Partner macht. Letztendlich habe Willenbergs Frau ihn verlassen: „Sie meinte, dass sie nicht mit einem blinden Mann zusammen sein könnte.“

Andere Sinne zum Kennenlernen wichtig

Obwohl Johannes Willenberg alleine wohnt, hat er dennoch eine sehende Assistenz, die ihn im Alltag unterstützt. In manchen Partnerschaften von blinden Menschen würde diese Position ein Partner oder eine Partnerin einnehmen. Das sei schon von Vorteil. Willenberg sieht aber auch Nachteile: „Man muss immer alles erklären: Warum muss eine Tür ganz offen oder ganz zu sein? Warum brauche ich eine Hand, wenn ich die zwei Stufen zur Haustür runtergehen will?“

Deshalb würden viele Erblindete oder Menschen mit Sehbehinderungen ebenfalls einen Menschen mit Sehbehinderung suchen.

Seit seiner Trennung musste Johannes Willenberg dann auch erlernen, als erblindeter Mensch zu daten. Kein ganz einfaches Unterfangen, wie er zugibt: „Viele Mechanismen laufen über das Sehen: Ich peile erstmal, wer so da ist. Wen würde ich dann für interessant halten? Bekomme ich Blickkontakt hin? Das alles fällt weg.“

Wenn er alleine ist, lernt der 61-jährige Single daher eher wenige Frauen kennen. In einer Gruppe sei es hingegen einfacher. Manchmal würde er von seinen sehenden Freunden dann Hilfe bekommen: „Die sagen dann vielleicht ‚Dahinten steht eine, die ist deine Kragenweite‘ und dann würde man da vielleicht mal vorbeigehen“, sagt er und grinst. Quasi wie eine sehende Assistenz fürs Dating. Oder wie Willenberg es nennt: „Einen Wingman. Der ist da noch wichtiger.“

Johannes Willenberg, der noch hell und dunkel erkennen kann, lernte dann, seine anderen Sinne einzusetzen: „Unter blinden Männern ist es ein Thema, wie bestimmte Frauen riechen.“ Jemand, der blind sei, würde nicht besser hören, riechen oder fühlen, „sondern bewusster“.

Willenberg wünscht sich kein Mitleid

Grundsätzlich würden blinde Menschen aber überall da Leute kennenlernen, wo es auch Menschen ohne Behinderung schaffen würden. Das könnte im Theater, an der Busstelle oder im Café. Zudem gibt es Apps und Internetseiten. Außerdem seien die Veranstaltungen des Dortmunder Blindenvereins sowie spezielle Reiseangebote für Blinde und Menschen mit Sehbehinderung sehr gut, um eine potentielle Partnerin oder einen potentiellen Partner kennenzulernen.

Ob eine Frau dann Interesse habe und offen für ihn als Mensch mit Behinderung sei, merke Johannes Willenberg schnell: „Ich glaube, das entscheidet sich sofort. Ganz platt gesagt: Hätte sie Vorbehalte, dann würde die nicht mit mir reden oder ganz unverbindlich und kurz angebunden.“ Aber Willenberg glaubt schon, dass viele Menschen es sich nicht vorstellen könnten, einen Menschen mit Beeinträchtigung oder Behinderung als Partner oder Partnerin zu haben.

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Und wenn doch, dann hofft zumindest Johannes Willenberg auf die richtige Intention dahinter: „Ich möchte nicht, dass sie sich dann einlässt mit ‚dem armen Blinden‘. Mitleid ist nie eine gute Grundlage für eine Beziehung.“

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