Wilo-Chef Oliver Hermes schreitet auf der Bühne im „Networking Cube“ des Wilo-Parks auf und ab. Er ist umringt von drei insgesamt 191 Quadratmeter großen LED-Wänden. Hunderte Gäste sind zur Eröffnung des „Networking Cube“ gekommen, einige Werkarbeiter, Betriebs- und Aufsichtsräte und auch Jochen Opländer aus der Unternehmerfamilie von Wilo ist vor Ort, der Ehren-Aufsichtsratsvorsitzende.
Wilo feiert damit seine nächste Eröffnung. Der „Networking Cube“ ist eins von etlichen Prestige-Projekten im Wilo-Park in Dortmund: Die kürzlich als Fabrik des Jahres ausgezeichnete Smart-Factory, der „Innovation Cube“ für Entwicklung und Forschung, der „Pioneer Cube“ für die Verwaltung und angrenzend an den Wilo-Park wird noch ein Gesundheitszentrum gebaut, der „Health-Cube“. 400 Millionen Euro hat das Wilo-Management in den vergangenen Jahren in die Zentrale des Weltkonzerns in Dortmund investiert, der als Hidden Champion gilt.
An diesem Tag im September erklärt Hermes, was die Wilo-Gruppe ausmacht: Wasser, regionale und autarke Lieferketten, Nachhaltigkeit, Beteiligungen an den wichtigsten Wasserpumpen-Projekten im globalen Süden und den USA. Hermes zeigt den Gästen die Strategie, an der der Konzern seit Jahren arbeitet, spätestens als Donald Trump 2016 erstmals US-Präsident wurde und Russland 2022 die Ukraine überfiel. Die Deglobalisierung, sie hat den Konzern verändert.
Wilo wächst trotz Stellenabbau
Doch so gut die Stimmung während der Eröffnung im September 2024 ist: Im Wilo-Werk gegenüber vom Networking Cube kämpft der Konzern mit einem „drastischen Auftragsrückgang“, wie es im Konzerninneren heißt. Es geht um das am Standort Dortmund wichtige OEM-Geschäft mit Pumpen für Heizungs-, Lüftungs- und Klimasysteme. Der Betriebsablauf kann seit Monaten ganz oder teilweise nicht mehr aufrechterhalten werden. Betriebsrat und Vorstand vereinbarten deshalb eine Arbeitszeitverkürzung mit anteiligen Gehaltsminderungen, die bis Ende Januar 2025 gilt.

Nach einem Rekordjahr 2023 und immer neuen Aufträgen, brach das für den Konzern wichtige OEM-Geschäft ein. „Gemäß unserer Region-for-Region-Strategie werden im Dortmunder Werk Pumpen und Pumpensysteme insbesondere für den europäischen Markt produziert“, sagt Oliver Hermes. Vor allem in Deutschland gerät die Wärmepumpen-Technologie fast schon in Verruf, weil die Debatte um das Heizungsgesetz der gescheiterten Ampel-Koalition die Verbraucher verunsichert. Wilo liefert wichtige Komponenten für die Wärmepumpe.
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Mit der Debatte um das Gesetz nahm die Geschichte des Stellenabbaus bei Wilo seinen Anfang. Manager, Teamleiter, Werks- und Verwaltungsmitarbeiter verlieren derzeit ihre Jobs. Die Rede ist konzernintern von rund 250 Mitarbeitern, die betroffen sein sollen. Doch so groß die Unruhe in der Wilo-Zentrale seitdem auch ist: Wilo wächst und verlagert seinen Fokus in den Globalen Süden. Dazu zählt Oliver Hermes auch eines der geopolitisch und wirtschaftlich wichtigsten Länder, wie aus seinem Editorial des Geschäftsberichts vom Jahr 2023 hervorgeht: „China – ein Land, das definitionsgemäß zum Globalen Süden zählt“.
Wilo-Standort in Dortmund „steht nicht zur Debatte“
Der Konzern hat sich mit seiner „Region for Region“-Strategie auf die „galoppierende Deindustrialisierung“ in Deutschland vorbereitet, wie der Wilo-Chef die Lage in Deutschland kürzlich zusammenfasste. Hermes sagt: „Wir sehen eine Verlagerung des Wachstums in andere Weltregionen, insbesondere den Globalen Süden. Wir regionalisieren und dezentralisieren unsere Aufbauorganisation. Besonders ist von dieser Transformation der Dortmunder Konzernhauptsitz betroffen. Die Zukunft des Standorts steht nicht zur Debatte.“
Als der Wilo-Chef Ende Oktober öffentlich den Stellenabbau im Dortmunder Werk verkünden muss, war die Nachricht eingebettet in die Mitteilung zu eben jenem strategischen Konzernumbau. Der strategische Umbau sieht eine Verlagerung von Geschäftsfeldern außerhalb Europas vor, besonders in den Globalen Süden und die USA. All die Meldungen der vergangenen Monate sind Teil dieser Veränderung.

Ein Beispiel dafür ist das Sponsoring der NBA-Basketballmannschaft Milwaukee Bucks, das Wilo Ende September verkündete: „Damit verpflichten wir uns selbst, nachhaltige Technologien und Lösungen zu schaffen, soziale Verantwortung zu übernehmen und in starke Partnerschaften weltweit zu investieren“, erklärte Hermes und weiter: „Dies auch mit dem Ziel, eine deutlich überproportionale Ausweitung unserer überaus erfolgreichen Geschäftsaktivitäten in Nord- und Lateinamerika zu generieren.“
Was das NBA-Sponsoring mit Wasser zu tun hat
Dabei geht es wie so oft um Wasser - und darum, dieses Wasser zu bewegen. Denn dafür produziert Wilo derzeit ihre wichtigsten Pumpensysteme. Das Sponsoring der Milwaukee Bucks steht wie kein anderes für den Wachstumsmarkt Wasser. Milwaukee liegt im US-Bundesstaat Wisconsin, direkt am Lake Michigan. Das 2022 eingeweihte regionale Wilo-Headquarter liegt in Cedarburg. Vom Fiserv Forum, dem Stadion der NBA-Mannschaft, bis zum Headquarter von Wilo sind es 30 Auto-Minuten.
Allein für den Wassermarkt im Globalen Süden schätzt Wilo laut Geschäftsbericht 2023 die Investitionssumme in den kommenden Jahrzehnten auf 11,7 Billionen US-Dollar. Zum Vergleich: Der Umsatz der gesamten Wilo-Gruppe betrug 2023 1,9 Milliarden Euro. Der Wilo-Chef sagt: „Wilos Pumpen und Pumpensysteme werden nicht nur in der Gebäudetechnik und im OEM-Markt nachgefragt. Wir verzeichnen eine wachsende Nachfrage nach Produkten, Systemen und Lösungen für das Marktsegment Water Management – auf der ganzen Welt.“
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Die Wilo Gruppe insgesamt erwirtschaftet derzeit rund 80 Prozent ihres Umsatzes außerhalb von Deutschland und rund 50 Prozent außerhalb von Europa. Der Konzern verfügt über 16 Hauptproduktionsstandorte, 90 Produktions- und Vertriebsgesellschaften und ist in über 50 Ländern aktiv. Unabhängig ist die Wilo-Gruppe vom OEM-Geschäft mit Heizungs-, Lüftungs- und Klimasysteme zwar nicht, aber Hermes sagt: „Der überwiegende Teil unserer Pumpen und Pumpensysteme kommt inzwischen in Nicht-Heizungsanwendungen zum Einsatz.“
Wilos wichtige Wasser-Projekte
Während also im Dortmunder Werk Unruhe wegen des Stellenabbaus herrscht und sogar der Eindruck entstanden ist, dass es dem Konzern insgesamt schlecht geht, ist die Wahrheit eine andere. Der Konzern hat sich umorientiert. Bei der Eröffnung des Networking-Cubes und dem Vortrag von Oliver Hermes vor den geladenen Gästen fällt schnell auf, welche Botschaften der Wilo-Chef sendet: Wichtige Wasser-Projekte in Ägypten und Marokko werden mit imposanten Videos untermalt.
Beim „Toshka-Projekt“ in Ägypten hilft Wilo mit seinen Pumpen, Wüstengebiete mit Wasser aus dem Nil für die Landwirtschaft nutzbar zu machen: „Große Splitcase-Pumpen von Wilo transportieren das Wasser effizient und sicher“, sagt Hermes. Und das zweite ist das „Sebou-Projekt“ in Marokko: „Es stellt die Wasserversorgung entlang der Achse Rabat-Casablanca und damit von bis zu 12 Millionen Menschen sicher.“ Hier kommen „Vertical Turbines“-Pumpen zum Einsatz.

Zurück bei der Eröffnung des „Networking Cube“ in Dortmund: Oliver Hermes referiert gerade über genau diese Projekte. Und selbst am Standort in Dortmund sieht die Zukunft aus wie das Cover des Wilo-Geschäftsberichts: Ein Tropfen Wasser, in dem der Erdball abgebildet ist, fällt auf eine Wassermasse, die diesen Erdball spiegelt. „Wilo hat sich das Ziel gesetzt, bis 2030 200 Millionen Menschen einen besseren Zugang zu sauberem Wasser zu ermöglichen“, heißt es im Geschäftsbericht.
Diese Marktpotenziale sieht Wilo in Dortmund
Obwohl Wilo insbesondere im Globalen Süden und in den USA ein überproportionales Wachstum erzielt, sieht Wilo-Chef Hermes „trotz der strukturellen Probleme, mit denen Wirtschaft und Industrie in Europa und insbesondere in Deutschland konfrontiert sind“ auch hier erhebliche Marktpotenziale. Gleichzeitig sichert der Konzern sein Wachstum mit dem Auslandsgeschäft ab - und damit auch seine Zentrale in Dortmund.

Oliver Hermes sagt: „Dank dieser Diversifizierung ist die Wilo Gruppe ein erfolgreiches und profitabel wachsendes Unternehmen – auch bei Nachfrage-Veränderungen in einzelnen Marksegmenten, Anwendungen und Regionen.“ Der letzte Teil des Satzes, ist einer dieser, die verdeutlichen, worüber der Wilo-Chef derzeit eher selten spricht: das schwache OEM-Geschäft, das zum Stellenabbau in Dortmund geführt hat.
Gleichzeitig erklärt Hermes aber auch, welche Segmente, die im Dortmunder Werk produziert werden, derzeit wachsen. Dazu zählt Wilo das Wachstum im Bereich von Pumpen und Pumpensystemen für Klima- und Kälteanwendungen und bei Systemen für Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungsanwendungen in der Gebäudetechnik. Und dann schließt sich der Kreis, wie Hermes erklärt: „Denn auch hier werden unsere Pumpen und Pumpensysteme für das Marktsegment Water Management immer stärker nachgefragt.“
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 19. November 2024.