Wilo baut Stellen in Dortmund ab Chef sieht „galoppierende Deindustrialisierung“

Wilo baut Stellen ab: „Transformation ist strategisch notwendig“
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Der Pumpenhersteller und multinationale Konzern Wilo aus Dortmund hat am Mittwochabend (16.10.) erklärt, „ausgewählten Mitarbeitern am Standort Dortmund derzeit proaktiv Angebote zum Unternehmensaustritt“ zu unterbreiten. Nach Informationen unserer Redaktion werden Mitarbeitern Aufhebungsverträge vorgelegt.

Rund 250 Mitarbeiter am Standort Dortmund sollen von der Maßnahme betroffen sein. Das Unternehmen will diese Zahl nicht bestätigen: „Aufgrund der noch laufenden Analyse der Personalstrukturen können wir nicht abschließend beurteilen, wie viele Mitarbeitende Angebote erhalten werden.“

Es ist ein Umbruch für den Wilo-Standort Dortmund. Der Konzern ist am Standort Dortmund vom Heizungsgeschäft stark abhängig. Seit Monaten kämpft das Unternehmen mit geringeren Auftragseingängen. 2023 wurden noch Rekordergebnisse wegen der hohen Nachfrage nach Wärmepumpen erzielt. In den vergangenen 20 Jahren hatte sich Wilo zuletzt in der Weltwirtschaftskrise, der Eurokrise und der Corona-Krise von Mitarbeitern getrennt.

Wilo bietet Aufhebungsverträge an

Nach Recherchen unserer Redaktion werden Mitarbeitern derzeit Aufhebungsverträge vorgelegt. Diese bekommen eine Abfindung angeboten. Mitarbeiter berichten davon, dass das Unternehmen auch mit betriebsbedingten Kündigungen drohe. Derzeit ist das nicht möglich, weil der Tarifvertrag mit der IG Metall betriebsbedingte Kündigungen bei einer kollektiven Arbeitszeitverkürzung ausschließt.

Wilo soll nun rentennahen Mitarbeitern den Unternehmensaustritt nahe legen, aber auch solchen, die aus Sicht der Geschäftsführung schlechte Leistungen bringen. Ein Wilo-Sprecher erklärte zum Stellenabbau: „Dabei liegt für Wilo als sozial verantwortungsbewusstem Arbeitgeber der Fokus nicht zuletzt auf attraktiven Angeboten zum vorgezogenen Renteneintritt.“

Wilo-Betriebsratschef Markus Teepe unterstützt die Maßnahme: „Wir sind davon überzeugt, dass diese Transformation strategisch notwendig ist.“

Wilo-Chef Oliver Hermes mit einer Pumpe, die bei dem Technologiekonzern in Hörde hergestellt werden.
Wilo-Chef Oliver Hermes mit einer Pumpe, die bei dem Technologiekonzern in Hörde hergestellt werden. © Stephan Schütze

Im Juli schied bereits der sieben Jahre lang amtierende Finanzchef Mathias Weyers bei Wilo aus. Einen Monat später verkündete Wilo eine Arbeitszeitverkürzung für die Produktionsmitarbeiter in Dortmund von 35 Stunden pro Woche auf 30 bis 32 Stunden. Die Maßnahme ist vom Tarifvertrag gedeckt und gilt bislang für sechs Monate und als vorübergehend.

Hat Wilo Lage falsch eingeschätzt?

Wilo-Chef Oliver Hermes erklärte zu der Arbeitszeitverkürzung im August: „Bereits in den vergangenen Monaten haben wir gemeinsam mit dem Betriebsrat alle erdenklichen Maßnahmen ergriffen, um die Belegschaft vor den Folgen der Unterauslastung des Werkes zu schützen. Wir handeln, wie Wilo seit über 150 Jahren handelt: ganz im Sinne der Mitarbeitenden.“

Zwei Monate später beginnt Wilo nun, sich von Mitarbeitenden in Dortmund zu trennen als eine Reaktion auf das anhaltend schwache Geschäft im Heizungssegment. Wilo-Chef Hermes macht die Politik für die schwache Auftragslage verantwortlich, insbesondere für die Verunsicherungen, die durch die Diskussion um das Gebäudeenergiegesetz entstanden seien.

Allerdings hatte der Konzern trotz der Debatte um das Heizungsgesetz und einem verhaltenen Start in das Jahr 2024 selbst mit einer anderen Entwicklung gerechnet: „Für den Jahresverlauf 2024 rechnet Wilo mit einer Normalisierung und Belebung der Nachfrage“, erklärte das Unternehmen noch im März 2024 in seinem zuletzt erschienenen Geschäftsbericht für das abgelaufene Jahr.

Wilo ernennt Regionalchefs

Seit Jahren arbeitet der Wilo-Vorstand um Konzernchef Oliver Hermes an einer Regionalisierungsstrategie für das Unternehmen. Weil sich immer mehr Länder wirtschaftlich etwa durch Zölle abschotten und auf Protektionismus setzen, hat das Wilo-Management sich dazu entschieden, seine Standorte regional stärker zu organisieren und die Lieferketten umzustellen.

Im Rahmen dieses Konzernumbaus hat Wilo nun Regionalchefs bestimmt, die an den Gesamtvorstand in Dortmund um Hermes berichten. Für Europa übernimmt Peter Glauner das Geschäft als Regionaler CEO. Im Raum Asien-Pazifik, im Nahen Osten und in Afrika wird Jens Dallendörfer Chef, der das Geschäft aus Dubai leitet. Für das Amerika-Geschäft wird Jeff Plaster als Regional-Chef in Cedarburg übernehmen.

Oberbürgermeister Thomas Westphal (r.) mit Wilo-CEO Oliver Hermes bei der Eröffnung des Networking Cube.
Oberbürgermeister Thomas Westphal (r.) eröffnete Anfang Oktober noch den Networking Cube gemeinsam mit Wilo-CEO Oliver Hermes. © WILO SE

Hermes begründete die Regionalisierungsstrategie und damit die den Dortmunder Mitarbeitern vorgelegten Aufhebungsverträge, mit einer „geoökonomischen Zeitenwende als direkte Konsequenz der geopolitischen Zeitenwende. Der Verlierer dieser Neujustierung der globalen Wertschöpfungsketten ist Europa.“ Das Wachstum verlagere sich in andere Weltregionen, insbesondere den Globalen Süden.

Wilo-Chef: „Galoppierende Deindustrialisierung“

Der Konzernchef erklärte, dass sich diese Entwicklung besonders drastisch in Deutschland zeige. „Die Bundesrepublik erlebt eine galoppierende Deindustrialisierung. Dies zeigt sich auch in den stark verunsicherten Heizungsmärkten.“ Von dieser Deindustrialisierung ist nun offenbar auch Wilo betroffen, da das Unternehmen sich nun erstmals seit der Corona-Krise von Mitarbeitern trennen will.

Hermes erklärte zudem, dass die schwache Nachfrage nach Wärmepumpen und anderen Heizungssystemen nicht mehr temporär sei: „Es kann aber nicht länger von einem temporären Effekt die Rede sein. Die Verfestigung der Krise des deutschen Heizungsmarktes deutet auf strukturelle Defizite und unzureichende Rahmenbedingungen hin. Der schwache Heizungsmarkt steht exemplarisch für die Wachstumsschwäche Deutschlands“, sagte er.

Die Aussagen von Hermes deuten darauf hin, dass es dem Standort in Dortmund noch schlechter geht als im August. Zudem ist fraglich, ob die bis Ende Januar anhaltende kollektive Arbeitszeitverkürzung auf sechs Monate befristet bleibt. Voraussetzung für diese Art der Arbeitszeitverkürzungen sind laut Tarifvertrag „konjunkturelle Beschäftigungsprobleme“. Die Maßnahme könnte so maximal auf 12 Monate verlängert werden.

Wilo: Keine betriebsbedingten Kündigungen

Wilo hat sich nun zunächst entschieden, Mitarbeitern Aufhebungsverträge vorzulegen. Das Unternehmen analysiert aufgrund der Schwächung des Industriestandorts Europa und seiner eigenen Regionalisierungsstrategie „die Personalstrukturen an den europäischen Standorten, so auch am Dortmunder Konzernhauptsitz“. Ziel sei, die Effizienz zu erhöhen, ohne betriebsbedingte Kündigungen aussprechen zu müssen.

Luftbild des Wiloparks in Dortmund.
Der Wilopark aus der Luft: Er liegt auf der rechten Seite der Bundesstraße 54 und angrenzend zu Phoenix-West. Oben links ist die neue, riesige Firmenzentrale des Dortmunder IT-Dienstleisters Materna zu sehen. © (A) Luftbild Blossey

Wilo-Chef Oliver Hermes stellt die Aufhebungsverträge und die Regionalisierugsstrategie in den Kontext eines strategischen Umbaus bei Wilo, der mehr sei als eine Reaktion auf die geoökonomische Zeitenwende: „Wir erhöhen die Effizienz sowie die Markt- und Kundenorientierung der Gesamtorganisation. So sichern wir nachhaltig das profitable Wachstum der Wilo Gruppe.“

Wilo-Betriebsratschef Markus Teepe äußert sich wohlwollend zum strategischen Umbau bei der Regionalisierung, die dem Unternehmen zufolge vor allem den Dortmunder Konzernhauptsitz betrifft: „Der Betriebsrat der Wilo SE trägt das Regionalisierungsprojekt mit und glaubt fest an den Erfolg der neuen, effizienteren Aufbauorganisation.“

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 17. Oktober 2024.