Treiber und Zukunftsgestalter Wilo-Chef Oliver Hermes ist kein Freund von Bauchentscheidungen

Wilo-Chef Oliver Hermes: Impulsgeber und Zukunftsgestalter
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Schon in der riesigen Empfangshalle des Hauptgebäudes im Wilopark begegnet man ihm: Seit wenigen Monaten hängt an einer Wand über der breiten Treppe ein Bild mit dem Wilo-Chef Oliver Hermes. Das Bild hat der Künstler Oliver Jordan - unter anderem bekannt durch seine Bilder im Konzerthaus - gemalt und es zeigt den CEO des weltweit tätigen Herstellers von Pumpen und Pumpensystemen mit Dr. Jochen Opländer, dem heute 93-jährigen Ehrenvorsitzenden des Aufsichtsrats der Wilo-Gruppe.

Das Bild steht nicht für einen selbstdarstellerischen oder gar egomanischen Konzernchef. Nein, Oliver Hermes, der gern hemdsärmelig zwischen Büro und Produktionshalle unterwegs ist, die Mitarbeitenden abklatscht und mit allen auf Augenhöhe spricht, ist das Gegenteil eines Egomanen. Das Bild am Treppenaufgang soll den Übergang von der 4. zur 5. Generation zeigen und eine Kontinuität in der Führung des Familienunternehmens demonstrieren.

Oliver Hermes gehört nicht zur traditionsreichen Dortmunder Unternehmer- und Stifterfamilie Opländer. Der 53-Jährige ist 2006 von außen zu Wilo gekommen. Er ist kein Opländer wie alle seine Vorgänger an der Firmenspitze seit Caspar Ludwig Opländer (genannt Louis), der 1872 die Kupfer- und Messingwarenfabrik Louis Opländer gründete. In den 20er-Jahren des 20. Jahrhunderts war es dann Wilhelm Opländer, der sich mit Umwälzpumpen beschäftigte und 1928 die erste Heizungspumpe der Welt entwickelte. Bis heute trägt Wilo seinen Namen.

Die smarteste Pumpe der Welt

Es ist genau dieser Pioniergeist, der Wilo in nunmehr über 150 Jahren zu dem gemacht hat, was es heute ist - ein Technologieunternehmen, ein Global Player mit weltweit 10.000 Beschäftigten. Oliver Hermes verkörpert diesen Pioniergeist - und er spricht auch gerne davon.

„Bei uns ist die Nachhaltigkeitsstrategie allen anderen Unternehmensstrategien übergeordnet. Da sind wir Pionier, weil ich überzeugt bin, dass nur die Industrieunternehmen, die Nachhaltigkeit an die erste Stelle setzen, überleben werden“, sagt er. Und: „Mein Fußabdruck bei Wilo wird hoffentlich sein, Wilo zum Pionier der Industrieunternehmen beim Thema Nachhaltigkeit zu machen.“ Und auch: „Die digitale Transformation haben wir im Vorstandsteam so vorangetrieben, dass wir schon 2015 digitaler Pionier waren und die smarteste Pumpe der Welt gebaut haben.“

CEO Oliver Hermes zeigt eine der Pumpen, die Wilo produziert. Dies ist eine Wilo-Stratos Maxo. Mit seinen Pumpen trägt Wilo aus Dortmund auf der ganzen Welt unter anderem zu einer Versorgung mit sauberem Wasser bei.
Bis er 2006 zu Wilo kam, hatte Oliver Hermes mit Pumpen nichts zu tun. Hier zeigt er eine Wilo-Stratos Maxo. Mit seinen Pumpen trägt Wilo auf der ganzen Welt unter anderem zu einer Versorgung mit sauberem Wasser bei. © Stephan Schütze

„Ich bin ein Wachstumsfan“

Oliver Hermes verlangt von sich selbst, Treiber, Impulsgeber und Zukunftsgestalter bei Wilo zu sein. Das versteht er als seine unternehmerische Verantwortung. Wenn also Jochen Opländer 2006 jemanden mit Pioniergeist als seinen Nachfolger gesucht hat, dann hat er ihn in dem damals erst 35-jährigen Oliver Hermes gefunden. „Ich bin ein absoluter Wachstumsfan. Wenn man stagniert, fällt man ab“, sagt Oliver Hermes. Und er muss seine Wachstumsstrategien und Visionen so überzeugend dargelegt und vorangetrieben haben, dass er schon 2009 Vorstandsvorsitzender und CEO wurde und Jochen Opländer ihn schließlich 2019 zu seinem unternehmerischen Nachfolger ernannte. „Ich habe keine expliziten Vorbilder bis auf eines: die unternehmerische Persönlichkeit Dr. Jochen Opländer. Er ist wie ein Vater für mich“, sagt Oliver Hermes.

Oliver Hermes, CEO von Wilo in Dortmund in der Empfangshalle des Pioneer Cubes im Wilopark. Im Hintergrund ist das Bild über der Treppe zu sehen, das ihn zusammen mit Dr. Jochen Opländer zeigt.
Oliver Hermes in der Empfangshalle des Pioneer Cubes im Wilopark. Im Hintergrund ist das Bild über der Treppe zu sehen, das ihn zusammen mit Dr. Jochen Opländer zeigt. „300 Millionen Euro in den Standort Dortmund zu investieren, war eine knallharte Business-Entscheidung“, sagt der 53-Jährige. © Stephan Schuetze

Dabei hatte er mit Pumpen bis 2006 nichts zu tun. Er kam als Diplomökonom von der großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG. „Da hatte ich zunächst ein Praktikum gemacht, blieb dort, wurde Partner und war unter anderem für französische Unternehmen zuständig“, sagt der Top-Manager. Frankreich, so erzählt er, war immer sein Lieblingsland. Schon am Gymnasium belegte der gebürtige Essener den Leistungskurs Französisch. Im idyllischen Angers an der Loire und bewusst nicht in Paris studierte er zwei Semester. Französisch spricht er „verhandlungssicher“, wie er sagt - Englisch sowieso. Und weil er auch Ostasien-Wirtschaft studierte, spricht er auch Chinesisch. Ein Buch mit philosophischen Texten von Konfuzius liegt neben dem dicken Wälzer des früheren US-Außenministers Henry Kissinger über die Staatskunst auf dem Beistelltisch zwischen den schwarzen Ledersesseln in seinem Büro.

Aber zurück zu den Stichworten Frankreich und Asien: Wilo war KPMG-Mandant und Oliver Hermes hatte so den ersten Kontakt zum Unternehmen. Er begleitete Wilo bei der Integration von erworbenen Unternehmen in Frankreich, Korea und Indien. Zum endgültigen Wechsel kam es dann 2006. Dr. Jochen Opländer und der damalige Wilo-Aufsichtsratsvorsitzende warben ihn ab und beriefen ihn in den Vorstand.

Morgens die Mails aus Asien

Wilo ist heute zu einem großen Teil Oliver Hermes - und Oliver Hermes ist Wilo. Sein Arbeitstag beginnt zu Hause in Herdecke morgens um 7 Uhr. „Wegen der Zeitverschiebung gucke ich zuerst auf die Mails aus Asien“, sagt er. Um 10 Uhr ist er meist in seinem in Grau und Schwarz gehaltenen und nur mit wenigen Möbeln ausgestatteten Büro und kümmert sich „um die europäischen Themen“. Das geht ganz digital, Papier sieht man auf seinem Schreibtisch nicht - nur ein aufgeklapptes Notebook und aktuelle Magazine wie „Cicero“ oder das Magazin des Deutschen Nachhaltigkeitspreises mit dem Titel „Deutschlands 100 Vorreiter der Transformation“. Natürlich kommt da Wilo drin vor. Irgendwann abends geht es zum Ende des Bürotages dann um Amerika. In den USA beschäftigt Wilo rund 500 Mitarbeitende.

Am Treppenaufgang in der Empfangshalle des Pioneer Cubes im Wilopark in Dortmund hängt ein von dem Künstler Oliver Jordan gemaltes Bild, das Oliver Hermes zusammen mit Dr. Jochen Opländer (93) zeigt.
Am Treppenaufgang in der Empfangshalle des Pioneer Cubes im Wilopark hängt ein von dem Künstler Oliver Jordan gemaltes Bild, das Oliver Hermes zusammen mit Dr. Jochen Opländer (93) zeigt. © Wilo/Baege

Immer hat Oliver Hermes aber Dortmund im Blick. Aus dem Fenster seines Büros in der fünften Etage des Pioneer Cubes - da ist er wieder, der Pionierbegriff, den Oliver Hermes für die Schaltzentrale von Wilo ausgesucht hat - schaut er direkt auf den alten Hoesch-Gasometer auf Phoenix-West („Meine DNA ist Ruhrpott“) und den Signal Iduna Park („Ich war früher Fußballer und bin natürlich BVB-Fan“). Hier ist er ansprechbar für alle. Die Wand zum Begegnungsbereich mit einem riesigen weißen Stehtisch ist verglast. „Ich bin kein Fan von Hierarchien“, sagt er. Zwar braucht man für den Zugang zur Vorstandsetage einen Zugangschip, mit Termin kommt aber jeder rein - auch kurzfristig. Oliver Hermes ist schließlich nicht nur der große Stratege, er steckt auch im Tagesgeschäft. Und das verlangt kurze Wege, schnelle Entscheidungen und Absprachen. „Wir leben in einer so schnelllebigen Zeit, da brauchen wir agile, flexible Teams“, sagt er.

Er selbst versteht sich als Teamplayer, ist regelmäßig im Wilopark und in der Werkhalle unterwegs. Gerne gehen nicht nur Führungskräfte auf ihn zu. Das merkt man, wenn man mit ihm über das Firmengelände läuft. Für viele Mitarbeitende ist er „der Oliver“. Aus den kurzen Gesprächen im Vorbeigehen ist herauszuhören, wie sehr der Chef ins Tagesgeschäft eingebunden ist. Er kennt die Arbeitsprozesse, jedes Modell, weiß, wo es zuletzt gehakt hat.

Gute Ideen unter der Dusche

Gleichzeitig hält er das Unternehmen auf Kurs, bestimmt die strategische Ausrichtung und ist global wegen seines Netzwerks auch bei der Kundenakquise gefragt. Wie macht er das? „Es stimmt, im Tagesgeschäft kann man nur selten kreative Ideen entwickeln. Gute Ideen kommen bei meinem Pensum unter der Dusche - auch bei langen Autofahrten und Zugfahrten kann ich gut nachdenken. Auch im Urlaub kommen oft Ideen. Um Strategien dann zu hinterfragen, ziehe ich mich aber auch mal tageweise zurück“, sagt Oliver Hermes.

Skywalk nennen sie bei Wilo in Dortmund den Umlauf über der Produktionshalle, auf dem CEO Oliver Hermes hier steht. Von hier blickt man runter in das in weiten Teilen automatisierte Werk.
Skywalk nennen sie bei Wilo den Umlauf über der Produktionshalle, auf dem Oliver Hermes hier steht. Von hier blickt man runter in das in weiten Teilen automatisierte Werk. © Stephan Schütze

Unterlaufen ihm Fehler? „Natürlich passieren auch Fehler, obwohl ich mich und die Strategien und Strukturen im Unternehmen ständig hinterfrage. Für unsere Produkte, Systeme und Lösungen, die wir verkaufen, gilt eine Null-Fehler-Toleranz. Im Management aber kann man Fehler auch mal bewusst in Kauf nehmen, um sich als Unternehmen zu entwickeln“, sagt er und macht deutlich, dass er kein Freund von Bauchentscheidungen ist. Alles will gut durchdacht sein: „Ich werde sicherer in meinen Entscheidungen, wenn ich mich darüber mit anderen unterhalte. Über die Jahre lernt man allerdings, seine Bauchgefühle schneller zu objektivieren.“

Überhaupt kein Bauchgefühl und keine romantische Heimatliebe war der Bau des neuen Firmengeländes, des Wiloparks. „Das war eine knallharte Business-Entscheidung. Statt für eine Renovierung des alten Werks oder einen Umzug ins Ausland haben wir uns im Zuge unserer digitalen Transformation für eine digitale Smart Factory entschieden und ganz bewusst in Dortmund 300 Millionen Euro investiert“, sagt Oliver Hermes.

Blaukittel und Weißkittel

Den Wilopark haben Dr. Jochen Opländer und Oliver Hermes nach ihren Wünschen konzipiert und ihr Ideal einer Standortkultur verwirklicht. Er ist wohl ihr Lebenswerk. Bald sollen Outdoor-Büromöbel aufgestellt werden, „weil das Arbeiten an frischer Luft und bei plätscherndem Wasser noch bessere Ideen begünstigt“. Eine riesige LED-Wand illustriert mit ständig wechselnden Bildern, wie Wilo weltweit funktioniert, ein Gesundheitszentrum („Health Cube“) ist im Bau. Auf dem neuen Networking Cube entsteht eine wunderschöne Dachterrasse samt Gastronomie. Und auf dem Wilopark-Gelände und in den Betriebsrestaurants und Bistros begegnen sich die Beschäftigten aus allen Unternehmenszweigen - Blaukittel und Weißkittel. „Der Wilopark ist auf Austausch angelegt“, so Oliver Hermes.

Regelmäßig ist CEO Oliver Hermes im Wilopark, dem Firmengelände von Wilo, unterwegs und besucht auch die Produktionshalle. Die Pumpe, die er sich hier anschaut, ist eine Trockenläufer-Pumpe, wie sie zum Beispiel für die Förderung von Heizungswasser benötigt wird.
Regelmäßig ist Oliver Hermes im Wilopark, dem Firmengelände von Wilo, unterwegs und besucht auch die Produktionshalle. Die Pumpe, die er sich hier anschaut, ist eine Trockenläufer-Pumpe, wie sie zum Beispiel für die Förderung von Heizungswasser benötigt wird. © Stephan Schuetze

Austausch - das ist so ein Wort, das man auch gut brauchen kann, um sich der Persönlichkeit des Mannes, der gerne schwarz trägt und einen großen Sinn für Ästhetik hat, weiter zu nähern. Er hält nichts von Abschottung, von Decoupling. Er möchte den Austausch - und unabhängig von geopolitischen Entwicklungen eine globale Vernetzung und keine Entkopplung. Als Chef eines weltweit agierenden Unternehmens mit 10.000 Beschäftigten auf nahezu allen Kontinenten ist das nur verständlich. Mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine muss er sich deswegen aber kritische Fragen gefallen lassen.

Seit 2016 betreibt Wilo ein Werk in der Nähe von Moskau. „Mit den verhängten Sanktionen“, sagt Oliver Hermes, „ist das Werk auf sich allein gestellt. Die Geschäftsaktivitäten werden aber fortgeführt, wir verhalten uns da vollkommen regelkonform. Unsere Pumpen und Pumpensysteme gewährleisten eine sichere Trinkwasserversorgung - und der Zugang zu sauberem Wasser ist ein von den Vereinten Nationen verbrieftes Grundrecht.“

Honorarkonsul für Kasachstan

Sein von politischen Vorgängen unabhängiges Tun verteidigt Oliver Hermes auch, wenn er auf sein Ehrenamt als Honorarkonsul in NRW für Kasachstan angesprochen wird. Das zentralasiatische Land ist gerade von „Reporter ohne Grenzen“ im Ranking der Pressefreiheit von Rang 123 auf Rang 135 herabgestuft worden. „Ich engagiere mich nicht für oder gegen Kasachstan“, sagt er, „sondern ich bin als Honorarkonsul für die Verbesserung der deutsch-kasachischen Wirtschaftsbeziehungen zuständig und Teil des konsularischen Corps der Bundesrepublik Deutschland.“

Mit Dr. Jochen Opländer begrüßte Oliver Hermes im Dezember 2023 Oberbürgermeister Thomas Westphal zur Grundsteinlegung für den Health Cube (Gesundheitszentrum) auf dem Wilopark-Gelände in Dortmund.
Mit Dr. Jochen Opländer begrüßte Oliver Hermes im Dezember 2023 Oberbürgermeister Thomas Westphal zur Grundsteinlegung für den Health Cube (Gesundheitszentrum) auf dem Wilopark-Gelände. © WILO SE

Wo die Politik es nicht schafft, Grenzen auf diesem Erdball zu überwinden, da kann und soll es die Wirtschaft schaffen. Die Lebensqualität der Menschen überall auf der Welt zu verbessern, das bezeichnet Oliver Hermes als seinen Antrieb und als Unternehmensziel von Wilo. Dafür ist er pausenlos unterwegs. 80 Prozent des Umsatzes macht Wilo im Ausland - mit steigender Tendenz.

Etwa die Hälfte des Jahres ist Oliver Hermes auf Geschäftsreisen. Da ist es klar, dass er sehr gerne zuhause bei seiner noch recht jungen Familie ist. Vor fünf Monaten ist er stolzer Papa von Zwillingen geworden. „Die Familie ist ein super Ausgleich für mich“, sagt er und will aber Privates dann auch Privates sein lassen. Stundenlang dagegen könnte er noch über Wasserknappheit als weltweite Herausforderung, klimaneutrale Wilo-Standorte oder pionierhafte Nachhaltigkeitsstrategien reden.