Die Kirche schrumpft. Evangelische wie katholische Kirche haben immer weniger Mitglieder, immer mehr Gemeinden fusionieren. Und das hat auch Folgen für die Gotteshäuser - bis zum Abriss.
Er wirkt wie ein Mahnmal für aufgegebene Kirchen. Seit 2003 ist der Turm der alten Lindenhorster Kirche von einem Gerüst umgeben. Es stützt die marode Bausubstanz. Was fehlte, war bislang Geld für die dringend nötige Sanierung - und eine Idee für die Nutzung der Kirche, die 2013 von der evangelischen Gemeinde Eving/Lindenhorst aufgegeben wurde. Sie wurde „profanisiert“, wie die Fachleute sagen.
Kampf um historischen Kirchturm
Ein Förderverein kämpft seit vielen Jahren für den Erhalt der denkmalgeschützten Kirche und des Turms aus dem 13. Jahrhundert, der als eines der ältesten weitgehend original erhaltenen Bauwerke Dortmunds gilt. Mehrere Vorhaben, unter anderem mit einem Wohnungsbau-Investor und für eine Senioren- und Pflegeeinrichtung, haben sich zerschlagen.
Doch jetzt, wenige Wochen vor dem Evangelischen Kirchentag in Dortmund, wurde die Rettung verkündet. Die Stadt prüft, die Kirche zu kaufen und dort einen Kindergarten einzurichten - inklusive Sanierung des Turms.
Die Lindenhorster Kirche ist ein gutes Beispiel für die Not der Kirchen mit nicht mehr benötigten Gebäuden. Und das werden immer mehr. Denn die Kirchen schrumpfen. Ortsgemeinden sind sowohl bei der evangelischen wie bei der katholischen Kirche in Gemeindeverbünden oder „pastroralen Räumen“ aufgegangen. Und die brauchen nicht mehr alle Kirchen und Gemeindehäuser beziehungsweise können sich auch den Unterhalt der Gebäude auch schlicht nicht mehr leisten.
Oft werden Kirchen und Gemeindehäuser ebenfalls fusioniert. So wie auch in Eving. Die Kirche an der Deutschen Straße wurde so umgebaut, dass die eigentliche Kirche für Gottesdienste und die Gemeinderäume gemeinsam untergebracht sind. Auf ähnliche Weise wurden die Lutherkirche in der Nordstadt und die Martinkirche im Union-Viertel umgebaut.
Aber auch das klappt nicht immer. 2017 wurde die vier Jahre zuvor „profanisierte“ evangelische Kirche an der Hochstraße in Dorstfeld verkauft. Man habe sich den Unterhalt mit jährlich gut 70.000 Euro kosten nicht mehr leisten können, erklärte die Gemeinde mit Bedauern. Also trennte man sich von dem Gotteshaus. Es ist jetzt eine „Eventkirche“, in der Empfänge, Familien- oder Betriebsfeiern und Konzerte stattfinden.

Aus der evangelischen Kirche an der Hochstraße in Dorstfeld wurde eine „Eventkirche“, die auch schon von den Organisatoren des Kirchentages genutzt wurde. © Stephan Schütze
Die Eventkirche in Dorstfeld ist ein gelungenes Beispiel für die Weiternutzung eines früheren Gotteshauses. Ein anderes ist die Gustav-Adolf-Kirche in Deusen. Sie wurde von einem Förderverein übernommen und mit Hilfe von Fördermitteln zu einem Stadtteil-Zentrum umgebaut. Motto: Wir lassen die Kirche im Dorf.
Doch das gelingt nicht immer. Auch in Dortmund wurden bereits mehrere evangelische Kirchen abgerissen. Ein Beispiel: Die Matthäus-Kirche in Körne, die nach der Fusion der Gemeinden in Körne und Wambel nicht mehr gebraucht wurde. 1997 wurde die aus den 1960er Jahren stammende Kirche gesprengt und machte Platz für Wohnhäuser.
Nur der Turm blieb erhalten
Ähnlich erging es der Adventkirche am Steinkühlerweg in Hörde. 2008 entwidmet wurden Kirche und Gemeindezentrum durch einen Neubaukomplex mit Seniorenwohnungen ersetzt, wobei der Kirchturm erhalten blieb und ins neue Gebäudeensemble integriert wurde.
Ein eher trauriges Dasein fristet die ehemalige Johannes-Kirche an der Bornstraße, pikanterweise gleich nebem dem Sitz des Evangelischen Kirchenkreises. Schon im Zweiten Weltkrieg wurde die Kirche von 1910 zerstört. Nur der Turm blieb übrig und steht heute gewissermaßen als Kriegs-Mahnmal unter Denkmalschutz. Das in den 1960er Jahren gleich daneben neu gebaute Kirchenschiff musste 2006 aufgegeben werden. Der Brandschutz verhindert eine Weiternutzung.
Abriss für Wohnbauten
Bei der katholischen Kirche gibt es ähnliche Beispiele. 2009 wurde die entwidmete Bonifatius-Kirche in Schüren abgerissen. Die Kirche „Christus unsere Hoffnung“ an der Arndtstraße im Kaiserviertel wich 2009 einem Wohnhaus.
Ein gelungenes Beispiel für die Neunutzung einer entwidmeten Kirche ist die Liebfrauenkirche am Rande der City. Sie wurde zu einer Grabeskirche umgestaltet, in der Urnen aufbewahrt werden. Die Architektur wurde mehrfach ausgezeichnet.

Ein eindrucksvolles Beispiel für die Umnutzung einer Kirche ist die Verwandlung der Liebfrauenkirche im Klinikviertel in ein Kolumbarium. © Sarah Rauch
Noch nicht ganz geklärt ist das Schicksal der Albertus-Magnus-Kirche im Borsigplatz-Viertel. Die ebenfalls denkmalgeschützte Kirche wurde schon 2007 aufgegeben und wartete lange Zeit auf eine neue Nutzung. So lange, dass zwischenzeitlich sogar Hausbesetzer das Gotteshaus okkupiert hatten. Vor zwei Jahrne wurde die alte Kirche an der Enscheder Straße schließlich verkauft - an einen Hotelinvestor mit Sitz in Düsseldorf.
Hotelpläne für alte Kirche
Ob er die Kirche abreißen oder umbauen wollte, blieb offen. Immerhin verkündet nun aktuell ein Bauschild vor Ort „Umbau und Nutzungsänderung einer Kirche (...) zu einem Hotel“.

Die entwidmete Albertus-Magnus-Kirche in der Nordstadt wird zurzeit zu einem Hotel umgebaut. © Oliver Volmerich
Die Baugenehmigung wurde im September 2018 erteilt. Und die Baucontainer vor der Tür deuten darauf hin, dass die Arbeiten begonnen haben. Näheres zu den Plänen war aber auch auf mehrfache Nachfrage von den Investoren nicht zu erfahren.
Fest steht nur: Es wird nicht die letzte Kirche in Dortmund sein, die auf eine neue Nutzung wartet. Die Umwidmung von Gotteshäusern wird auch in Zukunft eine spannende Frage sein, über die sich Gemeinden, Bistümer, Kirchenkreise, Landeskirchen, aber auch Städte und Architekten Gedanken machen müssen.
Oliver Volmerich, Jahrgang 1966, Ur-Dortmunder, Bergmannssohn, Diplom-Journalist, Buchautor und seit 1994 Redakteur in der Stadtredaktion Dortmund der Ruhr Nachrichten. Hier kümmert er sich vor allem um Kommunalpolitik, Stadtplanung, Stadtgeschichte und vieles andere, was die Stadt bewegt.
