
Groß ist die Hilfsbereitschaft für den wohnungslosen Jochen aus Dortmund. Nach Wochen im Park mit gespendeten Mahlzeiten hat er nun eine möblierte Wohnung. Der erste Einkauf war eine Dose Ravioli. © Uwe von Schirp
Wohnungsloser Jochen aus Dortmund: Drama mit vorerst glücklichem Ausgang
Brand im Fachwerkhaus
Jochen verlor bei einem Großbrand seine Schlafstätte. In der Folge musste der ehemalige BVB-Jugendspieler auch die Nächte im Park verbringen. Nun gibt es eine Lösung – mit neuerlicher Dramatik.
Das Schicksal von Jochen rief eine Welle der Hilfsbereitschaft hervor. Vor gut vier Wochen verlor der Wohnungslose bei einem Brand im ehemaligen „Café Chaos“ im alten Mengeder Ortskern seine Schlafstätte. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, verbrachte der frühere Deutsche B-Jugend-Meister des BVB die Nächte im Park am Amtshaus.
Dann brach er eines Abends zusammen und kam ins Krankenhaus. Nun gibt es eine glückliche Lösung – nicht ohne neuerliche Dramatik. Simone und Stephan, ein Paar aus Mengede, hatten den 54-Jährigen auch während des Krankenhausaufenthalts betreut und hielten per Telefon Kontakt.
Die Sozialbetreuerin, die den Wohnungslosen seit einiger Zeit begleitet, war im Urlaub. Simone bat, dass eine Vertretung sich dringend um eine Lösung kümmern müsse. Jochen wurde am Dienstag (12.7.) aus dem Krankenhaus entlassen. Sein Weg führte zwangsläufig zunächst zurück in den Park im Mengeder Ortskern.
Unterdessen hatte sich Bezirksbürgermeister Axel Kunstmann am Montag (11.7.) an Dortmunds Sozialdezernentin Birgit Zoerner gewandt – aus einem „einzigen Grund“, heißt es in der E-Mail: „die momentan fehlende Unterstützung durch Mitarbeitende des Sozialamts, denn die braucht Jochen im Augenblick wirklich.“
Große Hilfsbereitschaft auf Facebook
Kunstmann verwies auf die Zusage, eine Vertretung werde sich kümmern. „Nur, bislang ist nichts geschehen.“ Das änderte sich dann binnen weniger Stunden. Das Büro der Sozialdezernentin informierte den Leiter des Dortmunder Sozialamtes. Und schrieb an Kunstmann, das Sozialamt werde versuchen, mit Jochen „Kontakt aufzunehmen, seine Bedarfe zu ermitteln und entsprechende Hilfen anzubieten“.

Als das Feuer am frühen Morgen des 23. Juni ausbrach, schlief Jochen im linken, nicht vollständig ausgebrannten Gebäudeteil an der Siegenstraße. © Uwe von Schirp
Die Krux: Bislang fand die Betreuerin für Jochen keine Unterkunft in Mengede. Einen Schlafplatz in der Nordstadt lehnt er mit dem Hinweis auf seine sozialen Kontakte und sein Lebensumfeld ab. Ein Pendeln zwischen der Nordstadt und Mengede lassen seine gesundheitliche und finanzielle Situation nicht zu.
„Im Grunde braucht Jochen eine Bleibe in einem Radius, der der Entfernung von Amtshaus und Café Chaos entspricht“, erklärte Axel Kunstmann im Gespräch mit unserer Redaktion. Ein Anwohner hatte zwischenzeitlich schon einen Bauwagen als Unterbringung ins Spiel gebracht. Allein: Dafür fehlte ein Stellplatz.
Unterdessen nahm die Hilfsbereitschaft auf Facebook Fahrt auf, vor allem in der Gruppe „Leben in Mengede und drumherum“. Eine Userin nahm Kontakt mit dem Mengeder Heimatverein auf. Aber: Alle Wohnungen im Heimathaus seien vermietet, erfuhr sie.
Die Gruppe diskutierte, ob nicht die Kirchen helfen könnten – ohne Resonanz und Erfolg. Eine Administratorin der Gruppe spendete Jochen für Juli und August ein 9-Euro-Ticket. Vielleicht finde sich ja eine Wohnung in anderen Teilen des Stadtbezirks.
Freude, Party, Zusammenbruch
Am Donnerstag (14.7.) überschlugen sich dann die Ereignisse. Morgens sickerte durch, das Sozialamt habe eine Wohnung für Jochen in Nette gefunden. „Wir wollen abwarten, was der Besuch mit Jochen und den Sozialarbeitern bringt“, berichtete Axel Kunstmann am Mittag.
„Happy End für Jochen, er hat die Schlüssel in der Hand, freut sich wie ein Kind vor dem Weihnachtsbaum“, schrieb er am Abend. „Halleluja.“ Stephan und Simone freuten sich: „Jochen hat ne tolle Wohnung.“ Mit Möbeln.

Im Bereich Nette/Mengede hat das Sozialamt für Jochen eine Wohnung gefunden. © RVR 2021
Ein Grund zu feiern auch bei den Menschen im Amtshauspark. Kurz wollte Jochen noch in den Supermarkt, um eine Dose Ravioli und Toilettenpapier zu kaufen, erklärte er Simone. Dann: „schlafen, schlafen, schlafen“. Auf dem Weg zum Supermarkt aber brach er zusammen. Ein Rettungswagen brachte ihn erneut ins Krankenhaus. Tage der Ungewissheit.
Bis Montag (18.7.): „Jochen ist entlassen“, vermeldete Simone. Am Dienstag komme das Sozialamt, um mit ihm über eine Haushaltshilfe und Pflege zu sprechen – Hilfe in der Wohnungs- und Ausweglosigkeit.
Geboren 1964. Dortmunder. Interessiert an Politik, Sport, Kultur, Lokalgeschichte. Nach Wanderjahren verwurzelt im Nordwesten. Schätzt die Menschen, ihre Geschichten und ihre klare Sprache. Erreichbar unter uwe.von-schirp@ruhrnachrichten.de.
