
Bei einem Brand im ehemaligen "Café Chaos" verlor Jochen seinen Schlafplatz. Seitdem lebte er 24 Stunden im Park. Seit Tagen ist seine Bank dort leer. © Uwe von Schirp
Jochens Schicksal bewegt die Menschen: Nun ist seine Bank im Park leer
Ehemaliger BVB-Jugendspieler
Die Geschichte von Jochen bewegt die Menschen. Der Obdachlose verlor bei einem Großfeuer im Juni seinen Schlafplatz. Seitdem hat er 24 Stunden im Park gelebt – bis er einfach von der Bank kippte.
Die Parkbank ist leer. Seit ein paar Tagen schon. Jochen liegt im Krankenhaus. Ein weiteres Kapitel in der Krankengeschichte des wohnungslosen ehemaligen BVB-Jugendspielers, der bei einem Brand in einem Fachwerkhaus am 23. Juni seine Schlafstätte verlor.
Simone, die sich mit ihrem Lebenspartner Stephan um den 54-Jährigen kümmert, bestätigte am Samstagmorgen (9.7.) Informationen unserer Redaktion. Als sie ihn eine Woche zuvor nicht im Park am Amthaus in Dortmund-Mengede sah, habe sie sich zunächst nichts gedacht. „Vielleicht hatte er ja die Möglichkeit, bei irgendwem zu übernachten“, erzählt sie.
Als dann am Sonntag (3.7.) weiterhin jede Spur von Jochen fehlte, ahnte sie: „Da ist etwas passiert.“ Das Paar machte sich auf die Suche. Ein Krankenhaus in der Nähe bestätigte die Notaufnahme. Stephan brachte unmittelbar frische Kleidung in die Klinik. Über das Stations-Telefon hält das Paar Kontakt.

Jochens Schlafstätte war im langgezogenen Gebäudeteil an der Siegenstraße in Mengede. Hier musste er am Morgen des 23. Juni seine Ausweise und wenigen Habseligkeiten zurücklassen. © Uwe von Schirp
Von Menschen aus Jochens Umfeld erfuhren sie, dass er tagsüber ohne ersichtlichen Grund von der Bank gekippt war. Park-Besucher alarmierten den Rettungsdienst. Die Diagnose sei bisher unklar, berichtet Simone. „Er weiß selbst gar nicht, was mit ihm los war.“ Montag (11.7.) folge eine weitere Untersuchung. Am Bierkonsum habe es wohl nicht gelegen, erzählte ihr Jochen am Samstagmorgen (9.7.). „Der Alkoholspiegel soll bei der Aufnahme bei 0,6 gelegen haben.“
Anteilnahme im Ort und auf Facebook
Manch Mengeder gewinnt dem Krankenhausaufenthalt indes einen positiven Aspekt ab: „Wenigstens hat er für ein paar Tage ein warmes Bett.“ Jochen gehe es gut, berichtet Simone. „Er sagt, er fühle sich gerade wie ein neuer Mensch.“ Derweil ist die Anteilnahme an Jochens Schicksal nach dem Brand im leerstehenden ehemaligen „Café Chaos“ ungebrochen groß.
Mit unserem Bericht in der Hand, hat Stephan am Samstag Passanten im Ortskern angesprochen und um Hilfe gebeten. Eine Frau erzählte, sie stricke bereits BVB-Socken für den 54-Jährigen. Auch Mengeder Facebook-Gruppen haben unseren Bericht geteilt. Nur wenige User zeigen kein Verständnis für die Situation des Wohnungslosen, der mit dem BVB 1984 Deutscher B-Jugend-Meister wurde.
„Lest euch den Artikel bitte alle mal durch und schaut doch mal, ob da jemand helfen kann“, schreibt Sven in der Gruppe „Mengede und Umgebung lebt“. Jochen sei ein herzensguter Mensch. „Es muss doch eine Lösung geben.“

Vor 38 Jahren wurde Jochen als zweiter Torwart Deutscher B-Jugend-Meister mit dem BVB. In seiner Mannschaft spielten unter anderem der heutige Trainer Thorsten Fink sowie Maurice Banach und der Finalsieg-Torschütze Adrian Spyrka. © RN-Archiv
Auf der Facebook-Seite unserer Lokalredaktion schreibt Hans-Günter: „Es tut mir leid für ihn. Aber ich verstehe nicht, dass man so weit abrutschen kann.“ In einem weiteren Kommentar stellt er indes klar: „Ich kritisiere keinen. Und ja, es gibt auch Leute, die es aus eigener Kraft nicht schaffen. Lasst nur den Kopf nicht hängen, traut euch Hilfe anzunehmen.“
Bauwagen als kreative Zwischenlösung?
Claudia, Administratorin der Facebook-Gruppe „Leben in Mengede und drum herum“, postet: „Ganz ehrlich: das hätte mir vielleicht genauso passieren können, hätte ich solche Schicksalsschläge allein durchstehen müssen. Ich wünsche dem Jochen, dass er endlich mal Glück hat!“
Glück wäre ein dauerhaftes Obdach, eine Sozialwohnung für alle Jahreszeiten. Womöglich hilft vorübergehend auch die kreative Idee von Hans Dornseif. Er ist erst vor ein paar Jahren nach Mengede gezogen, lebt im Ortskern und kennt Jochen. Dornseif kommt aus Berlin und kümmerte sich schon dort um Trebegänger. In Dortmund wurde er im Corona-Winter 2020/21 bekannt: Damals verschenkte er tausende Schutzmasken an Obdachlose und andere Bedürftige.
„Als Schlafplatz wäre für Jochen ein Bauwagen ideal“, sagt er. Der sei leicht zu besorgen. Hans Dornseif hat den Bezirksbürgermeister ins Boot geholt. „Die Frage ist, wo man den Wagen im Bereich des Ortskerns hinstellen kann“, erklärt Axel Kunstmann. „Da haben wir im Moment noch keine Idee. Aber vielleicht findet sich ja jemand, der ein Stück Garten oder Hof dafür zur Verfügung stellt.“
Geboren 1964. Dortmunder. Interessiert an Politik, Sport, Kultur, Lokalgeschichte. Nach Wanderjahren verwurzelt im Nordwesten. Schätzt die Menschen, ihre Geschichten und ihre klare Sprache. Erreichbar unter uwe.von-schirp@ruhrnachrichten.de.
