Der Nordmarkt ist Treffpunkt für das Drogenmilieu, aber auch für Familien und weitere Bewohner der Dortmunder Nordstadt.

Der Nordmarkt ist Treffpunkt für das Drogenmilieu, aber auch für Familien und weitere Bewohner der Dortmunder Nordstadt. © Felix Guth

Dortmunder Nordmarkt: Gewalt, Drogen, Prostitution – und daneben spielen Kinder

rnDortmunder Nordstadt

Am Nordmarkt herrschte schon immer ein raueres Klima als im Rest der Stadt. Mehrere schwere Verbrechen und ein Todesopfer schärfen den Blick neu. Verändert sich gerade etwas im Herzen der Nordstadt?

Dortmund

, 07.10.2022, 11:55 Uhr / Lesedauer: 3 min

Ein Toter im Hinterhof, ein Schwerverletzter auf der Parkbank, jeweils ein Messer als Tatwaffe: Das waren zuletzt Meldungen vom Nordmarkt in Dortmund, die schwer zu ignorieren sind. Selbst an einem Ort wie diesem, der schon seit Jahrzehnten im Fokus steht.

Der Nordmarkt ist ein eigenes Ökosystem. Darin dürfen bestimmte Faktoren nicht zu stark werden. Sonst kippt es.

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Die Parkbank, auf der am Mittwochmorgen ein schwerverletzter Mann gefunden wurde, ist einen Tag später schon wieder besetzt. Es ist 13.30 Uhr an einem sonnigen Oktobertag in den Herbstferien.

Cappuccino in der Herbstseite - nebenan trifft sich die Trinkerszene

Ein Baum leuchtet glühend rot in der Herbstsonne, kaum eine Sitzgelegenheit der 3,25 Hektar großen Grünanlage bleibt frei. Ein perfekter Herbsttag, um im „Grünen Salon“, einem Bistro in der Mitte des Platzes, einen Cappuccino zu schlürfen und die letzten Zuckungen des Sommers zu genießen.

Das ist die gemütliche Seite des Nordmarkts. Absolut „instagramable“, also in sozialen Medien schillernd präsentierbar. Man muss dafür aber einiges ausblenden.

Denn man sitzt dort Milchschaum löffelnd und sieht, wie alles gleichzeitig passiert: lachende Kinder neben streitenden Betrunkenen. Die Übergabe von mutmaßlich harten Drogen neben Müttern, die Essen aus einer Snackdose für ihre Kinder teilen. Kinderwagen, die an einer Crack-rauchenden Frau in einem Hauseingang vorbeigeschoben werden.

Eine feste Ordnung wie auf dem Schulhof

Der Nordmarkt hat eine feste Ordnung, fast wie ein Schulhof. Rund um den gut besuchten und modern ausgestatteten Kinderspielplatz ist es vergleichsweise ruhig.

Das ändert sich entlang der fein geschotterten Wege in Richtung Mallinckrodtstraße. Rechts sitzen mehrere Männer zusammen, sie kommen nach eigener Aussage hier aus der Gegend. Alkoholflaschen haben nur manche von ihnen in der Hand.

Auf der linken Parkseite sitzt eine große Gruppe von Menschen, die lautstarke Diskussionen führen, aber auch viel lachen. Weil Ferien sind, haben viele ihre Kinder mit dabei, während die tägliche Trink-Routine weitergeht.

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Ein paar Meter weiter sitzen Männer, denen der jahrelange Drogenkonsum äußerlich deutlich anzusehen ist. Im vorderen Teil des Parks, wo der Schwerverletzte lag, treffen sich hingegen eher die Konsumenten harter Drogen.

Der schnelle Kick in der Nebenstraße

Eine Frau mit blonden Haaren kommt vorbeigelaufen. Sie war vorher schon da, verschwand dann mit einer weiteren Person in einer Nebenstraße. Als sie zurückkommt, ist sie mutmaßlich berauscht. Federnden Ganges wirft sie ihren Kopf nach hinten, ändert immer wieder das Tempo.

Sie blickt auf, denn ein circa Zehnjähriger ruft laut „Ronaldo“ und legt einen beinahe platten Plastikball zum Schuss bereit. Der Ball landet in einem Blumenkübel.

Ein Fuß einer Frau ragt aus einem Hauseingang an der Nordstraße in Dortmund, wo sie gerade Drogen konsumiert.

Ein Fuß einer Frau ragt aus einem Hauseingang an der Nordstraße in Dortmund, wo sie gerade Drogen konsumiert. © Felix Guth

Die Simultanität der Dinge kann den ungeübten Betrachter überfordern. Bei denjenigen, die hier regelmäßig sind, löst sie keine Aufregung mehr aus.

Kämpfen Drogendealer um ihre Reviere?

„Das kommt öfter vor“, sagt ein Mitarbeiter einer Hilfseinrichtung am Nordmarkt über die Messerstich-Meldung von Mittwoch. Er schildert, wie hier vieles zusammenhängt. Drogendealer haben feste Reviere und einen Kundenstamm.

„Wenn ein neuer Dealer kommt und Kunden streitig macht, kommt es zu Ärger“, sagt der Helfer. Die Polizei Dortmund sprach bei den jüngsten Vorfällen von Auseinandersetzungen im „Drogenmilieu“.

Konsumiert wird häufig direkt vor Ort, etwa in den Toilettenhäuschen am Eingang. Auf eines davon hat jemand den Spruch „Die Welt gehört dir“ gesprüht. Prostitution ist ebenfalls offensichtlich, wird hier angebahnt und in einer Nebenstraße in Richtung eines großen Supermarkts vollzogen.

Niemand, den man hier anspricht, sagt, dass alles schlimmer geworden wäre. Aber manches macht auch den Hartgesottenen Sorge.

Einige berichten, dass bei dem Fall eines 47-Jährigen, der in einem Hinterhof an der nahe gelegenen Clausthaler Straße tot gefunden worden war, die Täter mit einem Auto vorgefahren seien. Dunkel gekleidet und vermummt haben sie auf den Mann gezielt eingestochen, dann sei das Auto wieder davongerast.

Friedliche Koexistenz - bis der Pegel zu hoch wird

Am frühen Nachmittag pflegen die unterschiedlichen Gruppen noch eine friedliche Koexistenz. Das Ordnungsamt geht auf eine der regelmäßigen Streifen, besondere Vorkommnisse registrieren die Mitarbeiter nicht.

Je weiter der Tag und der Alkoholpegel voranschreiten, umso mehr steigt die Gefahr von Streitigkeiten. Der Nordmarkt ist nicht der einzige Ort in der Dortmunder Innenstadt, an dem das so ist.

So ist auch aus Sicht der Stadt Dortmund der aktuelle Fall „eine tragische Auseinandersetzung im Drogenmilieu, die auch an anderen Stellen Dortmunds, an denen sich schwerstabhängige Menschen aufhalten, hätte passieren können“.

Aber der Blick auf den Nordmarkt im Oktober 2022 zeigt: An wenigen anderen Orten stellen sich so viele Phänomene des Großstadt-Lebens so konzentriert dar. Die Guten und die Schlechten.

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Die Dortmunder Stadtgesellschaft ist geübt darin, immer wieder hinzusehen, ob sie im Gleichgewicht bleiben. Möglicherweise ist gerade wieder ein Punkt erreicht, an dem darauf ganz genau geschaut werden sollte.

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