Demonstrierende halten ein Banner mit der Aufschrift "Justice for Mohamed".

Hunderte Menschen haben bei Demos „Gerechtigkeit“ für Mouhamed D. gefordert. Die Schreibweise seines Namens ist erst am Tag nach dieser Demo öffentlich bekannt geworden. © Kevin Kindel

2 Dortmunder sterben am Tag nach Psychiatrie-Aufenthalt - 2 Fälle in 2 Monaten

rnNotfallversorgung

Zwei Personen mit Vorgeschichte psychiatrischer Leiden. Beide sind am jeweils nächsten Tag tot. Einer bringt zuvor noch seine Frau um. Wie steht es um die Notfallversorgung in Kliniken?

Dortmund

, 18.08.2022, 04:30 Uhr / Lesedauer: 2 min

Zum zweiten Mal in zwei Monaten ist in Dortmund ein Mensch gestorben, der ganz kurz zuvor Hilfe in einer psychiatrischen Einrichtung gesucht hatte. Der 16-jährige Flüchtling Mouhamed D. war für eine Nacht in stationärer Behandlung gewesen, unmittelbar bevor er einen Polizei-Einsatz auslöste, bei dem er erschossen wurde.

Mitte Juni war es zuvor zu einem anderen gewaltsamen Tod nach psychiatrischer Vorgeschichte gekommen. Ein 56-jähriger Familienvater hatte sich in einem Krankenhaus nach einen Gesprächstermin erkundigt und ist auf die wöchentliche Sprechstunde verwiesen worden. Der Mann ging nach Hause und tötete tags darauf erst seine Frau und sprang dann aus dem Fenster in den eigenen Tod.

Der Dortmunder habe nach einer planbaren Behandlung gefragt, sagte das Team der Einrichtung danach aus. „Von einer Notfall- oder Krisensituation sei nicht die Rede gewesen“, hieß es.

Mouhamed D., der als Flüchtling erst wenige Tage lang in Dortmund gewohnt hat, hat das Wochenende in einer Klinik verbracht und ist am Sonntag (7.8.) entlassen worden, wie die Stadt Dortmund mitteilt. Am Montag wählte das Personal seiner Wohngruppe den Notruf, weil der 16-Jährige gedroht habe, sich mit einem Messer umzubringen. Der Polizei-Einsatz eskalierte, Mouhamed wurde erschossen.

LWL äußert sich nicht zum Aufenthalt

Eine Woche danach stellt sich die Frage, welches Bild er in der psychiatrischen Einrichtung abgegeben hat, die den offenbar sehr labilen unbegleiteten Jugendlichen nach einer Nacht entlassen hat.

Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), der den regionalen Versorgungsauftrag für Psychiatrien in Dortmund inne hat, kommentiert auf Anfrage nicht, ob Mouhamed D. in einer Einrichtung dieses Trägers war oder nicht. Nach Auskunft der Stadtverwaltung war er das - LWL-Sprecher Thorsten Fechtner verweist auf den Datenschutz.

Jetzt lesen

Auf die Frage, ob der 16-Jährige und zuvor der 56-Jährige länger hätten untersucht werden müssen, sagt Fechtner: „Wir müssen jede Kausalität von uns weisen.“ Für Aussagen zu den Ermittlungen verweist er an die Staatsanwaltschaft, die sich erst im September zu einem neuen Stand äußern will.

Den Krankenhäusern ist sicherlich nicht zu unterstellen, Menschen weggeschickt oder entlassen zu haben, von denen man wusste, dass eine potentielle Gefahr von ihnen ausgeht. Aber hatten die Mitarbeitenden genügend Zeit, sich ein umfangreiches Bild von den beiden Personen zu machen?

Zwangsaufenthalt bei erkennbarer Selbstgefährdung

„Ich glaube nicht, dass diese beiden Situationen für Mängel in der Versorgung stehen“, sagt Gerd Höhner, Präsident der Psychotherapeutenkammer NRW. „Wenn ein Mensch erkennbar sich selbst gefährdet, muss die Klinik ihn festhalten“, erklärt er. Höchstens 24 Stunden lang könne man das tun, dann müsse ein Gericht die Zwangsunterbringung anordnen. Bei Fremdgefährdung sei in der Regel die Polizei einzuschalten.

Jetzt lesen

Ist diese Gefährdungslage dem Personal aber nicht erkennbar, könne jeder Patient, der freiwillig gekommen ist, das Krankenhaus jederzeit auch wieder verlassen. Bei der Kammer handelt es sich um die Selbstverwaltung aller Psychotherapeuten in NRW.

Gerd Höhner ist der Präsident der Psychotherapeutenkammer NRW.

Gerd Höhner ist der Präsident der Psychotherapeutenkammer NRW. © PTK

Ein Manko sei aus Höhners Sicht in allen Krankenhäusern, dass einige Assistenzärzte schon am ersten Tag nach der abgeschlossenen Ausbildung Aufgaben übernehmen müssten, für die sie noch nicht die gewünschte Erfahrung mitbringen. Doch die psychiatrische Notfallversorgung sei „vergleichsweise gut aufgestellt“. Er glaube nicht, dass es Mängel bei Abläufen, Qualifikationen oder Kapazitäten in den Kliniken gebe.

Lesen Sie jetzt