Friedhelm Evermann ist Leiter der Jugendhilfe St. Elisabeth. In einer Einrichtung des kirchlichen Trägers lebte der unbegleitete minderjährige Flüchtling Mouhamed D. nach seiner Ankunft in Dortmund bis zu seinem Tod für eine Woche.

Friedhelm Evermann ist Leiter der Jugendhilfe St. Elisabeth. In einer Einrichtung des kirchlichen Trägers lebte der unbegleitete minderjährige Flüchtling Mouhamed D. nach seiner Ankunft in Dortmund bis zu seinem Tod für eine Woche. © Foto Archiv / Montage Guth

Leiter von Dortmunder Wohngruppe spricht erstmals über den Fall Mouhamed D.

rnTödliche Polizeischüsse

Der bei einem Polizeieinsatz erschossene Mouhamed D. (16) lebte vor seinem Tod in einer Dortmunder Jugendhilfeeinrichtung. Nun hat sich deren Leiter erstmals zu dem Vorfall geäußert.

Dortmund

, 16.08.2022, 09:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Am Hauptfriedhof in Dortmund zeigt sich am Montagvormittag (15.8.) eine Szenerie, die surreale Züge trägt. In letzter Sekunde ist die Beisetzung von Mouhamed D. auf dem muslimischen Teil des Friedhofs abgesagt worden. Die Grube für den Sarg mit dem Leichnam des 16-Jährigen ist zu diesem Zeitpunkt bereits ausgehoben.

Menschen, die von dem 16-jährigen Abschied nehmen wollten und die Info zu spät erhalten haben, stehen mehr oder weniger ratlos auf dem Parkplatz.

Leiter der Einrichtung, in der Mouhamed D. lebte, äußert sich

Unter ihnen ist auch Friedhelm Evermann. Er ist Leiter der Jugendhilfe St. Elisabeth. In einer Einrichtung des katholischen Trägers war Mouhamed D. vor seinem Tod für eine Woche in einer Jugendwohngruppe untergebracht.

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Auf dem Gelände der Einrichtung kam es am Nachmittag des 8. August zu der Situation, die zunächst einen Polizeieinsatz auslöste und mit den tödlichen Schüssen endetet.

Mouhamed D. soll sich in suizidaler Absicht ein Messer an den Bauch gehalten haben. Nach einem Taser-Einsatz sei er mit dem Messer auf Polizisten losgelaufen, so die Darstellung der Polizei.

Evermann spricht erstmals aus Sicht der Jugendhilfe St. Elisabeth über den Fall. In der ersten Woche hatte sich das Personal aus verständlichen Gründen vor den zahlreichen Presseanfragen abgeschottet. „Es ist natürlich eine Situation, die hier alle schwer belastet“, sagt Evermann.

Das Geschehene sei nach wie vor schwierig zu begreifen. Der Alltag habe aber dennoch weitergehen müssen. Die zum Zeitpunkt des Vorfalls anwesenden Mitarbeitenden waren laut Evermann einige Tage lang nicht arbeitsfähig. In der Einrichtung leben bis zu 12 Jugendliche, die für ein selbstständiges Leben vorbereitet werden sollen und häufig schwierige Vorgeschichten haben.

Jugendliche wollten Abschied nehmen

Einige von denen, die mit dem Getöteten eine Woche in der Wohngruppe für Jugendliche ab 14 Jahren verbracht hatten, sind zum Friedhof gekommen. Evermann sagt: „Auch wenn es keine lange Zeit war, entsteht so etwas wie eine Verbindung und sie wollten Abschied nehmen.“

In Mouhamed D.s Zeit in der Einrichtung habe es keine Auffälligkeiten gegeben, die über die üblichen Eingewöhnungsprobleme von Jugendlichen in einer solchen Situation hinausgegangen seien.

Die Jugendlichen hätten nach Friedhelm Evermanns Kenntnis das Geschehen von ihren Zimmern nicht selbst sehen können, da sich Mouhamed D. zum Zeitpunkt der Schüsse hinter einem Mauervorsprung vor einem Zaun befunden haben soll.

Allerdings hatte Mouhamed D. am Samstag (6.8.) die Elisabeth-Klinik des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) in Dortmund-Aplerbeck aufgesucht. Am Sonntag war der 16-Jährige jedoch bereits wieder entlassen worden.

Mitarbeitende hätten auf Französisch mit dem 16-Jährigen kommunizieren können. In der Situation vor einer Woche hätten zwei Mitarbeitende zunächst noch versucht beruhigend auf den 16-Jährigen einzuwirken.

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Als das nicht erfolgreich war, hätten sie dann die Polizei informiert und dabei auch den Hinweis auf die besondere sprachliche Situation und den psychischen Zustand gegeben.