Anfang April 2022 erschien in der Wochenzeitung „Die Zeit“ ein großer Artikel über die Dortmunder Gastro-Szene. Unter dem Titel „Neue Dortmunder Welle“ wurde die Auferstehung der Spitzengastronomie in der Stadt gefeiert. Zentrales Beweisstück dieser Behauptung waren die vier Sternerestaurants, die Dortmund zu diesem Zeitpunkt hatte - viermal so viele wie noch zwei Jahre zuvor.
Doch gut zwölf Monate später sind zwei der vier Sterneküchen schon wieder Geschichte: Das „Iuma“ in Kirchhörde schloss Ende April 2022, im „Der Schneider“ in Wambel gab Küchenchef Phillip Schneider vergangene Woche das überraschende Aus wegen extremen Personalmangels und finanzieller Sorgen bekannt.
„Dortmund ist vielleicht nicht die Hochburg für Sternerestaurants“, heißt es in der Pressemitteilung, die Schneider zum Ende seines Restaurants veröffentlichte. Im Gespräch mit unserer Redaktion wurde der Spitzenkoch noch deutlicher: Die Halbierung der Sterne in Dortmund in nur einem Jahr „sollte einem zu denken geben“. Und: „Ich war nicht der Erste und werde auch nicht der Letzte sein, der schließt.“
Eigentlich, findet Schneider, seien vier Sternerestaurants zu wenige für eine Stadt der Größe Dortmunds. Doch sei eben die Kaufkraft in Dortmund geringer als in anderen Städten wie Düsseldorf oder Frankfurt.
Zu arm für Spitzen-Gastro?
Ist die „Neue Dortmunder Welle“ in der Spitzengastronomie also bereits verebbt? Zeigt das Sterne-Sterben, dass Dortmund zu arm ist für vier Sternerestaurants? Wir haben den Rest des Quartetts der aktuellen und ehemaligen Dortmunder Sterneköche gefragt.
Dass das „Schneider“ geschlossen hat, „tut mir sehr leid für Phillip“, sagt Dirk Grammon, Küchenchef und Inhaber des Brackeler Sternerestaurants „Grammons“. „Das ist nicht gut für Dortmund.“

Schneiders Krisenstimmung teilt Grammon dennoch nicht: „Um uns muss man sich keine Sorgen machen. Man kann die Läden nicht miteinander vergleichen.“ Sein Lokal sei auf Wochen ausgebucht. „Ich glaube nicht, dass in Dortmund ein weiteres Sternerestaurant wegbricht.“
Dortmunds neben Grammon zweiter verbliebener aktueller Sternekoch Michael Dyllong pflichtet ihm da bei: Er habe nicht vor, sein „The Stage“ in Hombruch dichtzumachen.

Zwar habe auch er den Eindruck, dass in Dortmund die Kaufkraft infolge der Energiekrise und der Inflation zurückgegangen sei. Gleichwohl sei das nicht der Grund für die Doppel-Schließung in der Dortmunder Sterne-Szene, meint Dyllong: „Dortmund hat das Potenzial für vier Sternerestaurants.“
Er ist überzeugt, dass die wirtschaftliche Nische von Sternerestaurants weiter funktioniere. Die Zielgruppe habe immer noch das Geld für Spitzengastronomie und komme bei Weitem nicht nur aus Dortmund.
„Iuma“ lief „bombastisch“
Das Ende des „Iuma“ 2022 tauge nicht als Beweis des Gegenteils: Die Schließung des Sternerestaurants habe keine wirtschaftlichen Gründe gehabt, sagt Dyllong, der als Ex-Mitbesitzer des „Iuma“ Wissen aus erster Hand hat. Vielmehr habe man sich mit dem damaligen Küchenchef Pierre Beckerling „auseinandergelebt“.
„Wäre ich nicht gegangen, gäbe es das ‚Iuma‘ noch“, sagt auch Beckerling selbst. Die Auslastung sei bis zuletzt „bombastisch“ gewesen, sagt der Ex-Sternekoch. Man habe unterschiedliche Vorstellungen gehabt, wie es mit dem „Iuma“ weitergehen sollte, daher habe er damals gekündigt.

Ein schlechtes Pflaster für Spitzengastronomie sei Dortmund nicht, darin sind sich Grammon, Dyllong und Beckerling einig. Letzterer kocht nach ein paar Monaten Auszeit inzwischen wieder in Dortmund, aktuell bei regelmäßigen Dinner-Abenden auf Phoenix-West.
Voraussichtlich ab Oktober steht Beckerling im neuen Edel-Restaurant „Schwarzgold“ in der Kokerei Hansa hinter dem Herd - und will alles dafür tun, dass die Zahl der Dortmunder Sterne wieder steigt. „Ja, zu 100 Prozent“, antwortet er auf die Frage, ob er wieder einen Stern erkochen will. Mehr noch: „Mein internes Ziel sind zwei Sterne.“
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